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Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein drängendes existenzielles Problem der Menschheit. Auf der Suche nach Lösungen wird klar: Ein grundsätzliches Umsteuern ist notwendig. Der Klimawandel kann nur eingedämmt werden, wenn alle weltweit miteinander zusammenarbeiten. Gerechtigkeit ist ein wichtiger Faktor, damit das klappen kann.
Die Lage der Dinge
Ungerechtes Klima
Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein drängendes existenzielles Problem der Menschheit. Auf der Suche nach Lösungen wird klar: Ein grundsätzliches Umsteuern ist notwendig. Der Klimawandel kann nur eingedämmt werden, wenn alle weltweit miteinander zusammenarbeiten. Gerechtigkeit ist ein wichtiger Faktor, damit das klappen kann.
Die mieseste Nachricht zuerst: Wie der EU-Klimadienst Copernicus Anfang Februar vermeldete, hat die globale Durchschnittstemperatur von Februar 2023 bis Januar 2024 erstmals 12 Monate am Stück die Marke von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter überschritten. Genau das zu vermeiden, war eigentlich das große Ziel. Im Jahr 2018 bei der Weltklimakonferenz in Paris hatte sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf eben diese 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Allerdings ging der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) bis vor kurzem, beispielsweise in seinem Bericht zur Klimakonferenz in Glasgow 2021, davon aus, die 1,5 Grad-Marke werde in den 2030er Jahren erreicht. Im Jahr 2018, also zum Zeitpunkt der Einigung auf das 1,5 Grad-Ziel, lautete die Prognose der Forscher*innen noch auf 2040. Jetzt ist klar: Auch wenn ein Teil der Erwärmung letztes Jahr auf El Nino zurückgeht und ein Jahr auch noch kein langfristiger Trend ist: Die Erderwärmung schreitet viel schneller voran als befürchtet. [Und es geht weiter mit den traurigen Superlativen: Der Januar 2024 ist – vorerst, muss man befürchten – der wärmste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.]
Nicht mehr aufzuhalten
Dass die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius stoppt, wäre derzeit ein Wunder im wahrsten Sinne des Wortes: Es wäre gegen alle Wahrscheinlichkeiten und unmöglich plausibel zu erklären. Denn das Zutun der gesammelten Menschheit reicht bisher dafür nicht aus. Bei weitem nicht.
Ohnehin ist der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten. Laut IPCC wäre eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis 1,6 Grad das Optimum, das theoretisch noch machbar sein könnte. „Doch dafür müsste die Menschheit sofort handeln. Und vor allem: Sie müsste das wesentlich tiefgreifender und konsequenter tun als bis jetzt“, analysiert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt, die Forschungsberichte. „Wenn die Staaten dieser Welt so weitermachen wie bisher, wird sich die zu erwartende Erderwärmung laut Weltklimarat bei plus-minus 2,7 Grad bewegen. Wenn die Staaten ihre bisher gesteckten Klimaziele einhalten, wäre die Erderwärmung immer noch bei 2,4 Grad. Wenn alle weiteren Versprechungen eingehalten werden würden, wären vielleicht rund 1,8 Grad möglich“, referiert der Agrarökonom den jüngsten Bericht des IPCC. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Für das 1,5-Grad-Ziel müsste noch einmal wesentlich mehr getan werden als jetzt. Einem IPCC-Sonderbericht von 2018 nach müssten dafür die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 in etwa halbiert werden. Bis 2050 müsste die Welt CO2-neutral sein.
Die Folgen werden sichtbar
Das sind die Zahlen. Die Auswirkungen des Temperaturanstiegs bis jetzt, 2024, sind inzwischen überall auf der Welt deutlich wahrnehmbar. Dass der Meeresspiegel derart angestiegen ist, dass im Pazifik erste Inseln versunken sind und weitere versinken werden. Dass immer häufigere und immer heftigere Stürme verheerende Schäden anrichten. Dass der Anstieg der Meerestemperatur ganze Ökosysteme ruiniert, und damit auch den Menschen, die dort leben, die Lebensgrundlage. Dass lange andauernde Dürren Menschen in Massen zur Flucht zwingen – wegen Wassermangel, aber auch wegen der davon ausgelösten Verteilungskämpfe. Dass in der Arktis das ehemals ewige Eis schmilzt. Alles das – und noch sehr viel mehr! – ist schon seit Jahrzehnten alarmierend. Aber es war aus Sicht der Industrieländer im Globalen Norden in gewisser Weise ein abstraktes Problem: Wenn es darum ging, wirklich stringente Gegenmaßnahmen zu ergreifen, waren die Folgen des Klimawandels dann halt doch ziemlich weit weg. Der reiche Teil der Welt leistete sich einen weiteren Luxus und spielte auf Zeit.
Doch inzwischen sind die Katastrophen näher gekommen. Dürren, Waldbrände, Stürme, Überschwemmungen, teilweise in bisher ungekannter Intensität, häufen sich auch in Europa. In Deutschland waren vor allem die Flutkatastrophe im Ahrtal und die ungewöhnlich heißen Sommer der letzten Jahre, die regional zu akuter Wasserknappheit führten, tiefe Einschnitte in das Denken der Bürger*innen und der politisch Verantwortlichen. Klimaschutz mutierte von der mittel- bis langfristigen Aufgabe mit allenfalls sekundärer Priorität zum Top-Thema mit akutem Handlungsbedarf. Der Druck steigt, aber der Weg vom Reden zum Handeln ist mitunter weit. Immerhin: Der schrittweise Umstieg von der Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas auf erneuerbare Energien nimmt in den europäischen Ländern, wenn auch viel zu langsam – siehe oben – und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Land zu Land, mehr und mehr Fahrt auf. Aber Krisen wie die Kriege in der Ukraine und in Gaza mit all ihren Wechselwirkungen und Folgen tragen nicht eben dazu bei, den Umbau in Energieversorgung und Industrie zu beschleunigen.
[Dass die Bemühungen immer noch nicht ausreichen, dokumentiert eine weitere Hiobsbotschaft: Wie die Forschungsinitiative Global Carbon Project kürzlich vermeldete, hat 2023 die Verbrennung fossiler Energieträger zu einem neuen Spitzenwert in Sachen weltweite Emissionen geführt.]
Schieflagen verhindern Lösungen
Um den Klimawandel zu stoppen und seine Folgen, so gut es geht, in Grenzen zu halten, sind globale Lösungen notwendig, die möglichst von allen Staaten der Welt mitgetragen werden. Soweit so klar, sonst gäbe es nicht seit 1979 Weltklimakonferenzen, die seit 1995 mit Ausnahme des Jahres 2020 jährlich stattfinden. Was die Suche nach Lösungen so ungeheuer schwierig macht, dass auch in Jahrzehnten keine wirklichen Durchbrüche erzielt werden konnten, sind diverse Schieflagen und Interessenskonflikte.
