Foto: Initiative lieferkettengesetz.de

Voraussichtlich am 13. Dezember verhandeln die gesetzgebenden Organe der EU, Kommission, Rat und Parlament, zum mittlerweile fünften Mal über den finalen Gesetzestext zum EU-Lieferkettengesetz. Gibt es in diesem sogenannten Trilog eine Einigung, geht der Gesetzesentwurf zur Abstimmung ins EU-Parlament. Es könnte also sein, dass das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode zustande kommt. Viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen, hoffen, dass dieser Fall eintritt.

Auch Mission EineWelt setzt sich unter anderem als Mitglied der Initiative Lieferkettengesetz (lieferkettengesetz.de) für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein. „Es wäre jetzt extrem wichtig, dass Europa die Belange der Menschen in den Ländern des Globalen Südens endlich nachvollziehbar ernstnimmt“, fordert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt. Es geht um die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten und es geht um Umwelt- und Klimaschutz. Für Menschen in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern ist ein Job bei Unternehmen aus den Industrieländern oder deren Zulieferbetrieben nicht gleichbedeutend mit sozialem Aufstieg. Ob es um die Produktion von Kleidung, die Förderung von Rohstoffen oder den Anbau von Nahrungsmitteln geht: Die Arbeitsbedingungen sind vielerorts unsäglich. „Das Spektrum reicht von gesundheitsschädlich bis hin zu akut lebensgefährlich“, erklärt Bergmann. „Dazu reicht der Lohn oft noch nicht einmal für die Existenzsicherung und die Menschen müssen auch noch zusehen, wie ihre Lebenswelt rücksichtslos zerstört wird.“ Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder werde dadurch mehr behindert als gefördert. So weiterzumachen sei, resümiert Bergmann, „wenn schon nicht aus Idealismus und Menschenliebe“ angesichts diverser Krisen, die auch aus dieser ausbeuterischen Form des Wirtschaftens entstanden seien, auch unter pragmatischen Gesichtspunkten „keine gute Idee“.

Ein möglichst starkes, wirksames Lieferkettengesetz auf EU-Ebene könnte die Situation erheblich verbessern. Es würde einerseits europäische Unternehmen dazu verpflichten, für die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie von Umweltschutzmaßnahmen entlang ihrer Lieferketten zu sorgen. Andererseits bekämen Leidtragende von Verstößen gegen diese Rechte die Möglichkeit, die Verursacher vor Gericht haftbar zu machen.

Aber ob das Gesetz in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments zustande kommt, ist ungewiss. Selbst bei einer Einigung im Trilog ist die Verabschiedung durch das Parlament nicht garantiert. Auch die deutsche Bundesregierung verhält sich zögerlich und kann sich bis dato nicht durchringen, die Unternehmen konkret in die Pflicht zu nehmen. „Das ist unter rationalen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar“, wundert sich Jürgen Bergmann. „Je weiter der Geltungsbereich eines Lieferkettengesetzes weltweit reicht, desto mehr Unternehmen müssen sich an diese Regeln halten. Weltweite Regeln würden also für fairen Wettbewerb sorgen und auch die vom deutschen Lieferkettengesetz erwarteten Nachteile für hiesige Unternehmen beseitigen.“ An letztere glaubt der Agrar-Ökonom ohnehin nicht: „Unter anderem in der Spielzeugindustrie sehen wir schon jetzt, wie die Einhaltung menschen- und umweltrechtlicher Standards zum Wettbewerbsvorteil wird. Die Verbraucher*innen wollen Produkte, für deren Erwerb sie sich nicht schämen müssen.“

Zusammen mit der Initiative Lieferkettengesetz bittet Mission EineWelt die Menschen in Deutschland darum, sich an einem Mailing zu beteiligen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auffordert, sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Der Link zum Mailing: https://lieferkettengesetz.de/

Maro Maua, Global Youth Advocate for Sustainable Development Goals

Maro Maua, Global Youth Advocate for Sustainable Development Goals

Eigentlich wollen alle Plastikmüll vermeiden. Doch manche haben andere, für sie wichtigere Interessen. Also bleibt erstmal alles, wie es ist, und die Verschmutzung geht weiter. Wasch mich, aber mach mich nicht nass: So könnte man die 3. Verhandlungsrunde für ein UN-Abkommen zur weltweiten Eindämmung von Plastikmüll zusammenfassen.

