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„Wir brauchen ein echtes Willkommen“ – Gabriele Hoerschelmann kritisiert EU-Flüchtlingspolitik

Mit einer Delegation des Präsidiums der EKD-Synode war Mission EineWelt-Direktorin Gabriele Hoerschelmann auf der griechischen Insel Kos und in Athen unterwegs, um sich ein Bild von der Situation Geflüchteter an den EU-Außengrenzen zu machen. Eine Woche nach ihrer Rückkehr wird bekannt, dass die derzeitige Haushaltsplanung der Bundesregierung für 2025 auch massive Kürzungen bei der Finanzierung von Integrationskursen vorsieht. „Angesichts unserer gesellschaftlichen Realität läuft die Asyl- und Migrationspolitik gerade an allen Ecken und Enden in die falsche Richtung“, meint die Theologin.

Monument der Abschreckung: das Closed Controlled Access Center (CCAC) auf der griechischen Insel Kos (Foto: EKD/MCK)

Monument der Abschreckung: das Closed Controlled Access Center (CCAC) auf der griechischen Insel Kos (Foto: EKD/MCK)

Die Blaupause für die Materialisierung der künftigen EU-Asylpolitik trägt die Bezeichnung Closed Controlled Access Center (CCAC). Eines dieser Pilotprojekte steht mitten auf der griechischen Ferieninsel Kos. Ein standardisiertes Gebilde, für Gabriele Hoerschelmann ein „in Beton gegossenes Monument der Abschreckung“: Stahl, Beton, Stacheldraht, Wachtürme, Kameras, Container. 90 Hektar für nominell 2500 Geflüchtete. Im letzten Winter waren es 4000. Kontrolle ist der entscheidende Faktor: Es geht darum, die Ankommenden möglichst effizient zu erfassen und dann dem weiteren Procedere zuzuführen: Asylantrag oder Rückführung beziehungsweise Abschiebung. Die Lebensqualität im CCAC auf Kos ist dürftig. Defekte Klimaanlagen oder kaputte Klospülungen gehören zum Alltag. So etwas wie Schattenplätze oder Spielplätze für Kinder kommt im Masterplan der EU-Strateg*innen nicht vor. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berichtet über Nahrungsmittelknappheit, mangelhafte medizinische Versorgung und erschwerten Zugang zu rechtlicher Beratung. Auch Übersetzer*innen, die den Geflüchteten helfen könnten, die Abläufe der Maschinerie, in die sie sich begeben haben, wenigstens einigermaßen zu verstehen, gibt es zu wenige.

Das gesamte Vorgehen des Lagerpersonals sei einerseits geprägt „vom Bemühen, die Prozesse schnellstmöglich durchzuführen und gleichzeitig von widersprüchlichen und verwirrenden Verfahrensweisen“, schildert Gabriele Hoerschelmann ihre Eindrücke.

Gabriele Hoerschelmann am Strand von Kos inmitten von Überbleibseln gelückter und gescheiterter Versuche, die griechische Insel über das Mittelmeer zu erreichen (Foto: EKD/MCK)

Gabriele Hoerschelmann am Strand von Kos inmitten von Überbleibseln gelückter und gescheiterter Versuche, die griechische Insel über das Mittelmeer zu erreichen (Foto: EKD/MCK)

Selbst wer relativ zügig durch die bürokratischen Mühlen kommt, steht vor den nächsten Problemen. Menschen, die mit ihrem Antrag auf Asyl Erfolg hatten, müssen das Lager binnen 30 Tagen verlassen – egal, ob sie die notwendigen Papiere für die Weiterreise schon haben oder nicht. Im letzteren Fall ist die Freiheit keine Erlösung: Menschen, die auf ihre Reisedokumente warten müssen, bleiben ohne Geld und Wohnung sich selbst überlassen bis die Papiere kommen. Das wiederum kann bis zu einem Jahr dauern. Positiv beeindruckt ist die Mission EineWelt-Direktorin vom zivilgesellschaftlichen Engagement in Griechenland: „Der Einsatz und die Kreativität vieler ehrenamtlicher Gruppen ist beeindruckend. Er macht die Situation für Geflüchtete ein wenig erträglicher und sorgt wenigstens in Einzelfällen für Hoffnung und Perspektive“, sagt Hoerschelmann.

Unterm Strich spricht aus der Konzeption von Lagern wie dem auf Kos reine Abschreckung. Dementsprechend ernüchternd fällt Hoerschelmanns Fazit aus: „Die Message zwischen den Zeilen lautet eindeutig ‚bleibt weg‘. Von ‚Willkommen‘ ist für die Geflüchteten nichts zu spüren.“

Eine Willkommenskultur für Geflüchtete sei aber „dringend notwendig“, ist die Direktorin des internationalen Partnerschaftszentrums der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern überzeugt. Das könne man von internationalen Partnern lernen. „In armen Ländern wie Uganda wird eine Willkommenskultur für Geflüchtete gepflegt“, erläutert Hoerschelmann. „Diese bekommen dort nach der Registrierung sofort Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt und sogar Wahlrecht. Das zahlt sich aus. Viele finden Arbeit oder gründen Handwerksbetriebe und Unternehmen. Damit tragen sie wirksam zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bei.“

Dass in der aktuellen Haushaltsplanung der Bundesregierung für 2025 der Etat für Integrationskurse im Vergleich zu 2024 massiv gekürzt werden soll, hält die Direktorin von Mission EineWelt für „komplett falsch“. Das Gegenteil sei wünschenswert: „Wenn schon nicht Nächstenliebe, sollten doch wenigstens ökonomische Gründe wie vakante Ausbildungsplätze und der Fachkräftemangel Motivation für unsere Gesellschaft sein, Geflüchteten das Ankommen und Einfinden hier möglichst einfach zu gestalten.“

Auch von ihrer Kirche wünscht sich Hoerschelmann mehr Engagement: „Ich stelle mir vor, dass Kirchengemeinden Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, in ihre Gemeinschaft integrieren. Das Ziel wäre, als Gemeinde, die keinen Unterschied macht, wer woher kommt, zusammenzuwachsen.“ Dafür, solche Entwicklungen zu unterstützen, seien Ansätze wie das von der Nordkirche aufgelegte Programm „Interkulturelle Kirchenentwicklung“ zielführend, meint Hoerschelmann. „Das wünsche ich mir auch für die ELKB.“