Talk nach der Wahl
Nürnberger Stadträtinnen und Stadträte stellen sich der Diskussion
Einen Tag nach der Bundestagswahl diskutierten die entwicklungspolitischen SprecherInnen der Fraktionen des Nürnberger Stadtrates über den Ausgang der Wahl im Forum des Nürnberger Handwerkerhofes. Im Zuge der #Hofgespräche zur Fairen Woche 2017 standen dabei die möglichen Auswirkungen des Wahlausgangs für die weitere Umsetzung der „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ der Vereinten Nationen im Fokus.
Hintergrund: Bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (engl: sustainable development goals) handelt es sich um Zielsetzungen, die dabei helfen sollen, die Zukunft unseres Planeten zu sichern. Die nachhaltigen Entwicklungsziele wurden von den Vereinten Nationen nach Ablauf der Milleniums-Entwicklungsziele beschlossen. Bis 2030 sollen alle Staaten die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in der ganzen Breite ihres Handelns umsetzen – also sowohl im Hinblick auf wirtschaftliche Weichenstellungen, als auch in den Punkten soziale Verantwortung und Klimaschutz. Doch nicht nur die Staaten, auch die Kommunen und die Zivilgesellschaften sollen und müssen dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Neu an den nachhaltigen Entwicklungszielen ist, dass auch die westlichen Industrienationen als „Entwicklungsländer“ in den Blick kommen. Denn gerade diese sind mit ihrem Lebensstil und ihren Wirtschaftsstrukturen eine der Hauptverursacher von Klimawandel und sozialem Ungleichgewicht in dieser Welt.
„Mit dem Ausgang der Wahl kann wahrscheinlich keiner von uns so richtig glücklich sein“ – diese Einschätzung von Jürgen Bergmann (Mission EineWelt) zu Beginn der Diskussion gab die Grundstimmung nach den Ergebnissen des Wahlabends recht gut wieder – manche der an diesem Abend versammelten Personen hätte wohl auch noch deutlichere Worte für die krassen Verluste der beiden großen Volksparteien und den Einzug von rechtsnationalen Ansichten in den Bundestag gefunden. Auch auf dem Podium herrschte ein wenig Katerstimmung – der Wahlkampf war lange und Christine Kayser (SPD), Dr. Otto Heimbucher (CSU) und Britta Walthelm (Grüne) hatten sich ganz schön ins Zeug gelegt. Allein Britta Walthelm hatte jedoch mit dem guten Ergebnis der Grünen in Nürnberg einen guten Grund zur Freude mitgebracht. „Wir haben die Stimmung in der Stadt schon immer besser als die Umfragen wahrgenommen“. Und auch das Klinkenputzen im Vorfeld der Wahl, habe ihr richtig Spaß gemacht.
Doch wie nun umgehen mit diesem Wahlergebnis? „Es steht uns in den nächsten Wochen noch einiges bevor“, so Otto Heimbucher, der damit die anstehenden Koalitionsverhandlungen, aber auch die bevorstehenden Diskussionen in der CDU/CSU vor Augen hatte. Er betonte, dass es wichtig sei, die WählerInnen zurückzugewinnen und sich zugleich ganz klar von rechtem Gedankengut abzugrenzen. Vor dem anstehenden Landtagswahlkampf sind von Seiten der CSU eventuell kantigere und härtere Töne zu erwarten.
Gefragt nach den Wünschen für die anstehende Regierungsbildung zeigten sich die 3 Diskutierenden optimistisch. Christine Kayser betonte, wie wichtig es ist, sich zu einem solidarischen Europa zu bekennen und für Offenheit und Menschenrechte einzutreten. Die SPD wird in den folgenden vier Jahren aus der Opposition heraus diese Themen setzen und als Oppositionsführerin zugleich verhindern, dass die AfD mit ihren Themen den politischen Diskurs bestimmt. Diese habe im Wahlkampf ohnehin schon zu viel Raum eingenommen.