Sieben Tage bis 19. November 2023 hatten sich die rund 1900 Delegierten der 161 UN-Mitgliedsstaaten und der 318 Beobachterorganisationen Zeit genommen, um aus dem Zero Draft, einer Sammlung verschiedener Möglichkeiten und Ansätze zur Plastikmüllvermeidung und -beschränkung, einen ersten Vertragstext zu entwickeln. Trotz der von vielen Seiten anerkannten und forcierten Dringlichkeit, etwas gegen die fortschreitende Flutung mit Kunststoffen aller Art zu unternehmen, konnten sich die Delegierten nicht einigen.

Vornehmlich waren es erdölproduzierende Staaten wie Saudi-Arabien oder Russland, die eine Einigung blockierten. Aber auch China, die USA oder Indien haben, genau wie Europa als Heimat führender Chemiekonzerne, wirtschaftliche Interessen, die zumindest in Richtung eines möglichst aufgeweichten Abkommens gehen. Für die Vertretung der Interessen von Erdöl- und Chemieindustrie waren 143 Lobbyist*innen auf den Plan getreten. Etwa ein Drittel mehr als bei der zweiten Verhandlungsrunde. Auch sie haben nach Einschätzung vieler Delegierter einen gewichtigen Anteil daran, dass kein Konsens erzielt werden konnte.

Einer der Delegierten war Maro Maua aus Kenia, der für den Lutherischen Weltbund auch an den UN-Klimakonferenzen teilnimmt. Der „Global Youth Advocate for Sustainable Development Goals“ findet drastische Worte über den Ausgang der Verhandlungen zur Plastikmüllvermeidung: „Die Eröffnung der Verhandlungen wurde vom gastgebenden kenianischen Präsidenten William Ruto geleitet, der die Mitglieder aufforderte, sich den ‚Geist von Nairobi‘ zunutze zu machen, der für Zusammenarbeit und Einigkeit steht. Die internationale Gemeinschaft schlachtete jedoch genau diesen Geist ab.“ Das „Scheitern“ bei der Findung einer Einigung werde „als großer Rückschlag für den Fortschritt in die Geschichte eingehen“.

Nun, so Maua, liege die Aufmerksamkeit auf dem nächsten UN-Klimagipfel, der am 30. November 2023 in Dubai beginnt. Angesichts der dort erwarteten Armada von Lobbyist*innen für fossile Brennstoffe ist aus seiner Sicht hinsichtlich eines konstruktiven Ergebnisses nicht allzuviel zu erwarten: Wahrscheinlich sei auch dort das Scheitern der Diplomatie: „Normalerweise ist es ein vorsichtiger Schritt nach vorne und zwei rückwärts.“

Mit Blick auf die Zukunft der Menschheit ist Zuversicht derzeit eine schwierige Übung.

Traueranzeige der ELCT für Altbischof Erasto Kweka Foto: ELCT

Traueranzeige der ELCT-Norddiözese für Altbischof Erasto Kweka
(Fotomontage: ELCT-Nordiözese)

Am 25. November 2023 ist Erasto Kweka im Alter 89 Jahren gestorben. Er hat als Bischof der ELCT-Norddiözese das Leben und Wachstum der lutherischen Kirche in einer entscheidenden Phase geprägt. In seiner Amtszeit von 1976 bis 2004 steuerte er weit über die Grenzen seiner Diözese hinaus die Zusammenarbeit von Kirche und Staat. In dieser Zeit war er als einflussreiche Persönlichkeit in Kontakt mit den drei Staatspräsidenten, die damals das Land regierten. Julius Nyerere, Ali Hassan Mwinyi und Benjamin Mkapa führten Tansania in dieser Periode vom sogenannten afrikanischen Sozialismus zur Marktwirtschaft.

