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Unendlich viel Potenzial bleibt ungenutzt – Papua-Neuguinea aus Sicht der ELC-PNG

Jede Menge Potenzial – leider ungenutzt. Was sich liest wie die inzwischen zum Klischee verstaubte Werbung einer obskuren Sekte oder die zerknirscht-beflissene Einstiegsbeichte eines Workshops für sensoren-behangene Selbstoptimierer*innen, ist in diesem Fall die plakative Zusammenfassung einer nüchternen Bestandsaufnahme zur Entwicklung eines Landes. Es geht um Papua-Neuguinea, und die Bestandsaufnahme kommt von Bonnie Keoka, Leiter des Lutheran Development Service (LDS) der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea (ELC-PNG). Keoka arbeitet seit 1996 beim LDS, seit 2012 ist er Chef der Abteilung, die zu den Sozialen Diensten der ELC-PNG gehört. Er weiß also, wovon er spricht. Am Abend des 5. Juni kommen etwa 50 Menschen zu Mission EineWelt in den Otto-Kuhr-Saal. Viele haben in Papua-Neuguinea gearbeitet und sind dem Land, der ELC-PNG und vor allem den Menschen dort tief verbunden. Vieles von dem, was Keoka sagt, ist ihnen nicht neu.

Bonnie Keoka spricht bei Mission EineWelt über den Lutherischen Entwicklungsdienst (LDS) der ELC-PNG

Bonnie Keoka spricht bei Mission EineWelt über den Lutherischen Entwicklungsdienst (LDS) der ELC-PNG

Der graduierte Tropenlandwirt spricht von der riesigen Bio-Diversität in seinem Land, von üppigen Regenwäldern, von reichlich vorhandenem Wasser, vom Potenzial des Sonnenlichts. „Wir besitzen genügend Naturressourcen, um uns zu helfen, aber wir sind nach wie vor ein Entwicklungsland“, fasst er zusammen. Es ist ein Widerspruch in Gestalt nach wie vor ungelöster grundlegender Probleme. Keoka zählt sie auf, eines nach dem anderen: zu wenig Verkehrsverbindungen, keine flächendeckende Wasserversorgung, schlechte Energieversorgung, lückenhafte und unzuverlässige Telekommunikation, kaum Zugang zu Bildung und Wissen, schlechte Gesundheitsversorgung. Kurzum: fehlende oder mangelhafte Infrastruktur in vielen grundlegenden Bereichen. Dazu, so Keoka weiter, kämen Probleme wie Covid 19, Aids und der Klimawandel, der für viele Menschen in Papua-Neuguinea, insbesondere auf den kleinen Inseln vor dem Festland, längst existenzbedrohend ist.

Das alles führt, so erklärt es der kirchliche Berater, zu einem steilen Stadt-Land-Gefälle. In der Stadt gibt es vieles, auf dem Land mangelt es an fast allem. „Die ländliche Bevölkerung ist marginalisiert“, fasst Keoka zusammen. Bei einem Anteil der Landbevölkerung von etwa 80 Prozent an der Gesamteinwohner*innenzahl heißt das: Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Papua-Neuguinea ist, wie man es hierzulande formulieren würde, „abgehängt“. Dazu komme noch, dass staatliche Fördergelder für ländliche Regionen, nicht oder nicht in voller Höhe bei den eigentlichen Adressat*innen landen. Das, so Keoka, stärke nicht unbedingt das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und seine Initiativen.

„Vertrauen“ ist ab diesem Punkt eines der am häufigsten fallenden Wörter des Abends. Damit der Staat das bekomme, seien Transparenz und Good Governance erforderlich. Aber eben auch das Vertrauen der Menschen untereinander, erklärt Bonnie Keoka. Und vielleicht auch Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten? – Jedenfalls ist es einer der Punkte, an denen die Arbeit des LDS mit der Landbevölkerung ansetzt. Das Vertrauen innerhalb familiärer und verwandtschaftlicher Bezüge sei die grundlegende Basis für mehr, meint Keoka. Und das entstehe vor allem durch Teilhabe. Der LDS will, dass Menschen in ländlichen Gebieten über ihre Rechte Bescheid wissen und diese wahrnehmen können. Ein anderes großes Ziel ist der Zugang zu Bildung und Technologie. Zuvorderst geht es um Anbaumethoden und Wasserversorgung. Daraus ergeben sich wie von selbst die Basis-Strategien des LDS-Entwicklungsprogramms: Fußend auf verbesserten Anbaumethoden, sollen Vorratshaltung und die Erwirtschaftung von Gewinnen aus dem Verkauf sogenannter „Cash Crops“ wie beispielsweise Kaffeebohnen erlernt und gefördert werden. Zudem geht es um den Aufbau von gemeinschaftlicher Wasserversorgung mit Speicherkapazitäten und mit Solarenergie-gespeisten Pumpen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Verbesserung des Zugangs zu Bildung und Gesundheitsversorgung.

Kinim Siloi, Referent für Kirchenpartnerschaften und Ökumene der ELC-PNG, sapricht mit einem Zuhörer

Kinim Siloi, Referent für Kirchenpartnerschaften und Ökumene der ELC-PNG, im Gespräch mit einem Zuhörer

Das klingt einleuchtend. Eine große Herausforderung, daraus macht Bonnie Keoka keinen Hehl, liegt weiterhin in der wirksamen Umsetzung der Strategien. Es brauche, betont er nochmals, Vertrauen. Der ebenfalls anwesende Referent für Ökumene und Kirchenpartnerschaften der ELC-PNG, Kinim Siloi, ergänzt: „Die Menschen müssen sich Dinge zu eigen machen, damit sie funktionieren.“

Es scheint, in Papua-Neuguinea seien Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen das Gebot von weit mehr als der sprichwörtlichen Stunde.

 

 

Bonnie Keoka ist im Rahmen des Evangelischen Kirchentags zu Gast bei Mission EineWelt und kann von 24.Juni bis 2. Juli 2023 von bayerischen Kirchengemeinden für Vorträge und Diskussionen eingeladen werden.

Weitere Infos: https://mission-einewelt.de/events/unser-gast-bonnie-keoka-aus-papua-neuguinea/