Otto Heimbucher wünschte sich von der neuen Regierung die Durchsetzung eines europäischen Entwicklungsministers. Denn nur gemeinsam können die anstehenden Herausforderungen angegangen werden. Auch mehr Kohärenz von Entwicklungsministerium und Wirtschaft würde er befürworten. In genau diesem Punkt könnte jedoch eine Zusammenarbeit mit der FDP schwierig werden. Britta Walthelm betonte den Wunsch der Grünen, die Handelsverträge neu zu verhandeln. Eine grenzenlose Liberalisierung der Wirtschaft schade den afrikanischen Handelspartnern Deutschlands und nutze am Ende niemandem. Sie hoffe sehr, dass die FDP davon weg kommt, nur auf die Interessen der deutschen Wirtschaftskonzerne in Afrika zu schauen. Im Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen sieht Heimbucher auch kritisch, dass die FDP auf eine Lockerung der Rüstungsexporte drängen könnte. In jedem Fall werden die Gespräche schwierig werden. Für Britta Walthelm ist es zudem entscheidend, wie viel Klima- und Umweltschutz die Grünen bei Verhandlungen durchsetzen können. Der Kohleausstieg nehme dabei eine wichtige Rolle ein.
In einer letzten Runde wurden die PodienteilnehmerInnen nach ihren Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung Nürnbergs gefragt. Viel ist schon auf dem Weg, betonte Christine Kayser. Zu vielen Dingen gibt es bereits erarbeitete Papiere, doch es scheitere häufig an der Umsetzung. „Das ist oft ganz schön anstrengend – wenn dieser noch dieses und jener noch jenes abändern will.“ Bei dem Ausbau der Fahrradwege sei dies zum Beispiel der Fall. Für viele seiner Parteifreunde sei das Auto das Hauptverkehrsmittel, so Heimbucher. Und faktisch sei dies ja auch in Nürnberg so. Da ist es oft eine schwierige Diskussion, wenn für Radwege Parkplätze weichen müssen. Walthelm wünschte sich von ihren Stadtrats-KollegInnen, diese Punkte gemeinsam mit ihr weiter voranzutreiben. Auch ein wenig Druck von außen, also von Seiten der BürgerInnen, kann da nicht schaden, stimmten alle drei einmütig ein. Die Politik und auch sie selbst seien in ihrer Arbeit darauf angewiesen. Nur dadurch kann etwas schnell vorankommen. Gerade positive Beispiele aus anderen Städten oder Ländern, die an sie herangetragen werden, seien sehr hilfreich.
Neben den Fahrradwegen sind für Britta Walthelm auch der soziale Wohnungsbau und die Verhinderung der weiteren Flächenversiegelung wichtige Themen. Positiv führte Otto Heimbucher noch an, dass die nachhaltige Beschaffung im öffentlichen Sektor bereits ganz gut angelaufen sei – allerdings gebe es auch da noch sehr viel zu tun.
Einig war sich das Podium, dass auch in Punkto Städtepartnerschaft mehr im Hinblick auf Themen der nachhaltigen Entwicklung getan werden kann. „Die Bauern im Knoblauchsland können sicher bei Themen wie Tröpfchen-Bewässerung und Wassereinsparung noch einiges von unseren Partnern lernen“, so Britta Walthelm. Und auch sonst könne eine thematische Zusammenarbeit bei Themen wie zum Beispiel dem Klimawandel angestrebt werden. „Die Frage des Klimawandels können wir auch gut mit unserem nordamerikanischen Partner diskutieren“, so Otto Heimbucher. Ob bei diesen Themen neben den klassischen Städtepartnerschaften auch eine Zusammenarbeit mit den hier lebenden Gruppen von MigrantInnen möglich sein wird, wird sich zeigen. Da liege in Nürnberg jedenfalls ein großes Potenzial.