Zuerst einmal: Der Klimawandel ist per se ungerecht. Seine Auswirkungen treffen nicht die Verursacher*innen am härtesten, sondern Länder, die selbst wenig bis nichts zum Klimawandel beitragen. Viele Länder Afrikas sind von Extremwetterereignissen schwer betroffen. Oft sind die Wechsel zwischen Trockenperioden und Regenzeiten nicht mehr verlässlich kalkulierbar. Dazu kommt, dass die einzelnen Wetterereignisse immer öfter besonders heftig ausfallen, beispielsweise in Form von Starkregen und Überschwemmungen. Die Folgen sind schlechte oder komplett vernichtete Ernten, Ernährungsunsicherheit, Hunger, Krankheiten und mancherorts Verteilungskämpfe. [Besonders schlimm ist die Situation am Horn von Afrika oder im Südsudan, wo lange anhaltende Dürreperioden die Menschen zwingen, vor Hunger und Tod in die Nachbarländer zu fliehen.] Dabei trägt Afrika insgesamt nur zu vier Prozent der weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen bei. Etwas mehr als ein Drittel davon kommt aus Südafrika.
Noch krasser ist das Missverhältnis im Pazifikraum. Der Anteil der Pazifischen Inseln am weltweiten CO2-Ausstoß liegt bei nicht einmal 0,1 Prozent. Dennoch gehören sie – siehe oben – zu den Regionen der Welt, die von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen sind.
Am meisten Kohlendioxid emittieren die Industrieländer, allen voran China und die USA. Von den weltweit 38 Milliarden Tonnen CO2, die 2021 in die Atmosphäre gepustet wurden, kamen über 80 Prozent von den G20-Staaten.
Zu wenig Ausgleich, wenig Chancen
Eigentlich, darum dreht sich regelmäßig ein Teil der Verhandlungen bei den Weltklimakonferenzen, müssten die Länder, die den Klimawandel hauptsächlich verursachen, den Ländern, die darunter hauptsächlich leiden, Schadensersatz leisten. Das wäre – angesichts dessen, dass vieles gar nicht wieder gutzumachen ist – wenigstens halbwegs gerecht. Bei der 28. Weltklimakonferenz (COP28) Ende 2023 in Dubai wurde immerhin der ein Jahr vorher bei der COP27 angekündigte Fonds für klimawandelbedingte Schäden und Verluste startklar gemacht. Die Finanzierung des Fonds erfolgt aber auf freiwilliger Basis. Bisher sind ein paar hundert Millionen US Dollar zusammengekommen. Zu wenig angesichts der horrenden Schäden.
Gleichzeitig gibt es einen Rückgang bei der Finanzierung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, zu der sich die Industrieländer im Pariser Klimaabkommen verpflichtet haben. Es wirkt in der Gegenüberstellung seltsam bizarr, dass die Mittel, die armen Ländern bei der wesentlich billigeren Vermeidung von klimabedingten Schäden helfen sollen, auf Kosten der wesentlich kostspieligeren Finanzierung der Reparatur von Schäden reduziert werden.
Handelsverträge machen alles noch schlimmer
Zur unzureichenden Hilfe und Entschädigung kommt die Praxis der weltweiten Handelsbeziehungen zwischen Industrieländern und den Ländern des Globalen Südens. Auch sie trägt nicht wirklich dazu bei, dass die ärmeren Handelspartner sich weiterentwickeln können. Selbst aktuell verhandelte Verträge wie das EU-Mercosur-Abkommen machen da keine Ausnahme. Schon im Rahmen der derzeit bilateral geregelten Handelsbeziehungen sind die Mercosur-Länder überwiegend Lieferanten unverarbeiteter Produkte. Im Jahr 2020 importierte die EU hauptsächlich Agrarprodukte wie Soja aus diesen Ländern. Laut Thomas Fritz, Referent für Handel und Investitionen bei PowerShift, ist das ein „Anreiz für mehr Raubbau, um die Sojaproduktion auszuweiten und dafür die Felder zu vergrößern.“ Wald wird gerodet, die CO2-Bindung lässt nach und in der Folge steigen die Treibhausgas-Emissionen. „Es ist unglaublich, dass man meint, ein solches Abkommen, das den Anbau waldgefährdender Produkte begünstigt, in Zeiten des Klimawandels abschließen zu müssen“, wundert sich der Handelsexperte. Haarsträubend ist auch die Situation in Chile. Ein Handelsvertrag mit der EU sorgt unter anderem dafür, dass europäische Firmen in der Atacamawüste im großen Stil Lithium, wichtiger Bestandteil von Akkus in Handys oder E-Autos, abbauen können. Das verschlingt riesige Mengen an Wasser und vergiftet die Umwelt – zu Lasten der ansässigen Bevölkerung und zu Lasten des Klimas.
Nach wie vor verfolgen die Industrieländer eine Strategie der Dekarbonisierung bei fortgesetztem Wachstum. Der Globale Süden wird möglichst billig abgespeist. Das ist ungerecht und geht über Leichen. Und: Es wird nicht funktionieren. Wir müssen umdenken: Klimagerechtigkeit jetzt!
Thomas Nagel
Theologische Einordnung
Wir sitzen nicht alle in einem Boot!
Die Lasten des Klimawandels sind ungleich und ungerecht verteilt
Dass der Zustand des Klimas auf unserem Planeten bedrohlich ist, darüber sind sich alle Klimaexpert*innen einig. Kein Zweifel besteht auch daran, dass es die anhaltenden Treibhausgasemissionen sind, die starke Klimaänderungen und Extremwetterereignisse auf der ganzen Welt verursachen. Der Klimawandel ist menschengemacht.
Die Erwärmung der unteren Atmosphäre und der Ozeane, die Veränderungen des globalen Wasserkreislaufs, die weltweite Abnahme von Eis und Schnee, der Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels, veränderte Jahreszeiten, Hitzewellen, Überflutungen, Starkniederschläge, Dürren und tropische Wirbelstürme – diese apokalyptisch anmutende Auswahl ist nur ein Teil der bedrohlichen Symptome der Klimakrise.
Die Klimakrise betrifft uns alle, aber auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Vom Klimawandel und seinen bedrohlichen Wellen sind alle Länder der Welt betroffen. Allerdings leiden durchschnittlich diejenigen, die am meisten zum Klimawandel beigetragen haben, am wenigsten unter den Auswirkungen. Und umgekehrt sind diejenigen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, im Schnitt viel stärker den Risiken ausgesetzt. Auch was die Auswirkungen des Klimawandels betrifft, sitzen die Menschen also nicht alle im sprichwörtlichen gleichen Boot.
