Illustration: Heike Halbmann

Illustration: Heike Halbmann

 

Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Lk. 15,4

 

Das Bild von der Schafherde und dem Hirten, das Jesus gebraucht, um die Liebe Gottes zu uns Menschen zu veranschaulichen, war aus den Alltagserfahrungen der Menschen damals entlehnt. Sie wussten, Schafhaltung ist harte Arbeit mit wenig Ertrag, deshalb ist jedes Tier wichtig, zählt jedes Schaf.

Wenn man in unserer heutigen Industriegesellschaft überhaupt einmal eine*n Schäfer*in mit seinen*ihren Schafen zu Gesicht bekommt, dann hinterlässt das eher einen beschaulichen Eindruck. Man könnte meinen, die Hauptarbeit verrichten die Hütehunde, während der*die Schäfer*in gemütlich dabeisteht. Wir sehen und wissen nicht, was da für eine Arbeit dahintersteckt. Für Schäfer*innen gilt aber heute noch genauso: Schafhaltung ist harte Arbeit mit wenig Ertrag. Das ist der Hauptgrund, warum wir heute so selten Schäfer*innen mit ihren Schafen übers Land ziehen sehen. Man muss diesen Job lieben, denn modernen Kosten-Nutzen-Rechnungen hält er kaum stand.

So spricht dieses fast antiquiert wirkende Bild auch heute noch zu uns. Gott muss uns wirklich lieben, wenn er sich so viel Mühe mit uns Menschen macht. Jeder Mensch zählt für ihn, jede*r ist wichtig. Wir können uns bis zu heutigen Tag darauf verlassen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln …

 

Andacht: Günter Fischer, Tagungsstätte, Mission EineWelt

Illustration: Heike Halbmann, Öffentlichkeitsarbeit, Mission EineWelt

 

 

What man is there among you who has a hundred sheep and, if he loses one of them, does not leave the ninety-nine in the wilderness and go after the one that is lost until he finds it? Lk 15:4

 

The image of the flock of sheep and the shepherd that Jesus uses to illustrate God’s love for us humans was borrowed from the everyday experiences of people at that time. They knew sheep herding is hard work with little return, so every animal is important, every sheep counts.

In today’s industrial societies, if you ever see a shepherd with his sheep, it leaves a rather contemplative impression. One could think that the main work is done by the herding dogs, while the shepherd stands comfortably by. We do not see and do not know what kind of work is behind it. For shepherds today, however, it is still just as true: Sheep herding is hard work with little return. This is the main reason why we see so few shepherds roaming the countryside with their sheep today. You have to love this job, because it hardly stands up to modern cost-benefit calculations.

So this almost antiquated image still speaks to us today. God must really love us if he takes so much trouble with us humans. Every person counts for him, every person is important. We can rely on it to this day: The Lord is my shepherd, I shall not want …

 

Prayer: Günter Fischer

Illustration: Heike Halbmann

Illustration: Daniela Denk

Illustration: Daniela Denk

 

Ein neues Jahr beginnt, und wir nehmen die Herausforderungen, vor die wir gestellt werden, wieder neu an. Ich wünsche Ihnen allen an dieser Stelle ein gesegnetes neues Jahr und einen guten Start in die kommenden Monate. Wir beginnen die Reihe der Andachten im Jahr 2021 wie immer mit der Jahreslosung:

Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Lukas 6,36

Man kennt es aus der Weltpolitik der letzten Jahre: Der US-Präsident erhebt Strafzölle auf Waren aus China, und Peking revanchiert sich umgehend. Und seit sich China für Afrika interessiert, eskaliert dort der Kampf um Einfluss, Bodenschätze und Land. Andere Staaten ahmen Chinas Verhalten nach. Wie wird das enden? Man ahnt es. Der eine ahmt den anderen nach und versucht, ihn dabei zu übertreffen, um die Oberhand zu gewinnen.

Der Religionswissenschaftler René Girard nennt diesen Kreislauf von Nachahmung einen „mimetischen Konflikt“. Der Mensch ist ein mimetisches Tier, dessen Wesen die Nachahmung ist. Sobald einer ein Objekt begehrt, weckt er das Begehren des anderen. So entsteht eine mimetische Rivalität zwischen den Menschen. Und wenn niemand diesen Kreislauf durchbricht, steigert er sich bis zum Äußersten. Girard zeigt, wie viele antike Mythen auf dieser Mechanik basieren. Sündenböcke müssen gefunden werden, und am Ende stirbt der opferbereite Held.

Das Judentum und das Christentum aber wurden sich bewusst, dass diese Form der Konfliktlösung unmenschlich ist und letztlich keinen Ausweg aus der Krise weist. Die Evangelien schließlich machen Schluss mit diesem Kreislauf der Gewalt bis zum Äußersten. Jesus kommt in die Welt, um ihr die Augen zu öffnen. Er weiß, dass man die mimetische Natur des Menschen nicht ändern kann. Aber man kann sie umlenken. Sie sollen ihm nacheifern, dem machtlosen Messias. Sie sollen nicht um das Böse und um Macht wetteifern, sondern um das Gute: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Die Jahreslosung für dieses Jahr ist unsere Aufgabe, um Wege aus dem Gewirr der Konflikte zu finden.

 

Andacht: Gabriele Hoerschelmann, Direktorin Mission EineWelt

Illustration: Daniela Denk, Öffentlichkeitsarbeit, Mission EineWelt

 

Literaturhinweis: René Girard: Das Ende der Gewalt, Analysen des Menschheitsverhängnisses, 2009.

 

 

In the world politics of the past years it seems to be familiar to us: The US President implements punitive duties for imported goods from China. Immediately Beijing seeks revenge. And since China is interested in Africa, the struggle for influence, natural resources and land is escalating. Other countries imitate China. How will this end? We can only imagine. One will imitate the other and tries to beat him in order to win.

René Girard, a professor for Religious Studies, calls these circles of imitation “mimetic conflicts”. The human being is a mimetic creature and his nature is imitation. As soon as somebody desires an object, it stimulates the desire of somebody else. This way the mimetic rivalry among humans evolves. And if nobody stops this circle, it will be carried to the extremes. Girard shows how the mythologies of the antiques are based on this mechanism. Scapegoats must be found and in the end, the heroe willing to make sacrifices must die. However, Judaism and Christianity became aware that this way of conflict resolution is inhuman and does not show the way out of the crisis. The gospel finally ends this circle of violence. Jesus came into the world to open our eyes. He knew that one cannot change the mimetic nature of the people. But one can divert it. They shall imitate him, the powerless Messiah. They shall not compete for power and the evil but for the good: “Have mercy, as your father has mercy!” The watchword for this year is our task and shows us the way out of the many conflicts around us.

 

Prayer: Gabriele Hoerschelmann

Illustration: Daniela Denk