Sexualisierte Kriegsgewalt im Kongo – und kein Frieden in Sicht?
Julienne Lusenge, Gründerin der Frauenrechtsorganisation SOFEPADI im Kongo berichtet: „In den Konfliktregionen im Osten der Demokratischen Republik Kongo wird Vergewaltigung als Kriegswaffe gegen die Bevölkerung eingesetzt, mitunter vor den Augen der eigenen Familie. Doch die Täter kommen wegen des schwachen Justizapparats und eigenmächtiger Richter oftmals nahezu straflos davon.“ Aber wie können die Justiz im Kongo gestärkt und der Rohstoffsektor für mehr Sicherheit und Stabilität im Land und ein Ende sexualisierter Kriegsgewalt in die Pflicht genommen werden? Diese Fragen diskutierten Vertreter*innen der kongolesischen und der deutschen Zivilgesellschaft mit der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung und Bundestagsabgeordneten Dr. Bärbel Kofler. Eine Überwachung der gesamten Rohstofflieferkette und eine Einhaltungspflicht menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten waren nur zwei der genannten Forderungen. Im Vorfeld des Welttags gegen sexualisierte Konfliktgewalt hatten Brot für die Welt, das Deutsche Institut für Ärztliche Mission e.V. (Difäm) und die Kongo-Kampagne zur Diskussion eingeladen.
Sexualisierte Gewalt im Kongo, Straflosigkeit und Rohstoffe
Ein erster Schritt und Hoffnungsschimmer für die Betroffenen sexualisierter Gewalt im Kongo seien laut Lusenge sogenannte Wandergerichte. Hier fänden die Strafverfahren am Ort der Kriegsverbrechen statt. Im Beisein von juristisch aufgeklärten Betroffenen müssen die Richter ihre Urteile vertreten. Viele internationale Berichte, Resolutionen und Vorhaben blieben dagegen aus der Sicht von Lusenge folgenlos.
„Der Kampf gegen Straflosigkeit und sexualisierte Gewalt ist eine der Säulen unserer Arbeit im Auswärtigen Amt. Es ist ganz klar, dass diese im Kongo deutlich verstärkt werden muss“, sagte Bärbel Kofler. „Menschenrechtsfragen und die Frage der Straflosigkeit sind zentrale Fragen der laufenden Regierungsgespräche mit dem Kongo.“ Die Gespräche wurden Ende 2020 nach vierjähriger Pause wiederaufgenommen und sind entscheidend für die Bereitstellung von Entwicklungsgeldern. Dabei sei es auch wichtig, die Anliegen der kongolesischen Zivilgesellschaft partizipativ zu berücksichtigen.
Dr. Nene Morisho, Forscher für Konfliktökonomie, Handel und Frieden am Pole-Institut in Goma im Kongo, erklärte: “Vor allem wirtschaftliche Interessen an den Bodenschätzen treiben die anhaltenden Konflikte im Land voran und befördern damit sexualisierte Gewalt und weitere Verletzungen von Frauenrechten und Kinderrechten.“ Daher plädierte er für eine Überwachung der gesamten Rohstofflieferketten, um Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen, und sprach sich gegen einen Boykott kongolesischer Rohstoffe zulasten der Bevölkerung aus. Eine neue Plattform seines Instituts für Schürfer*innen, um Verstöße im Bergbau zu melden, trug beispielsweise schon zu ersten Verbesserungen bei. „Es ist wichtig, dass deutsche Unternehmen, die mit Unternehmen oder Menschen im Kongo Handel treiben, sich an Standards halten. Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten zu beachten, muss direkt in der Geschäftsführung verankert sein“, pflichtete Kofler bei.
Alle Teilnehmenden begrüßten zwar das neue Lieferkettengesetz und die EU-Konfliktmineralienreform. Dennoch seien sie nur erste Schritte zu einer menschenrechtlichen Verantwortung, besonders im Handel mit Rohstoffen aus dem Kongo.
Difäm-Direktorin Dr. Gisela Schneider schloss mit einem Appell der Solidarität an künftige Bundestagskandidat*innen ab: „Menschenrechte dürfen keine parteipolitische Frage sein. Es muss unser aller Anliegen sein, uns für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen.“
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung findet sich unter: www.die-kongo-kampagne.de/de/
news/pressemitteilung-welttag-gegen-sexualisierte-konfliktgewalt
Susan Pusunc-Meier