Vielmehr sind die Zustände unserer Boote sehr unterschiedlich: Arme Menschen sitzen in einem Boot, das vielleicht schon ein oder mehrere Lecks hat und deswegen dem Untergang nahe ist. Kleinbauern im Globalen Süden sitzen in einem einfachen Fischerboot, und ihnen fehlt ein Ruder, um gegen die hohen Wellen des Klimawandels anzukämpfen. Dagegen sitzt die reiche und wohlhabende Gesellschaft im Globalen Norden recht komfortabel auf einem Luxusdampfer, der mit den Wellen (noch) gut zurechtkommt.
Gerecht ist das nicht.
Das Konzept der „Klimagerechtigkeit“ ist ein Aufschrei gegen diese Ungerechtigkeit und ein Aufruf für mehr soziale Gerechtigkeit weltweit. Klimagerechtigkeit beinhaltet den Kampf für soziale Gerechtigkeit, der anerkennt, dass nicht alle die gleiche Verantwortung für die Klimakrise tragen. Soziale Gerechtigkeit basiert auf der grundlegenden Würde jedes einzelnen Menschen und strebt deshalb ein besseres Leben für alle an. Bildlich gesprochen: Es darf uns – vor allem auch als Christ*innen! – nicht egal sein, dass der Zustand der Boote anderer Menschen miserabel ist. Im Gegenteil: Es ist unser aller Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich alle in einem Boot oder besser noch auf einem Schiff befinden, auf dem man möglichst gut mit den Wellen der Klimakrise zurechtkommen kann.
Die Vision von einem globalen Reich Gottes, in dem besonders den Armen Gerechtigkeit widerfährt und Gottes Option für die Armen in die Tat umgesetzt wird, ist für mich motivierend, für mehr soziale Gerechtigkeit einzutreten.
Bei Klimagerechtigkeit geht es auf der einen Seite um den Kampf für Soziale Gerechtigkeit, auf der anderen Seite auch um einen neuen, nachhaltigen und umweltschonenderen Lebensstil. Beides ist beim Klimawandel von großer Relevanz. Oder mit anderen Worten: Es geht um den Mitmenschen, aber auch um die Schöpfung insgesamt. Diese beiden Seiten lassen sich nicht voneinander trennen.
In der Schöpfungsgeschichte können wir davon lesen, dass Gott den Menschen aus Erde formte. Das hebräische Wort für Erde ist „adamah“ und das hebräische Wort für Mensch ist „adam“. Diese sprachliche Nähe der beiden Worte bezeugt die enge Zusammengehörigkeit des Menschen mit dem Erdboden. Der Boden ist gemäß der Schöpfungsgeschichte Grundlage unseres menschlichen Daseins und Lebens. Wie viel mehr gilt es, den Erdboden zu bewahren, mit dem Wissen, dass die Erde nicht dem Menschen gehört, sondern Gott. Wie können wir nur die Grundlage unseres eigenen Daseins zerstören?
Vielleicht ist mal wieder die Sünde an allem schuld! Zusammen mit Jesu Worten könnten wir bezeugen: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ (Mk 14,38) Dass das Fleisch schwach ist, steht außer Frage, vor allem, wenn das Gute zu erreichen etwas Anstrengung kostet, wie bei unserer Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe und die Schöpfung insgesamt.
Die Sünde hat zu einem gestörten Mensch-Gott-Verhältnis geführt, wohl aber auch zu einer gestörten Mensch-Mitmensch-Beziehung und zu einer gestörten Mensch-Natur-Beziehung. Die Sünde ist gemäß Paulus (Röm 8,22) daran schuld, dass die ganze Schöpfung mit uns seufzt, sich ängstigt und nach Erlösung sehnt. Die Erlösung der Schöpfung erfordert jedoch eine Umkehr des Menschen, einen radikalen Wandel im Lebensstil. Gottes Bestimmung für unser Leben schließt die Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe und die gesamte Schöpfung ein. Wir sind alle Adressaten dieses Rufes zur Umkehr, zur Neubesinnung und zu einer gelebten „Ethik des Genug“. Große Frage bleibt: Sind wir bereit dazu, unsere eigenen Lebensstandards und den damit verbunden Wohlstand und Luxus zurückzuschrauben, mit der Absicht, einen nachhaltigeren Lebensstil zu führen und damit die bedrohlichen Auswirkungen der Klimakrise wenigstens einzudämmen?
„Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ Viele kennen sicherlich diesen bekannten Kanon, der uns vielleicht auch angesichts der großen Fragen und Herausforderungen der Klimakrise Mut machen kann.
Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern: An einem kleinen Ort im Südwesten Tansanias, in Kidugala, wo ich derzeit als Dozentin an der Bibelschule arbeite, richten die knapp 150 Theologiestudierenden viele kleine Gärten der Hoffnung ein. Mit diesen Gemüse- und Obstgärten, die mit ausschließlich natürlichem Dünger gedüngt werden, will sich die Gemeinschaft am Campus der Bibelschule selbst versorgen. Diese Gärten tun nicht nur dem Erdboden gut, sondern auch dem Menschen, dessen Lebensgrundlage der Erdboden ist. Für diese Gärten am Campus gibt es ein Leitwort, das auf Kisuaheli wie folgt lautet: „Tunza uumbaji ili ukutunze.“ – ins Deutsche übersetzt: „Sorge für die Schöpfung, damit sie für dich sorgt!“ Diese kleinen Paradiese, die im Rahmen des Fachs „Grüne Theologie“ an der Bibelschule in Kidugala entstanden sind, tun der Schöpfung Gottes gut, aber auch den Studierenden selbst. Die Studierenden erfreuen sich am guten Essen, aber auch an den schattigen Erholungsplätzen unter den gepflanzten Bäumen und Bananenstauden. Zusätzlich geben die Studierenden und Dozenten auch Seminare für Außenstehende in den Gemeinden, um ihr Wissen weiterzugeben. Durch diese Seminare können viele von dem Wissen profitieren, wie man nachhaltig mit dem Erdboden, unserer Lebensgrundlage, umgehen kann, wie man für die Schöpfung sorgen kann, damit sie für uns sorgt.
Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern: Vielleicht wird eines Tages die Mensch-Natur-Beziehung wieder in Ordnung sein und die Schöpfung wieder gut sein. Vielleicht wird auch die Mensch-Mitmensch-Beziehung wieder harmonisch sein und die Gerechtigkeit wieder einen Platz auf der Erde haben.
Und dann könnte es sogar sein, dass wir alle in einem Boot sitzen und die Wellen der Klimakrise sich gelegt haben.
