Zeit, zu handeln – PEM-Tagung zum Thema „Klimagerechtigkeit“
„Es ist an der Zeit, mit dem Reden aufzuhören und zu handeln“, brachte Jack Urame, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG), seine Ausführungen zum Thema „Klimagerechtigkeit“ auf den Punkt. Besonders in den Gesellschaften der Industrieländer des Globalen Nordens ist dieser Punkt ein wunder. Und für die bayerischen Dekanatsmissionsbeauftragten und -pfarrer*innen, die sich von 9. bis 12. November zu ihrer jährlichen Tagung bei Mission EineWelt versammelten, irgendetwas zwischen Bestätigung und Herausforderung.
In einfachen Worten zeigte Urame die Zusammenhänge auf, die dazu führen, dass „Klimagerechtigkeit“ das Mega-Thema dieser Tage ist und wohl, das ist zu befürchten, auf absehbare Zeit auch bleiben wird. „Globale Unternehmen beuten unsere Ressourcen aus, aber der Lebensstandard der Menschen in Papua-Neuguinea verbessert sich nicht“, kritisierte der Theologe und deklinierte die globale Nord-Süd-Schieflage am Beispiel seines Landes durch: Bergbau, Tiefseebergbau, die Verklappung der teils hochgiftigen Abfälle und die Folgen von Atomtests im Pazifikraum zerstören das Ökosystem und die Lebensgrundlage ebenso wie die Gesundheit vieler Menschen. Dazu kommt noch der Anstieg des Meeresspiegels durch den Klimawandel, der schon dazu geführt hat und noch dazu führen wird, dass bewohnte Inseln untergegangen sind beziehungsweise demnächst untergehen werden. Urame vergaß auch nicht zu erwähnen, dass nicht Papua-Neuguinea den Klimawandel verursacht, sondern hauptsächlich die reichen Industrieländer. Der Globale Süden leidet unter dem ökonomischen und ökologischen Raubbau des Globalen Nordens. Das Fazit des Bischofs war so glasklar wie einleuchtend: „Das ist nicht fair.“
Vorher hatte Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt, akribisch genau und mit Zahlen belegt, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten, sondern die Erderwärmung bestenfalls auf 1,5 bis 1,6 Grad begrenzt werden kann. Dafür, so der promovierte Agrarökonom, seien allerdings „sofortige und tiefgreifende Änderungen erforderlich“. Was bis jetzt passiert, reicht bei Weitem nicht: „Wenn die Staaten dieser Welt so weitermachen wie bisher, wird sich die zu erwartende Erderwärmung laut Weltklimarat bei plusminus 2,7 Grad bewegen. Wenn die Staaten ihre Klimaziele einhalten, wäre die Erderwärmung immer noch bei 2,4 Grad. Wenn alle Versprechungen eingehalten werden würden, wären rund 1,8 Grad möglich“, referierte Bergmann. Für das 1,5-Grad-Ziel müsste also noch einmal mehr getan werden.
Das alles ist nicht neu. Das machte auch Jürgen Bergmann deutlich: „Ich habe den mehr oder weniger gleichen Vortrag schon vor 10 Jahren gehalten. Schon damals waren die Fakten bekannt und das Bewusstsein vorhanden“, erklärte er. Über die Gründe, warum trotzdem so wenig gegen den Klimawandel getan wird, sagte Jack Urame: „Gottes Schöpfung wird immer mehr kommerzialisiert und mit Preisschildern versehen. Die Ausbeutung von Ressourcen für den Profit der Mächtigen ist ein ungerechtes Wirtschaftsmodell, das uns versklavt und nicht befreit. Wir als Kirchen kämpfen um Gerechtigkeit.“ Auch Jürgen Bergmann forderte ein grundlegendes Umsteuern weg von „expansiven Energieansprüchen“ hin zu einem grundsätzlichen Umdenken auch in Sachen Lebensstil.
Dafür setzen sich auch die Kirchenmusikerin Sonja Manderbach, die Biologin Maiken Winter und ihr Mann, der Theologe Karl Mehl, ein, die am 11. November mit den Teilnehmenden der Tagung diskutierten. Die drei Aktivist*innen sind jenseits der 40 und schon lange in Sachen Umwelt- und Klimaschutz aktiv. Und sie sind Mitglieder der Letzten Generation. Auf die Frage nach ihrer Motivation antwortete Manderbach mit einer Art Credo: „Es brennt, aber niemand löscht. Wir sind der Feueralarm. Wir stören da, wo Verdrängung passiert.“ Auch Maiken Winter zeigte sich sicher: „Das, was wir machen, reicht nicht aus. Wir sind leider an dem Punkt, wo diese radikalen Aktionen notwendig sind.“ Bei allem persönlichen Engagement sei es zudem wichtig, „die Big Points nicht zu vergessen“, appellierte Karl Mehl an die Zuhörer*innen, nicht nur ihren eigenen Lebensstil zu verändern, sondern sich auch für ein politisches Umsteuern zu engagieren. „Wir dürfen unser gutes Gewissen nicht in Demeter-Brühwürfeln ersäufen.“ Im Moment sehe „alles richtig scheiße aus“, so der Pfarrer weiter, aber man dürfe jetzt nicht „alles hinschmeißen“.
Unterm Strich bleibt die Hoffnung, dass Jürgen Bergmann seinen Vortrag in 10 Jahren nicht nochmal halten muss, weil die Zeit zum Handeln gegen den Klimawandel doch noch erfolgreich genutzt wurde.