Auch die Umstellung vom Ein- zum Mehrparteien-System fiel in diese Zeit. Das hatte große Auswirkungen auf das tägliche Leben der Menschen und die Aufgaben der gesellschaftlich bedeutenden lutherischen Kirche. Bischof Kweka hat sich den damit verbundenen Herausforderungen mit Zuversicht und starkem Willen zu Erneuerung und Aufbruch gestellt.

Tansania ist ein multireligiöser Staat. Es bleibt beeindruckend, wie Erasto Kweka den gemäßigten Muslim*innen die Hand reichte und auch Unterstützung anbot, um extremistischen Strömungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er tat das auch im Hinblick auf das Wohlergehen der ihm anvertrauten Christ*innen. Sein Weitblick dient bis heute als Vorbild.

Persönliche Begegnungen mit Bischof Kweka hinterließen immer einen tiefen Eindruck. Wenn Gäste seine Diözese besuchten, lud er sie gerne zu sich nach Hause ein, wo seine Frau Shichanaisaria für gastliche Atmosphäre sorgte. Wenn beim Erntedanfest getrommelt wurde, tanzte er mit. Als die Piste zur Bibelschule Mwika überschwemmt war, krempelte er die Hosen hoch und watete barfuß den restlichen Weg dorthin. Kweka wollte in seinem Amt ein Diener der Menschen sein. Eine ähnliche Haltung erwartete er von den Pfarrern und später auch Pfarrerinnen seiner Diözese.

Mit Erasto Kweka verliert die ELCT einen menschenfreundlichen und zugewandten Alt-Bischof, der seine Kraft aus einer tiefen Verbundenheit zu Jesus Christus holte. Beim Jubiläumsgottesdienst zur Feier des Beginns der Mission in der Norddiözese sagte er im Jahr 2018 im persönlichen Gespräch in Ashira: „Wir werden alt. Kommt bei uns vorbei.“ Nun ist er selbst an einen gastfreundlichen Tisch geladen.

 

Maja Kohler

Maja Kohler hat, entsendet von Mission EineWelt, viele Jahre in der ELCT-Norddiözese gelebt und gearbeitet. Dabei ist sie Bischof Kweka immer wieder begegnet.

Spielzeugherstellung bedeutet für die Arbeitenden oft Arbeit im Akkord unter miserablen Bedingungen Foto: Initiative Romero

Spielzeugherstellung bedeutet für die Arbeitenden oft Schuften im Akkord unter miserablen Bedingungen
Foto: Initiative Romero

Pünktlich zum Black Friday und zum Beginn des Weihnachtsgeschäfts hat die Romero Initiative (CIR) einen neuen Toys Report über die Arbeitsbedingungen in der Spielzeugproduktion veröffentlicht. Der Fokus liegt diesmal auf Vietnam. Ein weiterer Schwerpunkt des Reports ist die immer gefährlicher werdende Situation für verdeckte Ermittler*innen, durch deren Einsatz das Aufdecken von Missständen überhaupt erst möglich wird.

Zahlreiche Überstunden, keine ausreichende Schutzkleidung und Diskriminierungen – Interviews mit Arbeiter*innen offenbaren die prekären Arbeitsbedingungen in vietnamesischen Spielzeugfabriken. Der von der Romero Initiative (CIR) in Zusammenarbeit mit einer vietnamesischen NGO erstellte Toys Report zeigt, dass Frauen und Saisonarbeiter*innen davon besonders oft betroffen sind. So gilt für Frauen zum Beispiel häufig ein Schwangerschaftsverbot, das mit unangekündigten Tests einhergeht. Niedrige Löhne zwingen sie zu exzessiven Überstunden, um ein Einkommen zu sichern, das am Ende aber nicht zum Leben ausreicht. „Gerade Aktionstage wie der Black Friday, an denen der Einzelhandel mit Schnäppchen um sich wirft, verschlimmern die Arbeitsbedingungen zusätzlich. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wird die Produktionsmenge erhöht – auf Kosten der Arbeitenden, die noch weniger Pausen bekommen und bis zur Erschöpfung am Fließband stehen“, so Anna Backmann, CIR-Referentin für nachhaltiges Spielzeug und Unternehmensverantwortung. Zwar wird Spielzeug nach wie vor überwiegend in China produziert. Durch die steigenden Produktionskosten zieht es aber immer mehr namhafte Hersteller, wie Lego oder Mattel, in billigere Produktionsländer. Beide Unternehmen bauen in Vietnam derzeit eigene Fabriken für Millionenbeträge.

