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Große Probleme, riesiges Potenzial – Thementag „50 Jahre Unabhängigkeit Papua-Neuguinea“ bei Mission EineWelt

Große Probleme, riesiges Potenzial – Thementag „50 Jahre Unabhängigkeit Papua-Neuguinea“ bei Mission EineWelt
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Plädierte für eine politisch und gesellschaftlich engagierte Kirche in PNG: Jack Urame, Bischof der ELC-PNG (Foto: Christina Engels-Müller)
Plädierte für eine politisch und gesellschaftlich engagierte Kirche in PNG: Jack Urame, Bischof der ELC-PNG (Foto: Christina Engels-Müller)

Am Anfang war durchaus Euphorie. Das sagen die Zeitzeug*innen Brita Kroner und Werner Strauss, die am 7 .Juni 2025 beim von Mission EineWelt veranstalteten Thementag zum 50-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit Papua-Neuguineas (PNG) ihre Eindrücke aus den frühen 1970er Jahren schilderten. In der Zeit rund um den 16. September 1975, als das Land im Pazifik die volle Souveränität erhielt, habe es eine „große Aufbruchsstimmung“ gegeben, berichtete Kroner, die damals als Lehrerin in PNG arbeitete, im voll besetzten Tagungsraum „Simbang“ des Zentrums für internationale kirchliche Partnerschaftsarbeit in Neuendettelsau. Auch der ehemalige Missionar Werner Strauss hat die Zeit rund um den Unabhängigkeitstag in guter Erinnerung: „Für meine Frau und mich war das die schönste Zeit in unserem ersten Term in PNG.“ Allerdings, differenzierte Strauss, habe es große Unterschiede zwischen den ländlichen Regionen und den großen Städten gegeben. Während in den Städten gefeiert wurde, seien die Menschen auf dem Land „innerlich nicht beteiligt“ gewesen. Unter anderem habe es in Tok Pisin, einer der wichtigsten Verkehrssprachen des Landes, damals kein Wort für Unabhängigkeit gegeben, erklärte der ehemalige Missionar. So konnten Menschen, die kein Englisch sprachen – und das waren damals in den ländlichen Regionen viele, erstmal wenig mit der propagierten „independence“ anfangen.

Noch mehr Wasser in den Wein goss Eckart Garbe. „50 Jahre Unabhängigkeit sind ein Grund, Papua-Neuguinea alles Gute zu wünschen“, leitete der Sozialwissenschaftler und PNG-Experte seinen Vortrag ein. Im Verlauf seiner Ausführungen wurde sukzessive deutlicher, dass sich hinter der floskelhaften Formulierung eine ernsthafte Dringlichkeit verbarg. Wie einige andere Länder im so genannten Globalen Süden prosperiert auch Papua-Neuguinea als Volkswirtschaft nicht, obwohl die Voraussetzungen angesichts üppiger Vegetation, fruchtbarer Böden und großer Rohstoffvorkommen auf dem Papier glänzend sind. Begünstigt wird die Stagnation wie auch anderswo durch postkoloniale wirtschaftliche Strukturen, innerhalb derer sich ausländische Konzerne den Zugang zu Rohstoffvorkommen erkaufen und damit einhergehend Korruption und Vetternwirtschaft fördern und zementieren.

50 Jahre Unabhängikeit Papua-Neuguinea: Der Thementag im Saal "Simbang" stieß auf großes Interesse (Foto: Hans-Joachim Wild)
50 Jahre Unabhängikeit Papua-Neuguinea: Der Thementag im Saal „Simbang“ stieß auf großes Interesse (Foto: Hans-Joachim Wild)

