Zwischen Frust und Aufbruchstimmung – die Weltklimakonferenz aus Sicht des Ozeanien-Dialogs
Die Qual der Wahl oder einen übervollen Stundenplan hatte Vincent Gewert bei der 28. Weltklimakonferenz – kurz: COP 28 – in Dubai. Von Ende November bis Mitte Dezember 2023 trafen sich dort Politiker*innen der Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention, um über das weitere – gemeinsame – Vorgehen gegen den fortschreitenden Klimawandel zu verhandeln. Mit dabei sind aber nicht nur politische Entscheidungsträger*innen, sondern auch Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt: NGOs und Gewerkschaften genauso wie Unternehmen. Sie verfolgen die Verhandlungen und versuchen in Gesprächen, aber auch mit Demonstrationen, die Verhandler*innen zu beeinflussen.
Und in eben dieser Funktion als zivilgesellschaftlicher Vertreter war Vincent Gewert bei der COP 28. Der 23-Jährige, der vor ein paar Jahren seinen Freiwilligendienst mit Mission EineWelt auf den Fidschi-Inseln absolviert hat, studiert Liberal Arts mit Schwerpunkt Philosophie und Politikwissenschaften an der Leuphania Universität Lüneburg, ist bei Fridays for Future aktiv und arbeitet beim Ozeanien-Dialog mit. Letzterer wird getragen von verschiedenen kirchlichen Organisationen, unter anderem auch von Mission EineWelt, und dem Pazifik-Netzwerk. Ziel der Nichtregierungsorganisation ist es, die Anliegen von zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Akteur*innen aus dem Pazifik-Raum in Europa bekannt zu machen und gegenüber der hiesigen Politik zu vertreten.
Bei der COP 28 war das ein harter Job. Zur Illustration zeigt Gewert im voll besetzten Seminarraum des Naturhistorischen Museums Nürnberg, wo er am 19. Februar über den Weltklimagipfel berichtet, seinen Stundenplan. Termin an Termin samt Alternativen stopfen das Tablaeu voll bis zur Anmutung eines psychedelischen Patchworks aus bunten Quadraten. Die Verhandlungen verfolgen, daneben Politiker*innen treffen, um ihnen, wie Gewert es ausdrückt, „Feuer unterm Hintern zu machen“, Demonstrationen organisieren und mit den pazifischen Partner*innen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen reden, um sich zu informieren und abzustimmen. Insgesamt ein tages- und abendfüllendes Pensum mit der Notwendigkeit, immer wieder kurzfristig zu entscheiden, welche geplante oder ungeplante Alternative gerade wichtiger für das Voranbringen der eigenen Zielsetzungen ist.
„Anstrengend“ sei das gewesen, fasst Vincent Gewert seinen Aufenthalt in Dubai zusammen. Und hat es sich gelohnt?
Die Bilanz des Ozeanien-Aktivisten fällt differenziert aus. Immerhin, vermerkt Gewert positiv, habe es zum ersten Mal seit der Weltklimakonferenz in Paris vor acht Jahren überhaupt wieder einen Global Stocktake (GST), also eine verschriftlichte Bestandsaufnahme der Verhandlungen gegeben. Und dort sei zum ersten Mal direkt vom Ausstieg aus den fossilen Energien die Rede gewesen und nicht mehr nur von der Reduktion von Emissionen. „Genau auf dem Ausstieg aus den Fossilen lag auch der Fokus der pazifischen Akteur*innen“, sagt Gewert.
Unterm Strich ist dieses Ergebnis reichlich dürftig, wenn die Folgen des von den Industrieländern verursachten Klimawandels so krass zu Tage treten wie seit längerem im Pazifik: von immer mehr und heftigeren Extremwetterereignissen über sterbende Ökosysteme bis hin zum Versinken ganzer Inseln. Vage Zusagen helfen angesichts dieser existenziellen Bedrohung wenig bis nichts. Folgerichtig beschreiten die Aktivist*innen aus dem Pazifik-Raum inzwischen auch andere Wege, um ihre Forderungen durchzusetzen. Einer davon ist die Initiative für den Fossil Fuel Treaty. Mit einem möglichst weltweiten Vertrag sollen Investitionen in fossile Energien und Energiesysteme sowie deren Ausbreitung gestoppt werden. Aktuell, so Gewert, gehe es darum, „möglichst viele progressive Staaten davon zu überzeugen den Treaty zu unterstützen“. Ein weiterer Ansatz ist der Versuch, vor dem internationalen Strafgerichtshof gegen die Industriestaaten zu klagen. Argument: Der zu hohe CO2-Ausstoß verletzt die Menschenrechte.
Bis Klimaschutz und gar Klimagerechtigkeit zum Normalzustand dieser Welt gehören, ist der Weg noch weit. Und die Frage ist nach wie vor, ob er rechtzeitig beschritten wird. Für Vincent Gewert ist das kein Grund, aufzugeben. Er sieht in der GST-Textpassage zum Ausstieg aus den Fossilen eine Chance, und zwar gerade wegen ihrer vagen Formulierung: „Der Text ist so gut, wie das, was wir draus machen. Wenn wir sagen, da müssen wir total viel tun, um das zu erfüllen, ist das ein gutes Argument für eine bessere Klimapolitik.“
Wer dem Nachdruck verleihen will, kann unter anderem den Fossil Fuel Treaty unterzeichnen: https://fossilfueltreaty.org/#endorse
Weitere Infos zum Ozeanien-Dialog gibt’s hier: https://www.ozeanien-dialog.de/