Neuendettelsau darf sich auch die nächsten zwei Jahre „Fairtrade Town“ nennen. Seit 2019 hat die Gemeinde diesen Titel und setzt sich mit Hilfe der Steuerungsgruppe für den Fairen Handel vor Ort ein.
Anlässlich der Titelerneuerung hatte die Gemeinde in Kooperation mit der Fairtrade University Augustana und Mission EineWelt am 10. Oktober zum Vortrag „Fairer Handel aus Sicht eines Kakaoproduzenten“ eingeladen. Der Agrarökonom Aldo Chipana übergab im Namen von Fairtrade Deutschland die Urkunde an Bürgermeister Christoph Schmoll. Sie sei eine Anerkennung für die geleistete Arbeit. Der Einsatz für den Fairen Handel sei insbesondere wichtig in einer Zeit vieler Probleme wie Klimawandel und Kinderarbeit. „Ihr Engagement wirkt“, betonte Chipana.
Bürgermeister Schmoll betonte, der Faire Handel könne dazu beitragen, Ungleichheit zu verringern, und somit auch einen Beitrag zur Friedenssicherung leisten.
Bevor er in Deutschland Agrarökonomie studiert hat, ist Aldo Chipana auf einer bolivianischen Kakaofarm aufgewachsen, Entsprechend anschaulich und praxisnah schilderte er in seinem Vortrag, wie positiv der Faire Handel sich auf die Situation der Kleinbauern und die Bewahrung der Umwelt auswirkt.
Es dauert vier bis sechs Jahre, bis ein Kakaobaum genügend Früchte trägt. Nach der Ernte werden die schweren Kakaofrüchte zu einem Sammelplatz transportiert. Dort werden sie von Hand mit einer Machete geöffnet. Das weiße Fruchtfleisch, in dem die Kakaobohnen liegen, braucht zur Fermentierung Trockenheit und Wärme. Anschließend müssen die Bohnen sortiert werden. Der Produktionsprozess von der handgeernteten Frucht bis zur verkaufsreifen Kakaobohne bedeute viel Handarbeit, da die Frucht sehr empfindlich sei, betonte Chipana. Die Fermentierung und Trocknung erfolgt umweltschonend an der Luft und Sonne und ist somit stark Wetter abhängig. Der Produktionsprozess vom Ernten bis zum Verkauf dauert 25 Tage.
Die Farm der Eltern von Aldo Chipana ist Teil einer Kooperative des Fairen Handels. Somit profitieren sie direkt von den höheren, garantierten Erlösen. Über die Verwendung einer zusätzlich gezahlten Fairtrade Prämie entscheiden die Mitglieder der Kooperative gemeinsam. Die Prämie wird zum Beispiel eingesetzt für Weiterbildungsmaßnahmen oder für den Kauf von Maschinen. Aldo Chipana erläuterte, dass einem Mitglied der Kooperative ein Studium ermöglicht wurde und eine Maschine zur Sortierung der Kakaobohnen angeschafft werden konnte.
Zunehmend leidet der Anbau von Kakao an den Folgen des menschengemachten Klimawandels. Auch deshalb sind die Preise für Kakao stark gestiegen. Im letzten Jahr hätten große Waldbrände nicht nur Plantagen vernichtet, berichtete Chipana. Zudem habe durch den lang anhaltenden Smog infolge der Brände auch die Sonne gefehlt. „Diese,“ so Chipana, „ist aber notwendig für die Fermentierung und Trocknung der Kakaobohnen.“ Hohe Ertragseinbrüche waren die Folge.
Um die Folgen des Klimawandels abzumildern, haben einige Mitglieder der Kooperative auf Agroforstwirtschaft umgestellt. Die größeren Bäume beschatten hierbei die empfindlicheren kleineren Kakaobäume. Das ist nachhaltig, bedeutet aber mehr Arbeit, die bezahlt werden muss. Im Gegensatz zu herkömmlichen Abnehmern berücksichtigt der Faire Handel solche Maßnahmen finanziell. Chipana betont: „Gewinne sind notwendig, aber der Profit darf nicht auf Kosten der Menschen und Umwelt gehen.“
Im Anschluss an den Vortrag kosteten die Besucher*innen verschiedene faire Schokoladen aus dem Weltladen und diskutierten angeregt weiter über Fairen Handel.
Fairtrade Town Nürnberg
Auch die Stadt Nürnberg hatte im Oktober allen Grund zu feiern: Seit 15 Jahren darf sie sich Fairtrade Town nennen. Oberbürgermeister Marcus König gratulierte herzlich und lobte das Engagement der Steuerungsgruppe. Ehrengast bei der Urkundenübergabe war der Journalist und Autor Frank Herrmann, der auf seiner jährlichen „Fairen Biketour“ Station in Nürnberg machte. Im Interview mit Britta Walthelm, Umwelt- und Gesundheitsreferentin der Stadt Nürnberg, betonte er: „Jede und jeder kann etwas zu mehr Fairness und Gerechtigkeit beitragen.“
Jürgen Frercks/Jürgen Bergmann/tn/nr