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Corona in Papua-Neuguinea: Droht eine humanitäre Katastrophe? – Interview mit Thorsten Krafft

Social Distancing in einem Supermarkt in Lae

Social Distancing in einem Supermarkt in Lae

Wie ist die aktuelle Situation in Papua-Neuguinea bezüglich Corona? Wie viele dokumentierte Infektionen gibt es?

Es gibt bis heute, 31.März, eine dokumentierte Infektion mit dem Coronavirus. Ein australischer Angestellter einer Minengesellschaft hatte sich in Madrid infiziert und ist dann am 13. März von Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguinea, nach Lae geflogen. Aufgrund der Tatsache, dass er auf seinem Weg zum Einsatzort, einer Goldmine bei Bulolo, mit vielen Personen in Berührung kam, hat die Regierung von Papua-Neuguinea am 24. März den Notfall ausgerufen.

 

Gibt es schon Maßnahmen, die ergriffen werden?

Der gegenwärtige 14-tägige „Lockdown“ soll helfen, mögliche weitere Infizierte zu erfassen und zu isolieren. Reisen im Land sind nur mit Sondergenehmigung möglich und Inlandsflüge wurden eingestellt. Es ist zudem nicht mehr möglich, ins benachbarte Australien oder auch via Singapur zum Beispiel nach Deutschland zu fliegen. Nur der Güterverkehr auf der Straße ist mit Einschränkungen noch zugelassen.

Hier an meinem Einsatzort Lae, der zweitgrößten Stadt des Landes, sieht man noch nicht, dass die angeordneten Maßnahmen greifen. Die Busse fahren weiterhin – wenn auch mit weniger Passagieren – ganz im Gegensatz zur Hauptstadt, wo der Nahverkehr komplett zum Stillstand gekommen ist. Social-Distancing-Maßnahmen in größeren Supermärkten, die noch geöffnet haben, werden zur Kenntnis, aber nicht ernst genommen.

 

Wie bereitet sich das Gesundheitswesen vor?

Über das Hilfsprogramm „Australian Aid“ sollen in Port Moresby weitere 30 Intensiv-Pflegeplätze installiert werden. Im gesamten Land gibt es nur etwa 100 Intensiv-Betten und zwei Testlabore, die aber keinesfalls die von der WHO geforderte Testfrequenz erfüllen können. Außerdem sind dringend benötigte Testkits noch nicht einsatzfähig oder stecken noch in der Zollabfertigung.

Sollte sich das Virus in PNG mit seinen etwa 9 Millionen Einwohner/innen ausbreiten, käme dies einer humanitären Katastrophe gleich, auf die hier niemand vorbereitet ist.

 

Was geschieht zur Aufklärung der Bevölkerung?

Die Krankenhäuser der Lutherischen Kirche können im Augenblick nur Aufklärungsarbeit leisten. Mein Kollege Dr. Simon Ganal, der mit seiner Familie im abgelegenen kleinen Krankenhaus von Etep arbeitet, besucht zur Zeit die benachbarten Dörfer, um dort die Menschen über die Krankheit und Schutzmaßnahmen zu informieren.

Der staatliche Sender NBC informiert rund um die Uhr über die aktuelle Situation und kommuniziert ebenfalls die wichtigsten Hygiene- und Social-Distancing-Maßnahmen.

Leider sind viele Sendestationen zur Zeit nicht mehr einsatzfähig und die Kurzwellensender, die die Menschen in entlegenen Gegenden bisher noch erreichten, sind defekt.

 

Wie bereitest Du Dich vor? – Hat sich die Alltagssituation für Dich verändert und, wenn ja, wie?

Mit dem Beginn des „Lockdowns“ hat auch die Leitung der ELC-PNG (Evangelisch-Lutherische Kirche in Papua-Neuguinea) beschlossen, dass nur noch wenige Kolleg/innen, die für die tägliche Verwaltungsarbeit der Kirche unbedingt notwendig sind, noch zur Arbeit gehen müssen.

Das Kommunikationsbüro der ELC-PNG und der Radiosender „Kristen Redio“ in Lae kann zum Glück mit zwei Mitarbeitenden weiterhin „On Air“ bleiben. In einem kleinen Team versuchen wir seit letzter Woche, Regionen mit insgesamt etwa 60.000 Einwohner/innen mit Hilfe von weiteren 4 mobilen FM Radiostationen an das nationale Informationsnetzwerk anzuschließen.

Gestern wurden eine erste Sendestation und weitere Hilfsgüter per Helikopter nach Etep ausgeflogen. Wie vielen meiner Kolleg/innen wird mir erst allmählich klar, dass nach dieser Krise, auch wenn sie glimpflich ablaufen sollte, die Dinge nicht mehr so sein werden wie bisher. Die zuvor schon schlechteste wirtschaftliche Lage seit der Unabhängigkeit des Landes in 1975 wird sich weiter zuspitzen. Es wird befürchtet, dass die Regierung die Krise als Grund für weitere Einsparungen auf dem Gesundheits- und Bildungssektor benutzen wird.

 

Wie ist Deine Einschätzung der Lage? – Wird es in PNG gelingen, das Virus unter Kontrolle zu halten?

Die große Hoffnung ist, dass sich in tropischen Ländern und in ländlichen Gebieten das Virus offenbar nicht so schnell ausbreitet. Dies kann natürlich auf unzureichende Tests zurückzuführen sein. Beten und hoffen wir zusammen, dass Papua-Neuguinea und seinen Menschen Zeit bleibt, sich weiter auf das noch Unbegreifbare vorzubereiten.

 

Thorsten Krafft wurde von Mission EineWelt nach Papua-Neuguinea ausgesendet und arbeitet dort in Lae als Berater in der Medienarbeit der Evangelical Lutheran Church of Papua New Guinea

 

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