Noch nicht alle verschütteten Dörfer erreicht – Die Lage nach dem Erdbeben in Papua-Neuguinea
Am 26. Februar erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,5 auf der nach oben offenen Richter-Skala die Region um Mendi im südlichen Hochland. Das Epizentrum des Bebens lag 100 Kilometer von Mendi entfernt im Distrikt Nipa-Kutubu in der Provinz Southern Highlands in ungefähr 3, 5 Kilometern Tiefe. Das Beben hatte Auswirkungen auf die Provinzen Southern Highlands, Hela, Enga und die Western Province.
Durch das Beben und mehrere Nachbeben (bis zu 6,6 auf der Richter-Skala) in den Tagen nach dem starken Beben kam es zu zahlreichen Erdrutschen. In Gebirgstälern wurden ganze Dörfer von herabstürzenden Berghängen verschüttet. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde aus der Luft ersichtlich. Piloten der christlichen Fluggesellschaft Mission Aviation Fellowship (MAF), die medizinische Evakuierungsflüge durchführen und Hilfsgüter wie Trinkwasser, Reis, Konserven und mobile Wasseraufebreitungssysteme transportieren, sprachen von zerstörten Gärten und verschütteten Häusern, über die Ufer getretenen Flüssen und einer allgemeinen Unübersichtlichkeit in den betroffenen Gebieten: „Food gardens especially on ridges were reported destroyed. This was confirmed from the air. Rivers and creeks turned muddy and were blocked with fallen trees and rocks causing water to build up upstream then burst open and send a flood of fast travelling debris downstream wiping away food gardens”, schildert der MAF-Mitarbeiter Nawi Mabo die Lage.
Die MAF hat die technische Assistentin von MAF-PNG, Sharlene Coker, als Koordinatorin der Katastrophenhilfe berufen. Coker hatte bereits 2015 nach dem Erdbeben von Nepal die Katastrophenhilfe durch die MAF vor Ort in Nepal koordiniert und gilt als Expertin auf dem Gebiet der Erstversorgung nach Naturkatastrophen.
Bisher wurden rund 100 Opfer gemeldet, doch noch konnten die Rettungskräfte nicht alle verschütteten Dörfer erreichen. Mindestens 17.000 Menschen mussten in Notunterkünfte gebracht werden. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind 150.000 Menschen unmittelbar von den Auswirkungen des Bebens betroffen. Über 500 Menschen wurden verletzt, warten aber zum Teil noch auf Hilfe, weil es keine Krankenstationen gibt und die Menschen nicht in Krankenhäuser im Umland ausgeflogen werden können. Das regionale Krankenhaus in Mendi hat weder Strom noch Wasser, auch sind dort keine Medikamente mehr vorhanden.
Besonders betroffen ist nach Angaben des Hilfswerks der Vereinten Nationen (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) die Hauptstadt der Provinz Hela, Tari. Der regionale Flughafen von Tari ist noch immer geschlossen. Angeflogen werden können derzeit nur die kleinen regionalen Flughäfen in Moro und Mendi.
Das neuguineische Rote Kreuz wird bei der Katastrophenhilfe von Teams aus Neuseeland und Australien unterstützt. Auch Mitarbeitende des Roten Halbmonds sind im Einsatz. Die Hilfsorganisationen stellten 212.000 US-Dollar Soforthilfe zur Verfügung. Es wurden Luftbrücken eingerichtet, denn die Straßen sind derzeit unpassierbar und viele Täler können nur aus der Luft erreicht werden. Neben der MAF sind auch staatliche Helikopter sowie private Flugzeuge von Bergbaufirmen bei der Versorgung der Bevölkerung mit „Care-Paketen“ im Einsatz. Strom- und Telefonleitungen waren auch noch Tage nach dem Beben betroffen, Handys funktionierten nur eingeschränkt auf höheren Bergen.
Die Betriebe in den beiden Minen Ok Tedi und Porgera und auf den Gasfeldern des LNG-Projektes (Liquefied Natural Gas) der Firma Exxon wurden eingestellt. Eine Pipeline, die toxische Abräume aus der Gold- und Kupfermine Ok Tedi abtransportiert, wurde zerstört, so dass sich giftige Sedimente in die Umgebung ergossen. UmweltschützerInnen fürchten jetzt die Verseuchung des Bodens durch den quecksilberhaltigen Abraum.
Premierminister Peter O’Neill rief für die betroffenen Provinzen den Notstand aus und erklärte, umgerechnet 114 Millionen Euro (450 Mio. Kina) staatliche Gelder für die Nothilfe in der Erdbebenregion bereitstellen zu wollen.
Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG) hat in ihrer Zentrale in Ampo eine Sammelstelle für Hilfsgüter eingerichtet. Der Generalsekretär der ELC-PNG, Bernard Kaisom, nahm an einem Koordinierungstreffen aller Hilfsorganisationen unter Leitung des PNG Council of Churches teil. Dort beschloss man unter anderem, einen Evaluierungstrupp ins Hochland zu schicken, um vor Ort zu schauen, was am dringendsten benötigt wird. Die ELC-PNG hat außerdem bekannt gegeben, in den nächsten Wochen Trauma-Berater und Seelsorger in die entsprechenden Provinzen zu entsenden. Durch inzwischen über 130 kleinere Nachbeben und das große Ausmaß der Zerstörungen vor allem in den Tälern seien viele Menschen stark traumatisiert und benötigten moralische Unterstützung, wie es aus der Kirchenzentrale in Ampo hieß.
Aus dem Vatikan erreichte die Katholische Bischofskonferenz in Papua-Neuguinea ein Solidaritäts-Schreiben von Papst Franziskus. Er kondolierte den Familien der Opfer und erklärte, er würde für Papua-Neuguinea beten.
Julia Ratzmann