„Es ist unerträglich, wie aus reiner Profitgier Menschlichkeit und Fairness gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern unterschlagen werden. Der neue Toys Report 2023 zeigt leider: Die Spielzeugindustrie ist da keine Ausnahme. Wir sollten uns für faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz überall auf der Welt einsetzen: Unternehmen müssen ihre Lieferketten transparent machen und Kommunen können bei der Beschaffung auf Siegel wie das der Fair Toys Organisation achten, das auch Konsument*innen bei der Kaufentscheidung hilft. Auf EU-Ebene muss das neue Lieferkettengesetz dafür sorgen, dass Menschenrechte auch in der Spielzeugproduktion vor Gericht einklagbar werden“, fordert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt und Mitglied in der Fair Toys Organisation.

Zudem leben Ermittler*innen, die verdeckt in Fabriken arbeiten, um die Missstände in der Spielzeugproduktion aufzudecken, immer gefährlicher. In der Vergangenheit kam es zu massiven Bedrohungen gegenüber den verdeckten Ermittler*innen, wenn diese enttarnt wurden. Während einer Undercover-Recherche in einer chinesischen Spielzeugfabrik musste eine Person zu ihrem Schutz sogar kurzfristig außer Landes geflogen werden. „Das zeigt uns, dass Unternehmen davon profitieren, ihre Arbeitsbedingungen zu verschleiern,“ so Backmann. In Vietnam habe man komplett von einem Einsatz verdeckter Ermittler*innen abgesehen, da dies viel zu gefährlich gewesen sei.

Ohne Transparenz und Klarheit über die vorherrschenden Arbeitsbedingungen, wird es noch schwieriger, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. „Die Situation für die Arbeitenden wird so perspektivisch eher schlechter als besser. Dieses Versteckspiel der Spielzeughersteller muss aufhören!“, fordert Anna Backmann.

Am 15. November 2023 ist Georg Kamm mit 83 Jahren in seinem Haus in Mailisita bei Moshi/Tansania verstorben. Mit ihm geht ein Mensch, der aus den alltäglichen Erfahrungen und Herausforderungen mit Kreativität, Leidenschaft und Idealismus innovative Lösungen erdachte und umsetzte. Der gelernte Schreiner und Anästhesiepfleger entwickelte in Tansania ein Verfahren, mit dem sich mittels reverser Osmose steriles Wasser für Infusionslösungen kostengünstig herstellen lässt. Zahlreiche solcher „Infusionunits“ wurden im Kongo, in Äthiopien, Kenia, Uganda, Sierra Leone, Liberia und anderen Ländern implementiert. So konnten ungezählte Menschenleben gerettet werden. Zudem schrieb Kamm ein Anästhesie-Lehrbuch und hielt international viele Vorträge. Für seine Leistungen erhielt er mehrere Ehrungen in verschiedenen Ländern, darunter auch das Bundesverdienstkreuz.

Georg Kamm wurde am 16. Oktober 1940 in Rothenburg ob der Tauber geboren. Als junger Mann reiste er zum Dienst nach Machame in Tansania aus. Dort arbeitete er jahrzehntelang für das Missionswerk Bayern, heute Mission EineWelt: zunächst im Machame Hospital, später im Infusionsprojekt der Saint Luke Foundation in Moshi, wo nach wie vor Medikamente hergestellt und Fachpersonal für Pharmazeutika ausgebildet werden. Im Jahr 2005 ging Georg Kamm in den Ruhestand.