Tina Scheibenberger
Klimawandel in den Partnerkirchen
Angst als Antrieb für kollektives Handeln – Interview mit Elaine Suwito
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Im Interview erklärt die Psychologischen Psychotherapeutin Elaine Suwito, die seit 2020 Mitglied bei Psychologist/Psychotherapists For Future e.V. ist, wie Klimaangst entsteht, und wie wir sie als Antrieb nutzen können, unser Verhalten positiv zu verändern.
Zum Interview mit Elaine Suwito
Der Klimawandel und dessen Folgen machen vielen Menschen Angst, man spricht auch von Klimaangst, was bedeutet das eigentlich konkret?
Aus psychologischer Sicht kann man Klimaangst als eine angemessene emotionale Reaktion auf die aktuelle und drohende Gefahr verstehen, die durch die Klimakatastrophe und ihre Folgen entsteht. Es ist also keine pathologische „gestörte“ Reaktion, sondern durchaus gesund, da wir durch die Angst die Energie bekommen, die uns ins Handeln kommen lässt, sofern wir uns nicht von der Angst lähmen lassen. Kollektives Handeln ist das, was wir angesichts der Krise ja unbedingt brauchen.
Was kann helfen, um solche Gefühle der Klimaangst zu überwinden bzw. positiv zu nutzen?
Emotionen sind wichtig, da sie uns anzeigen, ob unsere Bedürfnisse erfüllt werden oder nicht, und uns dann entsprechend handeln lassen. Es geht also nicht darum, keine Klimaangst oder andere Klimagefühle zu haben, da wir ja sonst gar nicht begreifen würden, wie ernst die Lage für unser menschliches Überleben auf dem Planeten tatsächlich ist. Andererseits ist es wichtig, dass wir uns nicht von unseren Gefühlen überwältigen oder lähmen lassen. Erfahrungsgemäß ist es da sehr hilfreich, andere Menschen zu finden, mit denen es möglich ist, diese Gefühle zu teilen. Die Erfahrung, nicht allein damit zu sein, kann sehr entlasten. Und wir können überlegen, was wir persönlich tun können, um einen Beitrag zu leisten für Klima- und Umweltschutz. Das kann je nach persönlichen Ressourcen und Interessen ganz unterschiedlich sein: von Geld spenden, Müll sammeln bis selbst politisch aktiv werden. Durch das eigene Handeln kann ein Gefühl der Selbstwirksamkeit entstehen, das uns weniger hilflos und ängstlich macht und motiviert, weiter aktiv zu bleiben. Oft ist es auch hier gut, sich gleichgesinnte Menschen oder Gruppen zu suchen. Gemeinsam sind wir effektiver und haben meistens auch mehr Spaß!
Was verstehen Sie unter Klimagerechtigkeit?
Der menschengemachte Klimawandel wird verursacht durch die Treibhausgasemissionen, für die zu einem überwältigend großen Anteil die Gesellschaften im Globalen Norden verantwortlich sind, während die bereits heute schon spürbaren Folgen des Klimawandels vor allem die Menschen im Globalen Süden treffen, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Klimagerechtigkeit bedeutet, diese Tatsache anzuerkennen und entsprechend zu handeln. Das heißt konkret, dass die wohlhabenden Industrienationen die ihnen zufallende Verantwortung übernehmen und nicht nur jetzt so schnell wie möglich ihre Emissionen reduzieren, sondern gleichzeitig für die schon entstehenden Schäden in benachteiligten Regionen aufkommen sowie diese dabei unterstützen, sich an die zukünftigen klimatischen Veränderungen bestmöglich anzupassen.
Was ist Ihnen sonst noch zum Thema wichtig?
Die Klimakatastrophe macht uns deutlich, dass wir nur einen Planeten für alle Menschen haben und wir alle miteinander verbunden sind, deshalb kann nur ein gutes Leben für alle das Ziel sein. Dafür ist es aus meiner Sicht notwendig, dass wir Menschen uns als Teil der Natur verstehen und uns füreinander und für das Leben in all seinen Formen einsetzen. Dies führt darüber hinaus nachweislich zu einem erfüllteren, zufriedeneren Leben für uns selbst.
Warum engagieren Sie sich bei Psychologists/Psychotherapists For Future, was genau machen Sie da?
Bei Psy4F kann ich meine Kompetenzen als Psychologin und Psychotherapeutin einbringen, um zur Bewältigung der Klimakrise beizutragen. Denn die Klimakrise ist letztlich auch ein psychologisches Problem: Wir handeln als Menschheit nicht so, wie es eigentlich notwendig wäre, obwohl wir wissen, was zu tun wäre. Psychologisches Wissen kann helfen, dies zu verändern, beispielsweise durch die Art der Kommunikation. Dazu bieten Psy4F Vorträge, Workshops und ähnliches. Außerdem geht es um psychologische Unterstützung für Menschen, die durch die Klimakatastrophe verunsichert sind oder sich überfordert fühlen oder durch ihren Aktivismus in Konflikte geraten oder an Grenzen stoßen. Hier bin ich Teil einer Gruppe, die kostenfreie Beratung anbietet. Aktuell initiiere ich mit unserer Regionalgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen ein regelmäßiges Klimacafé, das heißt, wir bieten einen geschützten Raum, in dem wir in entspannter Atmosphäre dazu einladen, uns über unsere Gedanken und Gefühle zur Klimakatastrophe auszutauschen. Dadurch können wir Verbundenheit und Entlastung erleben.
Interview: Gisela Voltz
Ausbeutung zum Nutzen einiger Weniger – Interview mit Jack Urame
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Der Klimawandel macht sich auch in Papua-Neuguinea deutlich bemerkbar. Dazu kommen Ausbeutung der Ressourcen und Umweltzerstörung durch ausländische Konzerne. Die Evangelisch-Lutherische Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG) beteiligt sich aktiv am Widerstand gegen solche Praktiken. Im Interview erklärt Jack Urame, Bischof der ELC-PNG, warum.
Zum Interview mit Jack Urame
Wie bekommt Papua-Neuguinea den Klimawandel zu spüren?
Die Wetterverhältnisse ändern sich. Ein weiteres Problem ist der steigende Meeresspiegel: Die Küstenlinie wird teilweise vom Meer regelrecht weggefressen. Und auch viele Naturkatastrophen sind zu verzeichnen. Die Menschen in Papua-Neuguinea betrachten diese Veränderungen mit großer Sorge.
Warum wird der Klimawandel von vielen Menschen ignoriert?
Ich denke, im Grunde ist es einfach nur Unwissenheit. Viele Menschen glauben nicht, dass es einen Klimawandel gibt. Wahrscheinlich haben sie nicht genügend Informationen, um zu verstehen, was wirklich passiert. Vor allem Menschen, die auf den Klimawandel reagieren sollen, verfügen nicht über die entsprechenden Informationen.
Welche Folgen hat die Ausbeutung der Ressourcen in Papua-Neuguinea?
