Menschenrechte: Wie ernst nimmt die EU ihre Werte? – Neue Verhandlungsrunde zum EU-Lieferkettengesetz
Voraussichtlich am 13. Dezember verhandeln die gesetzgebenden Organe der EU, Kommission, Rat und Parlament, zum mittlerweile fünften Mal über den finalen Gesetzestext zum EU-Lieferkettengesetz. Gibt es in diesem sogenannten Trilog eine Einigung, geht der Gesetzesentwurf zur Abstimmung ins EU-Parlament. Es könnte also sein, dass das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode zustande kommt. Viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen, hoffen, dass dieser Fall eintritt.
Auch Mission EineWelt setzt sich unter anderem als Mitglied der Initiative Lieferkettengesetz (lieferkettengesetz.de) für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein. „Es wäre jetzt extrem wichtig, dass Europa die Belange der Menschen in den Ländern des Globalen Südens endlich nachvollziehbar ernstnimmt“, fordert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt. Es geht um die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten und es geht um Umwelt- und Klimaschutz. Für Menschen in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern ist ein Job bei Unternehmen aus den Industrieländern oder deren Zulieferbetrieben nicht gleichbedeutend mit sozialem Aufstieg. Ob es um die Produktion von Kleidung, die Förderung von Rohstoffen oder den Anbau von Nahrungsmitteln geht: Die Arbeitsbedingungen sind vielerorts unsäglich. „Das Spektrum reicht von gesundheitsschädlich bis hin zu akut lebensgefährlich“, erklärt Bergmann. „Dazu reicht der Lohn oft noch nicht einmal für die Existenzsicherung und die Menschen müssen auch noch zusehen, wie ihre Lebenswelt rücksichtslos zerstört wird.“ Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder werde dadurch mehr behindert als gefördert. So weiterzumachen sei, resümiert Bergmann, „wenn schon nicht aus Idealismus und Menschenliebe“ angesichts diverser Krisen, die auch aus dieser ausbeuterischen Form des Wirtschaftens entstanden seien, auch unter pragmatischen Gesichtspunkten „keine gute Idee“.
Ein möglichst starkes, wirksames Lieferkettengesetz auf EU-Ebene könnte die Situation erheblich verbessern. Es würde einerseits europäische Unternehmen dazu verpflichten, für die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie von Umweltschutzmaßnahmen entlang ihrer Lieferketten zu sorgen. Andererseits bekämen Leidtragende von Verstößen gegen diese Rechte die Möglichkeit, die Verursacher vor Gericht haftbar zu machen.
Aber ob das Gesetz in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments zustande kommt, ist ungewiss. Selbst bei einer Einigung im Trilog ist die Verabschiedung durch das Parlament nicht garantiert. Auch die deutsche Bundesregierung verhält sich zögerlich und kann sich bis dato nicht durchringen, die Unternehmen konkret in die Pflicht zu nehmen. „Das ist unter rationalen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar“, wundert sich Jürgen Bergmann. „Je weiter der Geltungsbereich eines Lieferkettengesetzes weltweit reicht, desto mehr Unternehmen müssen sich an diese Regeln halten. Weltweite Regeln würden also für fairen Wettbewerb sorgen und auch die vom deutschen Lieferkettengesetz erwarteten Nachteile für hiesige Unternehmen beseitigen.“ An letztere glaubt der Agrar-Ökonom ohnehin nicht: „Unter anderem in der Spielzeugindustrie sehen wir schon jetzt, wie die Einhaltung menschen- und umweltrechtlicher Standards zum Wettbewerbsvorteil wird. Die Verbraucher*innen wollen Produkte, für deren Erwerb sie sich nicht schämen müssen.“
Zusammen mit der Initiative Lieferkettengesetz bittet Mission EineWelt die Menschen in Deutschland darum, sich an einem Mailing zu beteiligen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auffordert, sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Der Link zum Mailing: https://lieferkettengesetz.de/