Wer das Saatgut patentiert, beherrscht weltweit die Ernährung
Demonstration vor dem Europäischen Patentamt in München
„Keine Patente auf Saatgut!“ Am 27. Oktober fand vor der Großen Beschwerdekammer am Europäischen Patentamt in München eine öffentliche Anhörung zu Patenten statt. Dort wurden als Präzedenzfälle zwei Patente auf konventionell gezüchtete Tomaten und Brokkoli beantragt. Eine solche Patentierung nicht gentechnisch veränderten Saatguts steht im Widerspruch zum Europäischen Patentübereinkommen. Die Anhörung zog am vergangenen Montag über 100 Demonstranten an, die dem gemeinsamen Aufruf von Mission EineWelt, Bund Naturschutz, Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft und vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Verbänden gefolgt waren.
Ein Patent auf Züchtungen dieser Art darf eigentlich grundsätzlich nicht erteilt werden. Solche Patente dienen nicht dem Schutz einer Erfindung – denn Züchtungen sind keine Erfindungen. Sie nutzen allein großen Agrarkonzernen wie Monsanto, Syngenta oder Dupont, die allein über die Hälfte des weltweiten Saatguts kontrollieren. Wird die Patentierung konventionell gezüchteter Pflanzen als rechtsgültig erklärt, werden Produkte zum „geistigen Eigentum“ großer Konzerne.
„Die Industrie und das Patentamt haben das Patentsystem zu einem Werkzeug der systematischen Aneignung unserer Lebensgrundlagen gemacht, sie verhökern die Zukunft unserer Ernährung“, so Christoph Then, Gentechnik-Experte von Test Biotech. Patente auf Pflanzen und Tiere behinderten den Wettbewerb, garantierten ungerechtfertigte Monopole und Innovation in der Züchtung. Der Zugang zu genetisch wichtigen Ressourcen wird blockiert und schränkt so Landwirte in ihrer eigenen Züchtungsarbeit ein.
Das hat nichts mehr mit der ursprünglichen Idee des Patentrechts zu tun, das eigentlich einen Anreiz für Innovationen und Erfindungen schaffen soll. Saatgutmonopole bedeuten deshalb nicht nur die Kontrolle über unsere tägliche Lebensgrundlage, sondern sind auch ein Risiko für die Zukunft unseres Ökosystems, globale Ernährungssicherheit und regionale Ernährungssouveränität.
„Seit Jahrhunderten züchten Bäuerinnen und Bauern verschiedene Pflanzensorten. Diese genetische Vielfalt wird auch in Zukunft benötigt, um weiter züchten zu können“, so Angela Müller, Welternährungsreferentin von Mission Eine Welt. „Stattdessen versuchen die Saatgutkonzerne nun mit Hilfe der Industriestaaten, die Gesetzgebung in Afrika so zu verändern, dass kein lokales Saatgut, sondern nur noch das von Konzernen gehandelt werden darf.“ Dies sei eine immense Bedrohung für die Ernährungssouveränität.
Zur Demonstration mitgebracht hatten die Patentgegner eine aufblasbare Riesentomate und den größten Brokkoli der Welt. Das Ergebnis der Anhörung und die darauffolgende Entscheidung des Patentamts stehen noch aus. Die Organisatoren der Demonstration rechnen aber mit einem enttäuschenden Ergebnis. Sie vermuten, dass Agrarkonzerne auch weiterhin ganz normal gezüchtet Pflanzen als ihre „Erfindung“ schützen lassen können und so die Zukunft unserer Ernährung beherrschen.
Annika Dittmann