Das ist eine große Herausforderung für uns. Unseren Regenwäldern wird viel Holz entnommen. Große ausländische Unternehmen kommen, fällen die Bäume und transportieren die Stämme ab. Oder sie betreiben Bergbau und beuten unsere Ressourcen aus. Dabei zerstören sie, weil sie die Abfälle nicht umweltschonend entsorgen, das Land, die Flüsse und die Meere.
Den Menschen in Papua-Neuguinea bleiben nur die Zerstörung und das Leid. Der Raubbau wirkt sich auch auf die Zukunft aus. In 20 oder 50 Jahren werden die Menschen diese Auswirkungen noch viel intensiver spüren als heute.
Wer profitiert davon? Und: Ist das gerecht?
Vor allem die großen Unternehmen und diejenigen, die die Ressourcen kontrollieren und die Macht haben – sowohl finanzielle Macht als auch politische Macht – profitieren.
Die einfachen Leute in den Dörfern und Gemeinden leiden. Die meisten Menschen profitieren überhaupt nicht davon. Die Ausbeutung erfolgt also zum Nutzen einiger weniger an der Spitze, die die Kontrolle haben, und nicht zum Nutzen der Mehrheit.
Warum und wie engagiert sich die ELC-PNG im Widerstand gegen Tiefseebergbau, Verklappung von Abraum und andere umweltbelastende und gesundheitsgefährdende ökonomische Aktivitäten?
Weil wir der Meinung sind, dass wir die Verantwortung haben, uns um die Schöpfung Gottes zu kümmern. Das ist unser Auftrag. Ich denke, wir sind nicht nur für das soziale Leben der Menschen verantwortlich, sondern auch für die gesamte Schöpfung. Deshalb engagieren wir uns sehr stark.
Und Sie sind auch von der Synode der ELC-PNG beauftragt.
Tatsächlich beinhaltete ein Teil meines Berichts an die Synode unsere DSTP (Deep-sea tailings placement)-Kampagne, die auch von der Jugend stark unterstützt wird.
Was müsste sich in Papua-Neuguinea ändern, damit der Raubbau gestoppt werden kann?
Ich denke, wir brauchen den politischen Willen. Wenn die politischen Führer die richtigen Entscheidungen treffen, dann wird das große Auswirkungen auf das Land haben. Und wenn sie nicht zu einer Kampagne gegen Zerstörung und Ausbeutung beitragen, dann wird das Leiden weitergehen.
Leider unterstützen viele Politiker uns nicht, weil sie selbst vom Raubbau profitieren.
Kann die Kirche die Politik beeinflussen?
Wir haben als Vertreter der Kirche an vielen Treffen und Konferenzen mit Politikern teilgenommen. Ich persönlich bin in Sachen DSTP sogar bis zum Büro des Premierministers gegangen. Denn wir wollen auch politischen Einfluss nehmen. Wir haben zwar nicht die Macht, politische Entscheidungen zu treffen, aber wir können diese Entscheidungen durch Dialog, Kommunikation und Konsultation beeinflussen.
Was müsste sich weltweit ändern um Ausbeutung im Globalen Süden zu stoppen?
Wir müssen weltweit Verbindungen schaffen. Wir müssen uns koordinieren und mit anderen Gemeinschaften und Organisationen zusammenarbeiten, die das gleiche Anliegen haben und das Gleiche tun. Wir müssen unsere Bemühungen bündeln. Wir müssen unsere Stimme bündeln. Wir müssen unsere Prozesse bündeln. Auf diese Weise werden wir stärker und effektiver. Denn viele Menschen tun Gutes, aber sie tun es isoliert in ihren Ländern.
Wie können Menschen, Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen in Europa Ihrer Meinung nach dazu beitragen, die globale Klima-Ungerechtigkeit zu beenden? Was sollten sie von ihren Regierungen fordern?
Es gibt einen einfachen Weg, dies zu tun. Man sollte die Regierungen auffordern, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Der Verbrauch natürlicher Ressourcen muss reduziert werden müssen, um ein Gleichgewicht zu schaffen.
Interview: Thorsten Krafft
„Die Industrieländer müssen über bloße Versprechungen hinausgehen“ – Interview mit Warime Guti
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Interview mit Warime Guti, Kampagnenkoordinator für die Umwelt- und Klimakampagne der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG), über die Klima-Situation in Papua-Neuguinea und darüber, was aus seiner Sicht notwendig wäre, damit sich diese Situation verbessert.
Zum Interview mit Warime Guti
Wie bekommt Papua-Neuguinea den Klimawandel zu spüren?
Warime Guti: Papua-Neuguinea (PNG) liegt südlich des Äquators und ist landschaftlich und klimatisch sehr vielfältig: Es gibt tropischen Insel, Küsten und Atollen, Savannengrasland, tropischen Regenwald und Hochland mit bis zu 4000 Meter hohen Bergen. Diese Vielfalt spiegelt sich in einem Spektrum von Klimazonen wider. Die Temperaturen variieren zwischen 10 und 15 Grad Celsius im Hochland und 25 bis 38 Grad Celsius im Flachland.
Angesichts dieser Vielfalt sind die Auswirkungen des Klimawandels in PNG nicht einheitlich. Jede Region ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert.
In den Küstengebieten sowie auf den Inseln und Atollen sorgt der steigende Meeresspiegel für Überschwemmungen an den Küsten, verunreinigt Süßwasserquellen und stört die Landwirtschaft, insbesondere auf kleinen Inseln mit begrenzten Ressourcen. Intensive und anhaltende Fluten bedrohen Küstengemeinden. Die Erwärmung des Wassers bedroht das Leben im Meer und beeinträchtigt die Ernährungssicherheit und traditionelle Praktiken. Veränderte Wassertemperaturen drängen Fische weiter weg und erhöhen das Risiko, nach gefährdeten Gruppen zu jagen. Zudem behindert extremes Wetter mit stärkeren Winden und rauer See den Transport, die Fischerei und soziale Aktivitäten.
Auf dem Festland trocknet durch anhaltende Dürren die Vegetation aus und die Wasserquellen versiegen – mit negativen Folgen für die Nahrungsmittelproduktion. Plötzliche Regengüsse in den Bergen lösen intensive Überschwemmungen in den Tälern aus, die Ernten beschädigen, Verkehrswege blockieren und beschädigen sowie Wasserquellen kontaminieren. Starke Regenfälle spülen zudem fruchtbaren Mutterboden weg, wodurch die Produktivität und die Artenvielfalt verringert werden.
Hochland:
Steigende Temperaturen fördern die Migration von Pflanzen und Insekten aus tieferen Lagen und bringen im Hochland neue Gesundheitsrisiken wie Malaria mit sich. Längere Kälteperioden im Hochland verursachen Frostschäden an Pflanzen und Wasserquellen.