Wir denken in herzlicher Anteilnahme an seine Frau Maria, die Kinder und Enkel und an alle, die um Georg Kamm trauern, und hoffen, dass er sehen möge, was er als Missionar geglaubt und mit Tat und Wort verkündigt hat.

`Mungu amlaze mahali pema, apumzike kwa amani´ – Möge er in Frieden ruhen, am schönsten Platz.

Claus Heim

Tansaniareferent Mission EineWelt

War virtuell bei der Preisverleihung dabei: Anne Mäusbacher von den Beach Cleaner*innen

War virtuell bei der Preisverleihung dabei: Anne Mäusbacher von den Beach Cleaner*innen

Im Rahmen des Projektwettbewerbs zur Woche ohne Plastik 2023 wurden Anne Mäusbacher für ihre Beach Cleaner-Projektkooperation mit der Ocean School in Marokko und die Kirchenpartnerschaft München-West und Konde/Tansania für einen gemeinsamen Workshop und ein Plakat zur Plastikmüll-Problematik mit jeweils 1000 Euro prämiert. Den Preis für die Kirchenpartnerschaft München-West und Konde nahmen Carola Bilitik und Susanne Kießling-Prinz entgegen.

Und so lautete die Aufgabe: „Erstellt zusammen mit Euren internationalen Partnerschaftsgruppen eine Dokumentation zum Umgang mit Plastik und entwickelt

Susanne Kießling-Prinz und Carola Bilitik (v.l.n.r.) von der Partnerschaft München-West und Konde

Susanne Kießling-Prinz und Carola Bilitik (v.l.n.r.) von der Partnerschaft München-West und Konde

Ideen zur Vermeidung von Plastik im Alltag, Wiederverwendung oder zur nachhaltigen Entsorgung.“

Mehr zur Woche ohne Plastik und zum Projektwettbewerb:

https://mission-einewelt.de/kampagnen/eine-woche-ohne-plastik/

Forderte zum Handeln in Sachen Klimagerechtigeit auf: Jack Urame, Bischof der ELC-PNG

Forderte zum Handeln in Sachen Klimagerechtigeit auf: Jack Urame, Bischof der ELC-PNG

„Es ist an der Zeit, mit dem Reden aufzuhören und zu handeln“, brachte Jack Urame, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG), seine Ausführungen zum Thema „Klimagerechtigkeit“ auf den Punkt. Besonders in den Gesellschaften der Industrieländer des Globalen Nordens ist dieser Punkt ein wunder. Und für die bayerischen Dekanatsmissionsbeauftragten und -pfarrer*innen, die sich von 9. bis 12. November zu ihrer jährlichen Tagung bei Mission EineWelt versammelten, irgendetwas zwischen Bestätigung und Herausforderung.

In einfachen Worten zeigte Urame die Zusammenhänge auf, die dazu führen, dass „Klimagerechtigkeit“ das Mega-Thema dieser Tage ist und wohl, das ist zu befürchten, auf absehbare Zeit auch bleiben wird. „Globale Unternehmen beuten unsere Ressourcen aus, aber der Lebensstandard der Menschen in Papua-Neuguinea verbessert sich nicht“, kritisierte der Theologe und deklinierte die globale Nord-Süd-Schieflage am Beispiel seines Landes durch: Bergbau, Tiefseebergbau, die Verklappung der teils hochgiftigen Abfälle und die Folgen von Atomtests im Pazifikraum zerstören das Ökosystem und die Lebensgrundlage ebenso wie die Gesundheit vieler Menschen. Dazu kommt noch der Anstieg des Meeresspiegels durch den Klimawandel, der schon dazu geführt hat und noch dazu führen wird, dass bewohnte Inseln untergegangen sind beziehungsweise demnächst untergehen werden. Urame vergaß auch nicht zu erwähnen, dass nicht Papua-Neuguinea den Klimawandel verursacht, sondern hauptsächlich die reichen Industrieländer. Der Globale Süden leidet unter dem ökonomischen und ökologischen Raubbau des Globalen Nordens. Das Fazit des Bischofs war so glasklar wie einleuchtend: „Das ist nicht fair.“

Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global, forderte angesichts des Klimawandels ein grundsätzliches Umsteuern

Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global, forderte angesichts des Klimawandels ein grundsätzliches Umsteuern

Vorher hatte Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt, akribisch genau und mit Zahlen belegt, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten, sondern die Erderwärmung bestenfalls auf 1,5 bis 1,6 Grad begrenzt werden kann. Dafür, so der promovierte Agrarökonom, seien allerdings „sofortige und tiefgreifende Änderungen erforderlich“. Was bis jetzt passiert, reicht bei Weitem nicht: „Wenn die Staaten dieser Welt so weitermachen wie bisher, wird sich die zu erwartende Erderwärmung laut Weltklimarat bei plusminus 2,7 Grad bewegen. Wenn die Staaten ihre Klimaziele einhalten, wäre die Erderwärmung immer noch bei 2,4 Grad. Wenn alle Versprechungen eingehalten werden würden, wären rund 1,8 Grad möglich“, referierte Bergmann. Für das 1,5-Grad-Ziel müsste also noch einmal mehr getan werden.

Das alles ist nicht neu. Das machte auch Jürgen Bergmann deutlich: „Ich habe den mehr oder weniger gleichen Vortrag schon vor 10 Jahren gehalten. Schon damals waren die Fakten bekannt und das Bewusstsein vorhanden“, erklärte er. Über die Gründe, warum trotzdem so wenig gegen den Klimawandel getan wird, sagte Jack Urame: „Gottes Schöpfung wird immer mehr kommerzialisiert und mit Preisschildern versehen. Die Ausbeutung von Ressourcen für den Profit der Mächtigen ist ein ungerechtes Wirtschaftsmodell, das uns versklavt und nicht befreit. Wir als Kirchen kämpfen um Gerechtigkeit.“ Auch Jürgen Bergmann forderte ein grundlegendes Umsteuern weg von „expansiven Energieansprüchen“ hin zu einem grundsätzlichen Umdenken auch in Sachen Lebensstil.

Die "Big Points" nicht vergessen: Karl Mehl, Maiken Winter und Sonja Manderbach (v.l.n.r.) von der Letzten Generation forderten zum politischen Engagement für wirksames Handeln gegen den Klimawandel auf

Die „Big Points“ nicht vergessen: Karl Mehl, Maiken Winter und Sonja Manderbach (v.l.n.r.) von der Letzten Generation forderten zum politischen Engagement für wirksames Handeln gegen den Klimawandel auf

Dafür setzen sich auch die Kirchenmusikerin Sonja Manderbach, die Biologin Maiken Winter und ihr Mann, der Theologe Karl Mehl, ein, die am 11. November mit den Teilnehmenden der Tagung diskutierten. Die drei Aktivist*innen sind jenseits der 40 und schon lange in Sachen Umwelt- und Klimaschutz aktiv. Und sie sind Mitglieder der Letzten Generation. Auf die Frage nach ihrer Motivation antwortete Manderbach mit einer Art Credo: „Es brennt, aber niemand löscht. Wir sind der Feueralarm. Wir stören da, wo Verdrängung passiert.“ Auch Maiken Winter zeigte sich sicher: „Das, was wir machen, reicht nicht aus. Wir sind leider an dem Punkt, wo diese radikalen Aktionen notwendig sind.“ Bei allem persönlichen Engagement sei es zudem wichtig, „die Big Points nicht zu vergessen“, appellierte Karl Mehl an die Zuhörer*innen, nicht nur ihren eigenen Lebensstil zu verändern, sondern sich auch für ein politisches Umsteuern zu engagieren. „Wir dürfen unser gutes Gewissen nicht in Demeter-Brühwürfeln ersäufen.“ Im Moment sehe „alles richtig scheiße aus“, so der Pfarrer weiter, aber man dürfe jetzt nicht „alles hinschmeißen“.