Die Unabhängigkeit sei „sehr überstürzt“ gekommen und nicht von der Mehrheit der Bevölkerung in PNG aktiv erkämpft worden, sondern ein Geschenk Australiens gewesen, bilanzierte Garbe. Die Kolonialmacht hätte, auch unter dem Eindruck des Desasters der USA und ihrer Verbündeten in Vietnam, einen unabhängigen Pufferstaat zwischen sich und Indonesien, das bis heute das unmittelbar an PNG angrenzende West-Papua kontrolliert, schieben wollen. So etwas wie „Nation Building“ sei aber schwierig in PNG, „denn es gibt 840 unterschiedliche Ethnien, Sprachen und Kulturen“. Dennoch, bestätigte der Sozialwissenschaftler, sei am Anfang die „Stimmung euphorisch“ gewesen: „Es gab die Hoffnung, dass sich die Lebensumstände rasch zum Guten entwickeln würden.“ Sie verflüchtigte sich schnell. Seither steckt PNG in einem Strudel aus Korruption, Misswirtschaft und Willkür. „Früchte der Unabhängigkeit“ gebe es allenfalls in den Städten, bestätigte Garbe die Fortsetzung der Entwicklung, die Werner Strauss Anfang der 1970er bemerkt hatte. Aber auch dort sind nach Auffassung des Experten eklatante Unterschiede zwischen Arm und Reich zu beobachten, verstärkt durch eine Landflucht in die Metropolen auf der Suche nach bezahlter Arbeit. Auch verschiedene Reformversuche haben aus seiner Sicht ihr Ziel verfehlt und die Situation „verschlimmbessert“. Dennoch sieht Garbe das Land ausdrücklich nicht als „Failed State“, sondern noch immer als „Staat im Werden“ oder „etwas, das sich noch hinrütteln muss“. Hoffnung, dass das „riesige Potenzial“ des Landes sowohl auf dem Agrarsektor als auch hinsichtlich der reichlich vorhandenen Rohstoffvorkommen volkswirtschaftlich und ökologisch nachhaltig genutzt und das politische System reformiert wird, macht Garbe vor allem die junge Generation. In dieser gebe es „kluge Köpfe“, denen es zuzutrauen sei, diese Wende zu schaffen. „Wenn das klappt, sollte es bald anders aussehen“, fasste der Sozialwissenschaftler sein Momentum der Hoffnung zusammen.

Hoffnung hat auch Jack Urame. Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea (Evangelical Lutheran Church of Papua New Guinea/ELC-PNG) setzt dabei auch auf die Kraft und den Einfluss seiner Kirche. „Die Kirche baut Schulen, Krankenhäuser und Gesundheitszentren“, sie stärke die landwirtschaftliche Entwicklung und biete, unter anderem über den christlichen Flugdienst MAF (Mission Aviation Fellowship), Transportdienstleistungen an. „Ohne den Beitrag der Kirche wären wir als Gesellschaft nicht so weit gekommen“, sagte Urame in Neuendettelsau. Einmal mehr plädierte er auch vor den Zuhörer*innen aus der bayerischen Partnerkirche der ELC-PNG für eine Kirche, die „ihre prophetische Rolle“ wahrnimmt, und sich zu ethischen und politischen Fragen äußert und Stellung bezieht. Seine Begründung: „Wenn die Kirche zu ethischen Fragen, mit denen die Welt konfrontiert ist, schweigt, wird sie irrelevant.“ Jesus war aus seiner Sicht ein „radikaler Reformer“, der die „Übel seiner Gesellschaft“ angegangen habe. „Jesus bot eine andere Lebensphilosophie an, die auf menschlichen Beziehungen, Gerechtigkeit und Freiheit gründete. Wenn die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme der Gesellschaften von dieser Beziehungsphilosophie geprägt wären, wäre die Welt ein viel besserer Ort zum Leben“, zeigte sich Urame überzeugt.

Angesichts von gesellschaftlichen Realitäten, die von Profitgier bestimmt werden, sei es Aufgabe der Kirche in PNG, „ein Gleichgewicht in der Gesellschaft zu schaffen und relevante Theologien zu artikulieren, um die zerbrochene Welt neu zu gestalten“. In dieser „zerbrochenen Welt“ müsse die Kirche „ein moralisches Bewusstsein der Gesellschaft und ein moralischer Kompass für die Menschheit“ sein, forderte der Bischof der ELC-PNG.

Die Herausforderungen, auch für die Kirche, sind groß – in Papua-Neuguinea und im Rest dieser Welt.

8. Juni 2025
von Thomas Nagel