Die veränderten Lebensbedingungen zwingen Tiere zur Wanderung und zur Suche nach neuen Lebensräumen. Für die Ernährungssicherung durch Jagd ist das ein wachsendes Problem.
Wer sind aus Ihrer Sicht die Verursacher*innen des Klimawandels?
Hauptsächlich sehe ich politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger*innen auf allen Ebenen in der Verantwortung:
Lokale Behörden nehmen mit ihren Entscheidungen in Bezug auf Landnutzung, Verkehr und Infrastrukturentwicklung Einfluss auf Emissionen und Klimaresilienz.
Lokale und nationale Regierungen und Unternehmen, die für die Umsetzung internationaler Verträge und Vereinbarungen zum Klimawandel verantwortlich sind.
Aber auch Verbraucher*innen können mit ihren Entscheidungen in Bezug auf Energieverbrauch, Transport und Verbrauch von Waren und Dienstleistungen Einfluss nehmen.
Welche Folgen hat die Ausbeutung der Ressourcen in PNG?
In Papua-Neuguinea sind fast 80 Prozent der Bevölkerung zum Überleben auf die Artenvielfalt angewiesen. Angesichts dessen stellt die Ressourcenausbeutung ein komplexes Dilemma dar. Obwohl sie Wirtschaftswachstum verspricht, ist sie oft mit hohen Kosten und Problemen verbunden, insbesondere für Gemeinschaften, die stark von der Natur und einer Lebensweise abhängig sind, die nicht auf Bargeldverkehr basiert.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht die anhaltend schwache Umsetzung von Landgesetzen, Umweltgesetzen und Abfallwirtschaftsgesetzen. So werden die Voraussetzungen für Ausbeutung und andere Probleme geschaffen.
Die Ausbeutung von Ressourcen hat einige Konsequenzen:
Die nicht nachhaltige Ressourcengewinnung stört Ökosysteme und gefährdet die Ernährungssicherheit, den Zugang zu Wasser und traditionelle Lebensgrundlagen. Das macht Gemeinschaften verwundbar und zwingt sie in ausbeuterische Situationen.
Der Zufluss von Bargeld kann soziale Strukturen und Werte schwächen, was zu erhöhtem Alkoholmissbrauch, Prostitution und dem Zerfall von Familien führt. Junge Menschen, die durch schnelles Geld angelockt werden, geraten in Versuchung, ihre Ausbildung aufzugeben. Übrig bleibt oft ein Gefühl der kulturellen Enteignung. Traditionelle Lebensweisen werden ausgehöhlt.
Zudem birgt die „Illusion des billigen Geldes“ für Einzelpersonen und Gemeinschaften die Gefahr der Verschuldung. Das wiederum führt zu einer Abhängigkeit von der Ressourcengewinnung und setzt den Kreislauf der Verwundbarkeit fort.
Rohstoffunternehmen arbeiten oft auf traditionellem Land ohne angemessene Konsultation oder Entschädigung. Landraub, Vertreibung und Konflikte gehen dann mit der Ausbeutung von Ressourcen einher. Dies untergräbt das Vertrauen in die Behörden und verschärft bestehende soziale Spannungen.
Und nicht zuletzt: Nicht nachhaltige Praktiken führen zu Entwaldung, Umweltverschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt, tragen zum Klimawandel bei und gefährden die Lebensgrundlage von zukünftigen Generationen.
Wer profitiert davon? Und: Ist das gerecht?
Trotz des Versprechens, den nationalen Wohlstand durch den Abbau von Ressourcen zu steigern, bleibt in Papua-Neuguinea eine bittere Realität bestehen: Viele Bürger*innen sehen wenig Nutzen in ihren Gemeinden. Während angeblich Millionen und Milliarden erwirtschaftet werden, zeichnen Entwicklungsindikatoren ein anderes Bild. Die Alphabetisierungsrate sinkt, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch und soziale Probleme wie Kriminalität, Gewalt und Drogenmissbrauch bleiben bestehen.
Dies wirft die oben genannten entscheidenden Fragen auf:
Die Daten deuten auf eine konzentrierte Verteilung des Reichtums hin, die weit von der versprochenen gerechten Verteilung entfernt ist. Investoren und hochrangige Beamte scheinen den Löwenanteil für sich zu beanspruchen, während die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die auf die biologische Vielfalt angewiesen ist, noch mehr zu kämpfen hat. Dieses System zehrt an Ressourcen und hinterlässt wenig wirklich positive Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen in Papua-Neuguinea oder sonstigen nachhaltigen langfristigen Nutzen für unser Land.
Warum und wie engagiert sich die ELC-PNG im Widerstand gegen Tiefseebergbau, Verklappung von Abraum und andere umweltbelastende und gesundheitsgefährdende ökonomische Aktivitäten?
Die Evangelisch-Lutherische Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG) stellt sich entschieden gegen Tiefseebergbau, Abraum-Entsorgung und andere umweltschädliche Aktivitäten. Diese unerschütterliche Haltung, angetrieben von unserer tief verwurzelten moralischen Verantwortung und unserem Engagement für ökologische und soziale Gerechtigkeit, zwingt uns, aktiv Widerstand zu leisten und uns für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen.
Wir konzentrieren uns darauf, Bewusstsein für das Thema zu schärfen und die Stimmen der von diesen schädlichen Aktivitäten betroffenen Gemeinschaften zu verstärken. Das Büro des Bischofs beteiligt sich aktiv an Diskussionen und Kampagnen gegen Tiefsee-Tailing und andere damit zusammenhängende Umweltkampagnen, die die Lebensgrundlage gefährdeter Gemeinschaften bedrohen.
Wir vernetzen uns und arbeiten mit anderen lokalen und internationalen NGOs zusammen, mit Organisationen, die unsere Vision eines gesunden Planeten und gerechter Gesellschaften teilen. Indem wir unsere Kräfte bündeln, verstärken wir die Stimmen der Gemeinschaften auf der nationalen und möglicherweise auch auf der globalen Bühne und stellen sicher, dass das Thema im Vordergrund des öffentlichen Diskurses bleibt. Unsere Solidarität erstreckt sich auch auf andere Organisationen, die gegen schädliche Praktiken kämpfen, und sendet eine starke Botschaft, dass wir gemeinsam positive Veränderungen bewirken können.
Was müsste sich in PNG ändern, um diesen Raubbau zu stoppen?
Wir brauchen schärfere Gesetze und Vorschriften: Die Umsetzung strengerer und konsequenter durchgesetzter Gesetze zur Ressourcengewinnung, zum Umweltschutz und zu Landrechten ist von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört die Gewährleistung von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Erteilung von Genehmigungen und die Überwachung der Einhaltung.
