„Wer fromm ist, muss auch politisch sein“
Auftaktveranstaltung zum Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ fand in Nürnberg statt
Mit einem Gottesdienst und einem zweitägigen Symposium hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern das Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ eingeläutet. Die ökumenisch und international besetze Auftaktveranstaltung, die am vergangenen Freitag und Samstag in Nürnberg stattfand, stand unter dem Thema „Glaube, der die Welt verwandelt“. Gerechtigkeit, Freiheit, die Einheit der Kirchen und die Globalisierung waren zentrale Themen der zweitägigen Veranstaltung, die unter anderem von Mission EineWelt und der Reformationsdekade/Luther 2017 der Landeskirche vorbereitet worden war.
Der Auftrag der Kirchen bestehe darin, eine gerechte, friedliche und menschenwürdige Welt zu schaffen, betonte Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg) am ersten Tag während einer Podiumsdiskussion im Nürnberger Heilig-Geist-Saal. „ Wir brauchen Reformation, immer wieder“, so der katholische Kirchenvertreter. Gegen die Verengung, die er derzeit bei Pegida oder der Partei AfD beobachte, brauche es eine Reformation der Weitung. Für die Verkündigung des Reiches Gottes sei die Ökumene wichtig. „Dass wir getrennt sind, behindert unseren Auftrag.“ Schick hielt fest, dass es den Kirchen und ihrem Auftrag schade, wenn sie nicht versuchen, eine gerechtere Welt aufzubauen.
Der Migrations- und Integrationsbeauftragte der SPD-Landtagsfraktion, Arif Tasdelen, forderte die Kirchen auf, sich deutlicher zu Wort zu melden und sich stärker in das politische Geschehen einzuschalten. „Wir müssen begreifen, dass die Welt eins ist.“ Was am anderen Ende der Welt passiere, beeinflusse auch uns und unser Leben. Tasdelen sprach sich für eine Politik aus, die Rücksicht nehme auf die Belange aller Menschen.
Lutherische Kirche sei längst eine weltumspannende Bewegung geworden, hob Hanns Hoerschelmann, Direktor von Mission EineWelt, in der Podiumsdiskussion hervor. Weltweit hätten 400 Millionen Menschen „ihre geistige Heimat in einer der Kirchen der Reformation gefunden“. Die Bewegung habe sich aber längst in den Süden der Welt verschoben. Deshalb sei es wichtig, so der Direktor der größten Einrichtung der evangelischen Landeskirche, dass wir uns von unserer Selbstbezogenheit verabschieden und uns die Idee der Reformation anschauen, wie sie aus den Partnerkirchen zu uns zurückkomme.
Dem ersten Themenabend war ein Gottesdienst in der Sebalduskirche vorangegangen. Die kenianische Theologin Dr. Margaret Obaga und Pfarrer Michael Bammessel, Präsident des Diakonischen Werkes in Bayern, hatten dialogisch über das Bibelwort „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ gepredigt. Echte christliche Freiheit sei immer mit Verantwortung verbunden. Kulturelle Unterschiede zeigten sich auch darin, wie der Begriff Freiheit verstanden werde. Der westliche Mensch, so der Diakoniepräsident, sei in der Gefahr, „einen Imperialismus der Freizügigkeit zu verbreiten“. Besonders folgenreich sei die Ideologie des freien Handels, „der häufig auf Kosten der Schwächeren“ gehe. Die Freiheit eines Christenmenschen“, so die promovierte Theologin aus Kenia, „beinhalte die Freiheit, die Wahrheit zu sagen“. In dieser Freiheit könnten Christen ihre Meinung mutig und offen in die Welt tragen.
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm nahm am zweiten Tag die Globalisierung und ihre Folgen kritisch unter die Lupe. Die Kirchen müssten die Perspektive der Menschen in den armen Ländern einnehmen, wenn sie von Globalisierung sprechen, so der EKD-Ratsvorsitzende bei einem Vortrag zum Thema „Reformatorische Theologie angesichts der Herausforderungen der Globalisierung“. Es gelte auch die Menschlichkeit zu globalisieren. In klaren Worten setzte er sich dafür ein, alles Handeln immer auch daraufhin zu überprüfen, welche Folgen es für die Schwächsten auf diesem Globus habe. Bedford-Strohm nannte den oft nur noch von Computern gesteuerten Börsenhandel „verwerflich“.
Schon Luther habe wirtschaftliche Ungerechtigkeiten angeprangert. Nach seiner Überzeugung müsse das wirtschaftliche Handeln den Schwachen dienen. Dazu sei es nötig, „Menschen zu inspirieren, gerechtere Systeme in der Wirtschaft zu schaffen“ und gleichzeitig Anreize zu bieten, dass daraus keine Nachteile für sie entstehen. Bedford-Strohm beendete sein Statement mit dem Satz „Wer fromm ist, muss auch politisch sein.“
In zwei eindrucksvollen Fokusveranstaltungen beschäftigten sich zum Ende der Veranstaltung die etwa 50 Teilnehmenden des zweiten Tages einerseits mit der Frage, was nötig ist, um eine „Umkehr zum Leben“ zu schaffen. Andererseits ging es unter anderem mit dem ungarischen Bischof Tamás Fabiny um „Weltoffene Gemeinde“.
Zwischen den Programmpunkten trugen junge Männer und Frauen ihre nachdenklichen und manchmal kritischen Poetry-Slams vor. Sie hatten letzten November an einem Workshop teilgenommen, den Mission EineWelt zum Thema „Poetry Slam für die Eine Welt – Jugend meldet sich zu Wort“ veranstaltet hatte.