Unterm Strich bleibt die Hoffnung, dass Jürgen Bergmann seinen Vortrag in 10 Jahren nicht nochmal halten muss, weil die Zeit zum Handeln gegen den Klimawandel doch noch erfolgreich genutzt wurde.

Mission EineWelt-Pazifik- und Ostasienreferent Pfarrer Thomas Paulsteiner hat im Rahmen seiner Dienstreise nach Kambodscha an einem besonderen Gottesdienst teilgenommen. Frau Steyliak Touch wurde am 9. November als erste Bischöfin der Lutheran Church in Cambodia (LCC) ins Amt eingesetzt. Unsere Partnerkirche in Singapur, die Lutheran Church in Singapur (LCS), hatte bereits vor gut 20 Jahren mit ihrer Missionsarbeit im südostasiatischen Königreich Kambodscha begonnen. Die heutige Bischofseinsetzung ist eine Frucht dieser Arbeit.
Installiert wurde Steyliak von Bischof LU Guan Hoe aus Singapur. Am feierlichen Gottesdienst in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh nahmen Bischöfe und Kirchenleitende aus Malaysia, Hongkong, Japan, Australien, USA, Finnland, Südafrika und Deutschland teil. Als erste Amtshandlung ordinierte die frisch gebackene Bischöfin eine Pfarrerin und drei Pfarrer zum geistlichen Amt.
Im Anschluss an die feierliche Amtseinsetzung durch Bischof LU Guan Hoe aus Singapur hatte Thomas Paulsteiner die Gelegenheit zu einem Grußwort. Er überreichte der neuen Bischöfin unseren grünen Fair-Trade-Regenschirm und wünschte ihr für ihre Amtszeit in Anlehnung an Psalm 91, dass der Schirm des Höchsten sie und ihre Gemeindemitglieder allzeit vor Unwettern schütze und bewahre. Die frisch gebackene Bischöfin freute sich sichtlich über das Zeichen internationaler Verbundenheit über die Kontinente hinweg. Beim Gruppenfoto mit den frisch installierten Pfarrer*innen und Mitarbeitenden der lutherischen Kirche war Allen die Begeisterung anzusehen.
Mission EineWelt ist über die LCS und das Mekong Mission Forum mit der noch jungen lutherischen Kirche in Kambodscha verbunden.

Pfarrer Thomas Paulsteiner bei der „Schirm-Übergabe“ an die neue Bischöfin Steyliak Touch.

Nachdem sie am Samstag, den 28. Oktober, zum großen Empfang am Abend Abschieds- und Begrüßungsworte bei Mission EineWelt gesprochen und am Sonntag am Gottesdienst zur Einsetzung des neuen Landesbischofs Christian Kopp teilgenommen hatten, ging es für die Bischöfe aus verschiedenen internationalen Partnerkirchen der ELKB am Montag mit dem Seminartag in Neuendettelsau gleich weiter:

Landesbischof – nunmehr a.D. – Heinrich Bedford-Strohm ließ es sich nicht nehmen, wenigstens für einige Stunden dabei zu sein, um Zeit mit den Freundinnen und Freunden aus Papua-Neuguinea, Tansania, Brasilien und vielen anderen Ländern zu verbringen. Als Moderator im Ökumenischen Rat der Kirchen wird er der weltweiten Kirchengemeinschaft, die ihm eine Herzensangelegenheit ist, weiter dienen können.

Im Zentrum der Gespräche im Rahmen des Seminars stand der Bibelvers „Seek the welfare of the community“. Im persönlichen Austausch zeigte sich, wie spannend es sein kann, wenn man sich aus seinem eigenen kulturellen und biographischen Kontext zu den Worten äußert, die im Deutschen mit „Suchet der Stadt Bestes“ wiedergegeben werden.

Daran schloss sich mit Heinrich Bedford-Strohm eine Diskussion über Herausforderungen in der ökumenischen Arbeit an. Später konnten die Bischöfe erzählen, welche Themen sie aktuell in ihren Kirchen bewegen und wie zukünftige Schritte aussehen könnten. Die unterschiedlichen Sorgen verschiedener Kirchen und Länder, – von misleading theologies bis hin zur Perspektivlosigkeit der Jugend -, kamen hierbei zum Ausdruck. Ein Fazit kann gar nicht wiedergeben, wie intensiv und tief die Gespräche waren. Klar ist, dass Partnerschaft und Austausch unabdingbar sind. „Walking side by side“ soll auch in Zukunft großgeschrieben werden.