Die Stärkung und aktive Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen in politische Entscheidungsprozesse kann unterschiedliche Perspektiven einbringen und eine größere Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit gewährleisten. Ebenso notwendig ist die stärkere Sensibilisierung und Beteiligung der Öffentlichkeit.
Was müsste sich weltweit ändern?
Die Industrieländer müssen über bloße Versprechungen hinausgehen und konkrete Maßnahmen zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs und zur Förderung nachhaltiger Praktiken entwickeln. Dazu gehören Investitionen in erneuerbare Energien, die Förderung nachhaltiger Produktions- und Verbrauchsmuster sowie die Bereitstellung finanzieller und technischer Hilfe für Länder im Globalen Süden.
Verbraucher*innen auf der ganzen Welt müssen einen nachhaltigeren Lebensstil annehmen und sich für erneuerbare und umweltfreundliche Waren und Dienstleistungen entscheiden. Dies erfordert die Förderung von Bewusstsein, Aufklärung und zugänglichen Alternativen.
Die Industrienationen müssen den historischen Kontext und den unfairen Vorteil anerkennen, den sie durch die Ausbeutung von Ressourcen in der Vergangenheit erlangt haben. Offener Dialog, Technologietransfer und gleichberechtigte Partnerschaften sind entscheidend, um die wahrgenommene Kluft zu überbrücken und die Zusammenarbeit zu fördern.
Die Entwicklung einfacherer und nachhaltigerer Praktiken zur Ressourcengewinnung durch internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit kann sowohl Industrieländern als auch Ländern des Globalen Südens zugutekommen. Dies erfordert verstärkte Investitionen in Forschung und Entwicklung, wobei der Schwerpunkt auf Effizienz, Minimierung der Umweltbelastung und verantwortungsvollem Ressourcenmanagement liegen muss.
Wie können die Menschen, die Kirchen, die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa aus Ihrer Sicht dazu beitragen, die weltweite (Klima-)Ungerechtigkeit zu beenden? Was sollen Sie von ihren Regierungen fordern?
Mit Forderungen nach einer stärkeren Politik: Fordern Sie ihre Regierung auf, strengere Richtlinien für den Konsum von Waren und Dienstleistungen durch Einzelpersonen und durch Unternehmen zu schaffen, umzusetzen und zu regulieren und erneuerbare und nachhaltige Optionen aktiv zu fördern. Dazu gehören Maßnahmen, die Anreize für nachhaltige Entscheidungen schaffen und nicht-nachhaltige Praktiken verhindern.
Fordern Sie, dass Produktions- und Konsummuster mit dem kritischen Zustand unseres Planeten in Einklang gebracht werden. Dies erfordert umfassende politische Maßnahmen, die sich mit den Umweltauswirkungen von Produktion und Verbrauch in allen Sektoren befassen.
Und mit Forderungen nach mehr internationaler Zusammenarbeit:
Fordern Sie Ihre Regierung auf, mit den Ländern des Globalen Südens zusammenzuarbeiten, um Entwicklungsansätze zu entwickeln, die die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Methoden, Gütern und Dienstleistungen verhindern. Dazu gehört die Priorisierung nachhaltiger Entwicklungsmodelle, des Technologietransfers und der finanziellen Unterstützung.
Fordern Sie eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Ländern des Globalen Südens, um die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung anzugehen, und erkennen Sie an, dass viele Entwicklungsländer mit unverhältnismäßigen Auswirkungen konfrontiert sind, obwohl sie weniger zu dem Problem beitragen. Dies erfordert gemeinsame Anstrengungen für Klimaschutz, Anpassung und Klimagerechtigkeit.
Interview: Thorsten Krafft
Ziel: 10.000 neue Mangroven am indischen Ozean – Potrait Maro Maua
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Maro Micah Maua ist Sonderbeauftragter für Klimagerechtigkeit in Kenia. Dass der Pfarrerssohn sich auf vielen Ebenen so vehement für dieses Thema engagiert, geht auch auf das zurück, was er in seiner Kindheit erlebt hat.
Zum Potrait
„Verteilungskonflikte“ ist für ihn nicht nur ein Wort. Zusammen mit seinen fünf Geschwistern hat Maro Maua als Kind hautnah mitbekommen, wie die Pokomo und die Oromo in Kenias nördlichen Küstenbezirk Tana River, unweit der somalischen Grenze, um Wasser stritten. Ebenso hat der heute 29-Jährige schon früh in seinem Leben erfahren, wie es ist, wenn das Wasser eines Flusses plötzlich über die Ufer tritt und alles zerstört: „Eines Tages, kurz vor Ende der Schulferien, hörte ich Schreie unserer Nachbarn. Es waren Warnrufe an alle, sich in Sicherheit zu bringen. Der Fluss Tana war über die Ufer getreten und das Wasser floss in die Siedlung. Vor dem Haus war es bereits auf Knöchelhöhe. Wir mussten schnell all unsere Habseligkeiten packen und für zwei Wochen landeinwärts auf höher gelegenem Terrain zelten und auf Hilfe der Regierung und von Hilfsorganisationen warten. In dieser Zeit konnte ich an nichts anderes mehr als an die Sicherheit meiner Familie, an Nahrung, an Unterkunft und an Kleidung denken. Da alle Straßen beschädigt waren, dauerte es Wochen, bis ich wieder zurück zur Schule konnte.“ Diese Erfahrungen, sagt Maro Maua, seien für sein heutiges Engagement in Sachen Klimagerechtigkeit enorm wichtig.
Seine Ausbildung begann im lutherischen Kindergarten der Küstenstadt Mombasa. Dort arbeitete sein Vater als Pfarrer. Mit 11 Jahren kam er in ein Internat, fiel durch gute schulische Leistungen auf und ging seinen Weg bis zur Technischen Universität von Kenia in der Hauptstadt Nairobi. 2014 graduierte er mit einem Bachelor in Industrieller und Angewandter Chemie (Bachelor of Technology).
Während dieser Zeit engagierte Maua sich in der Jugendarbeit der Kenianischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (KELC), bekleidete Ämter in der Jugendleitung auf regionaler wie auf nationaler Ebene und stellte fest: „Der Dienst in der Kirche prägt die moralische Autorität und formt die Werte und die Ethik, die von einer Gesellschaft erwartet werden. Kirche als Institution spielt eine proaktive Rolle bei der Gestaltung eines gerechten, friedlichen und transformativen Lebensstils in der Gesellschaft.“ Dass die KELC dabei ganz auf die Talente, die Fähigkeiten und das Fachwissen ihrer Jugend setzt und sie fördert, mache ihn „stolz“, sagt er.
