Religion und Globalisierung
Internationales Blockseminar mit Teilnehmern aus Hongkong, Tansania, Ruanda, USA und Deutschland bei Mission EineWelt
„Globalisierung heißt für mich, dass wir einander näherkommen, uns begegnen können wie in diesem Seminar und uns über gemeinsame Fragen austauschen.“ „Globalisierung ist wie ein Topf Curry: In die Curry-Mischung gehen verschiedene Gewürze ein. Es entsteht ein neues Aroma.“
So und ähnlich lauten die Voten der 24 Teilnehmenden des diesjährigen Internationalen Blockseminars für Theologiestudierende. Vom 23.2. bis 6.3.2015 diskutieren Studierende und Dozierende aus Hongkong, Tansania, Ruanda, USA und Deutschland in Neuendettelsau über das Thema „Religion und Globalisierung“. Es ist bereits das 5. internationale akademische Blockseminar, das in Kooperation mit dem Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, dem Referat Mission Interkulturell bei Mission EineWelt, dem Makumira University College in Tansania und – erstmalig auch – dem Lutherischen Theologischen Seminar in Hongkong stattfindet. In den zwei Wochen findet nicht nur Lernen über andere Kulturen, sondern interkulturelles theologisches Lernen miteinander statt.
Das Thema „Religion und Globalisierung“ ist in allen Kontexten, aus denen Studierende wie Dozierende kommen, höchst relevant. Der aktuell viel besungene Globalisierungsprozess trägt dazu bei, dass Religionen heute längst nicht mehr auf nationale oder kulturelle Einheiten beschränkt sind. Darüber hinaus leisten Religionen selbst einen erheblichen Beitrag zur Globalisierung. Das wird schon an der Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts deutlich. Das Christentum wurde in sämtliche Regionen der Welt gebracht, und in diesem Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen entstand meist etwas Neues. Neue, vermischte religiöse Identitäten sind genauso zu beobachten wie fundamentalistische Gegenbewegungen, die ihre Religion auf ihre „Anfänge“ und „Ursprünge“ zurückzuführen versuchen und so „authentische Identitäten“ erfinden. Aber schon der Begriff Religion weist eine Globalisierungsgeschichte auf, wurde er von westlichen Forschern doch dafür geschaffen, um verschiedene Phänomene in unterschiedlichen Kontexten in Beziehung miteinander setzen zu können. Dabei fielen – globalisierend vereinheitlichend – Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten unter den Tisch.
Verantwortlich für die aktuellen Globalisierungsprozesse von Religionen sind nicht nur die neueren technischen Möglichkeiten von Internet und anderen Medien. Auch die aktuellen Migrationsbewegungen tragen zur Globalisierung von Religion bei. So gründen z. B. viele Pfingstkirchen überall auf der Welt Tochterkirchen; sie bilden Netzwerke und kommunizieren leicht über Raum- und Zeitgrenzen hinweg. Sie stellen für die traditionellen Kirchen weltweit eine Herausforderung dar.
Lokale Ausformungen von Religionen werden im Prozess der Globalisierung von Religionen verändert. Dies geschieht in den letzten Jahrzehnten beispielsweise in Indonesien, wo der ursprünglich stark von lokaler Religiosität und mystisch geprägte Islam zunehmend von islamisch-universalisierenden Strömungen geprägt wird.
Zur Globalisierung von und durch Religionen gehört auch, dass Religionen – wieder – öffentlich werden. Das Ende der Säkularisierungsthese ist allenthalben augenfällig. In Myanmar (ehemals Burma) werden Mönche und Nonnen zu einer politischen Kraft. In Hongkong unterstützen liberale Christinnen und Christen die Regenschirm-Demonstrationen im Jahr 2014. In Tansania, wo Islam und Christentum jahrhundertelang friedlich zusammen lebten, entsteht durch religiöse Einflüsse von außen eine angespannte politische Situation.
Und welche Rolle spielen Theologie und Kirche in dieser Situation? Sie können dazu beitragen, religiös-globalisierende Phänomene kritisch zu reflektieren und theologisch zu befragen. Sie können daran mitwirken, dass Religionen miteinander in Dialog bleiben oder dass sie nicht für politische und nationalistische Zwecke missbraucht werden. Der Curry-Topf globalisierender religiöser Hybridisierungsprozesse ist eine Herausforderung, die die Einbeziehung verschiedener Disziplinen und Akteure der Zivilgesellschaft notwendig macht.