Nun steht der Ausblick auf ein mögliches Treffen in einem anderen Partnerland im Raum. Darüber hinaus wünschen sich die Vertreter*innen der Partnerkirchen eines ganz besonders: Eine gute zukünftige Zusammenarbeit mit dem neuen Landesbischof Christian Kopp. Und wer weiß, möglicherweise wird das nächste gemeinsame Treffen bereits in Afrika stattfinden.

Stella Gruber

Caroline Shedafa, Kirchenvorstandsvorsitzende der Deutschsprachigen Gemeinde in Dar es Salaam im Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war als erster deutscher Staatsvertreter vom 30. Oktober bis zum 1. November auf offiziellem Staatsbesuch in der Republik Tansania. Bei seinen Gesprächen mit der tansanischen Staatspräsidentin Samia Suluhu Hassan in der Hauptstadt Dar es Salaam hat er u.a. die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit betont. Auch Staatspräsidentin Hassan unterstrich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz das Ziel, Handel und Investment zwischen beiden Staaten zu erweitern. Steinmeier wünschte sich insbesondere eine verstärkte Förderung im Bereich der Erneuerbaren Energien.

Das weitere große Schwerpunktthema von Steinmeiers Reise war die koloniale Vergangenheit im ehemaligen Deutsch-Ostafrika. Tansania gehörte ab 1888 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zur deutschen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“. Deshalb reiste der Bundespräsident am zweiten Besuchstag in die 1.000 km südwestlich der Hafenmetropole Dar es Salaam gelegene Stadt Songea, um dort die Gedenkstätte des Maji-Maji Krieges zu besuchen. Der Maji-Maji Krieg von 1905 bis 1907 war ein Aufstand verschiedener Volksgruppen im Süden Tansanias gegen die deutsche Kolonialmacht. Historiker berichten, dass der Krieg mit aller Härte und von Seiten der Deutschen mit einer Strategie der „verbrannten Erde“ geführt wurde. Bis zu 300.000 Menschen sollen ihm zum Opfer gefallen sein. So wurden etwa am 07. Februar 1906 von den deutschen Kolonialtruppen in Songea 67 gefangene Kämpfer der Wangoni-Volksgruppe hingerichtet. Viele Menschen starben in der Zeit des Aufstands an Hunger.

Steinmeier sagte an der Gedenkstätte in Songea: „Ich verneige mich vor den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft. Und als deutscher Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche hier ihren Vorfahren angetan haben.“ Der Bundespräsident thematisierte darüber hinaus die mögliche Rückgabe von sterblichen Überresten von Menschen, die im Kampf gegen die deutsche Kolonialherrschaft getötet wurden. Noch immer befinden sich zahlreiche Schädel und Gebeine von Getöteten in verschiedenen Museumsmagazinen in Deutschland. Es gebe Familien, die auf die Gebeine ihrer geliebten Vorfahren warteten, erklärte die tansanische Präsidentin Hassan an der Gedenkstätte.

Dass Bundespräsident Steinmeier bei seinem Besuch in Songea um Verzeihung für die Gewalttaten der deutschen Kolonialherren gebeten, hat könnte durchaus ein Meilenstein sein“ meint der Tansania-Referent von Mission EineWelt, Diakon Claus Heim. Zivilgesellschaftlichen Gruppen in Tansania und Deutschland hätten genau dies seit Jahren immer wieder gefordert. „Interessant wird nun natürlich sein, ob Deutschland für die wissenschaftliche Aufarbeitung und eventuelle Reparationen und Entschädigungszahlungen auch Gelder zur Verfügung stellen wird, oder ob es bei der bloßen Entschuldigung bleibt“, so Heim weiter.

Claus Heim