An der Universität meldete er sich für ein Mentorenprogramm zum Thema „Klimawandel und Umwelt“ für jüngere Schülerinnen und Schüler. Dieses Engagement wurde zu seiner Passion: „Die Bekämpfung des Klimawandels ist von entscheidender Bedeutung, da sie alle anderen Ziele für nachhaltige Entwicklung miteinander verknüpft und zur Verwirklichung dieser Ziele beiträgt“, ist der Aktivist überzeugt. Um die Transformation in Gang zu bringen, vertritt er seine Positionen pointiert. Das hat ihm viel Anerkennung gebracht: Heute ist Maro Maua Vorsitzender des Klimawandel-Komitees der KELC. Zudem ist er Ansprechpartner für den Tana River Bezirk und für die kenianische Regierung, wenn es um Klimaschutz und Jugendinitiativen geht.
Als Jugenddelegierter seiner Kirche beim Lutherischen Weltbund nahm er 2021 zum ersten Mal an einer Weltklimakonferenz teil. Es war die COP26 in Glasgow. Maro Maua war virtuell dabei. Ein Jahr später in Ägypten war er vor Ort und einer der Redner*innen. Dabei, erinnert er sich, habe er erlebt „welch entscheidende Rolle glaubensbasierte Organisationen und vor allem die Jugend bei der Gestaltung der Entscheidungen spielen.“
Weniger gut sind seine Eindrücke von der 28. UN Klimakonferenz in Dubai: „Schon die Kommunikation war frustrierend, weil WhatsApp-Anrufe deaktiviert waren. Zudem musste man für jede Nebenveranstaltung die Genehmigung des Ministeriums für Toleranz einholen. Demonstrationen waren nicht zugelassen.“ Doch Maro Maua ist niemand, der den Kopf in den Sand steckt: „In der letzten Woche setzten wir Klimaaktivist*innen uns über alle Regeln hinweg und demonstrierten gegen Umweltverschmutzer und ihre Komplizen“, erzählt er.
Was die Wirkung seines Engagements auf seine kenianischen Landsleute angeht, ist Maro Maua optimistisch: „Immer mehr Menschen sind auf den Klimawandel aufmerksam geworden. Immer mehr Menschen steigen auf erneuerbare Energiequellen um. Die Menschen schützen die Artenvielfalt im Ozean und an Land, indem sie einheimische Bäume und Mangrovensetzlinge pflanzen. Abholzung gibt es immer seltener. Dafür machen sich immer mehr Gemeinden Gedanken über verantwortungsvolle Abfallentsorgung. Die Fortschritte sind enorm.“
Er selbst engagiert sich nicht nur in Gremien, sondern auch ganz praktisch und an allen Ecken und Enden, die mit Klimaschutz und Selbstermächtigung zu tun haben. Bis heute hat Maro Maua nach eigener Aussage „über 5000 Mangrovenbäume gepflanzt“. Und das soll weiter gehen: Noch in diesem Jahr will er weitere 10.000 Mangrovensetzlinge pflanzen. Zudem will der Aktivist bis August diesen Jahres eine Stiftung gründen, die sich ausschließlich auf die Förderung lokal geführter Initiativen konzentrieren soll. Er plant eine Kampagne für Nulltoleranz gegen Plastikverschmutzung in den Küstenbezirken und er will bei Landwirt*innen für nachhaltige Landwirtschaft werben, und sie dafür auch mit landwirtschaftlichen Betriebsmitteln wie Saatgut, Werkzeugen und Maschinen unterstützen. Als wäre das alles noch nicht genug, ist da noch sein Postgraduiertenstudium in Klimawandel- und Umweltpolitik. „Das möchte ich fortzusetzen, damit ich kompetenter werde. Denn ich beabsichtige, noch anspruchsvollere und herausforderndere internationale Rollen zu übernehmen“, kündigt er an. Nebenbei, so Maua, findet er aber auch Zeit für seine Hobbys Sport, Musik, Kochen und Reisen.
Die COP29 im November 2024 in Baku/Aserbeidschan hat der Aktivist fest im Blick. Bereits die Vorkonferenz vom 3. bis 13. Juni in Bonn will er aufmerksam verfolgen. „Die Sitzungen des Zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses zur Entwicklung eines Plastikvertrags sind enorm wegweisend.“
Ohne Zweifel: Maro Maua hat noch einiges vor. Und wer ihn kennt, wird bestätigen: Maro kommuniziert gern. Bereitwillig steht er Rede und Antwort zu den Themen, für die er brennt. Seine Einladung: „Sollten Leserinnen und Leser mit mir in Kontakt treten, Feedback geben, Partner sein oder meine Arbeit unterstützen wollen, können sie sich über meine WhatsApp-Nummer +254 729014882 oder meine E-Mail-Adresse maua.maro@yahoo.com melden.“
Klaus Dotzer
leitet bei Mission EineWelt das Referat Afrika
Maro Maua in den sozialen Medien:
https://x.com/MaroMaua/
https://instagram.com/maua_maro?igshid=OGQ5ZDc2ODk2ZA==
https://youtube.com/@maro_maua?si=lNva-oKzqAnglfZw
Materialien
Themenheft Klimagerechtigkeit
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E-Mail: medien@mission-einewelt.de
Telefon: 09874 9-1160
Videos
Pfarrerin Ivonn Jimenez von der Luth. Kirche in El Salvador (Mittelamerika) teilt ihre Gedanken zu Römer 8,18-23 zum Thema Klimagerechtigkeit unter dem Motto „Die ganze Schöpfung seufzt“ mit. Dabei geht sie auch auf darauf ein, was die luth.Kirche in El Salvador zu diesem Thema tut.
Gabrielle Thum, Vize-Koordinatorin des nationalen Jugendrats der Evang. Kirche Luth. Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) teilt ihre Gedanken zum Thema Klimagerechtigkeit und berichtet über die Aktivitäten der Evang. Jugend zu diesem Thema.
Ein mitreißender Song der zu mehr Engagement im Klimaschutz und zu Klimagerechtigkeit aufruft.
Jugendliche aus der Luth. Jugend von Honduras teilen ihre Gedanken zu Klimaschutz und erzählen von ihren Aktivitäten zum Thema.
Klimagerechtigkeit! Indigene Landwirtschaft im Zeichen der Klimakrise
Welche Folgen hat der Klimawandel für indigene Gemeinschaften in Paraná, Südbrasilien? Wie versuchen sie sich an die Veränderungen anzupassen und was bedeutet Klimagerechtigkeit angesichts dieser Situation?
Sandra Konig, Koordinatorin der NGO Outro Olhar (Der andere Blick), die sich im Bundesstaat Paraná in Brasilien gemeinsam mit den Guaraní-Gemeinschaften für eine
ökologische indigene Landwirtschaft einsetzt, die Menschen in der Anpassung an den Klimawandel unterstützt und zum Thema Klimagerechtigkeit aufklärt.