Corona-bedingt mit zwei Jahren Verzögerung feierte der Kirchliche Entwicklungsdienst (KED) Bayern am 23. September 2022 im Caritas-Pirckheimer Haus Nürnberg sein Jubiläum: statt 50 nun eben 50 plus 2. In vielen Beiträgen, auch im Impulsvortrag des bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm, wurde deutlich, dass die Arbeit des KED auch und insbesondere als Teil von Mission EineWelt eine zentrale Basis des Selbstverständnisses der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern bildet.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm mit Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung global bei Mission EineWelt, und Gisela Voltz, Referentin für für entwicklungspolitische Bildungsarbeit (v.l.n.r.) beim KED Jubiläum im cph Nürnberg

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm mit Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt, und Gisela Voltz, Referentin für für entwicklungspolitische Bildungsarbeit (v.l.n.r.), beim KED Jubiläum im cph Nürnberg

Ist kirchliche Entwicklungszusammenarbeit etwas „exotisches“, ein Tüpfelchen auf dem i, aber nichts Essenzielles? Mitnichten. „Eingebundensein in die Welt gehört zum Christsein“, begrüßte Hanns Hoerschelmann, Direktor von Mission EineWelt, die rund 150 Gäste der Jubiläumsveranstaltung. Deshalb sei es „wichtig, dass wir uns hier in Bayern und weltweit einsetzen“. Dazu, so Hoerschelmann, seien „wir berufen und befähigt“.

Heinrich Bedford-Strohm nahm in seinem Impulsvortrag diesen Ball auf. Die Arbeit des KED sei Anlass, „auch mal selbstbewusster zu werden als Kirche“, befand der bayerische Landesbischof. Er attestierte der kirchlichen Entwicklungsarbeit eine „Vorreiterrolle“ bei Themen wie „Fairer Handel“, „Klimawandel“ und „globale Gerechtigkeit“. Die Weichen zur Gründung kirchlicher Entwicklungsdienste seien bei der EKD-Synode von 1968 in Berlin-Spandau gestellt worden, als „auf das Drängen der Kirchen des Südens im Ökumenischen Rat der Kirchen“ hin die Forderung aufgenommen wurde, „mit echtem entwicklungspolitischen Einsatz und gelebter Solidarität auf die Ungerechtigkeiten bei der Verteilung von Wohlstand und dem Zugang zu Märkten und Möglichkeiten zu antworten“. Diesen „Weltgestaltungsauftrag“ müsse sich „die ganze Kirche“ zu eigen machen, forderte Bedford-Strohm. Beim Thema „Entwicklung“ gehe es „nicht um ein Randthema der Kirche“, sondern „um ihren Kernauftrag“. Seine Folgerung: „Die Eine Welt muss zentraler Teil unserer Kirche bleiben.“ Deshalb sei die Arbeit von Mission EineWelt und dem KED „die zentrale Basis für die Arbeit der Kirchen überhaupt“. Die größte Herausforderung für die zukünftige Arbeit liege darin, den „goldenen Vorhang“ zwischen Globalem Norden und Globalem Süden zu lüften. „Das ist für mich die allererste Aufgabe des KED“, betonte der Landesbischof.

Nach einer Revue „50 Jahre in 50 Minuten“ mit Adelheid von Guttenberg, bayerische KED-Beauftragte von 1990 bis 1999, Kuno Hauck, ehemaliger Referent für entwicklungspolitische Bildungsarbeit im KED Bayern, Käthe Pühl, ehemaliges Mitglied der Landessynode, Jürgen Kaiser, bis 2021 Koordinator des Bündnisses erlassjahr.de, Sven Hilbig, Referent für Handelspolitik und Digitalisierung bei Brot für die Welt, Eva-Maria Reinwald, Fachpromotorin für Globale Wirtschaft und Menschenrechte bei Südwind, und der ehemaligen Freiwilligen Clara Groth ging es daran, Bilanz zu ziehen.

„Was haben wir (gemeinsam) erreicht und was braucht die Politik von der Kirche?“ fragte Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global (vorher Entwicklung und Politik) bei Mission EineWelt, den Grünen-Politiker Uwe Kekeritz, bis 2021 Mitglied im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und Herman Imhof, bis Ende 2018 CSU-Landtagsabgeordneter und Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung. Für Uwe Kekeritz sind das Engagement gegen das Freihandelsabkommen TTIP und der Einsatz für ein Lieferkettengesetz „Errungenschaften“ der Zusammenarbeit von Kirche und Politik. Zudem haben die Kirchen aus seiner Sicht „an Radikalität gewonnen“. Inzwischen hätten sie erkannt: „Wir müssen das System verändern.“ Hermann Imhof forderte „starke Kirchen“, die, „an der Tat gemessen“, glaubwürdig seien. Mit Bezug auf das Papstwort „Diese Wirtschaft tötet“ zeigte auch er sich überzeugt von der Notwendigkeit eines grundsätzlichen Umdenkens: „Wir brauchen einen Systemwechsel. Daran müssen wir miteinander arbeiten.“

Während des Studientages zur ÖRK-VV bei Mission EineWelt haben wir Menschen aus unseren Partnerkirchen gefragt, was sie bei der internationalen Zusammenkunft der Kirchen inspiriert und beeindruckt hat, und welche Herausforderungen sie für die Zukunft sehen.

Georgios Vlantis

Georgios Vlantis

Georgios Vlantis ist griechisch-orthodoxer Theologe, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Bayern und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Volos Akademie für Theologische Studien (Griechenland). An der Vollversammlung hat er als Mitglied der Delegation des Ökumenischen Patriarchats teilgenommen.

Für ihn war „der Umgang mit dem Krieg in der Ukraine und der Haltung der Russischen Orthodoxen Kirche dazu […] eine der größten Herausforderungen“ für die ÖRK-VV. Das Statement der Vollversammlung enthalte „viele wichtige und mutige Thesen“. Aber: „Trotzdem habe ich Karlsruhe mit einem komischen Gefühl verlassen.“ Ihm sei es nicht um einen „Ausschluss der Russischen Orthodoxen Kirche aus dem ÖRK“ gegangen. „Ich habe mir aber eine stärkere prophetische Botschaft an die Adresse ihrer Leitung gewünscht.“ Seine These: „Selbstbewusste christliche Worte, mit prophetischer Stärke und in der Intensität der Ehrlichkeit“ seien „hilfreicher als langweilig abstrakt formulierte Texte, die kurzfristig alle glücklich und am Ende alle unglücklich machen oder, vielleicht noch schlimmer, zur Gleichgültigkeit und zum Zynismus führen und das friedensstiftende Potenzial der Ökumene schwächen.“

MEW-Direktorin Gabriele Hoerschelmann im Gespräch mit Teilnehmer*innen des Studientags nach der ÖRK-Vollversammlung

MEW-Direktorin Gabriele Hoerschelmann (3.v.l.) im Gespräch mit Teilnehmer*innen des Studientags nach der ÖRK-Vollversammlung

Im Interview mit dem Sonntagsblatt zieht Gabriele Hoerschelmann ihre persönliche Bilanz der vor kurzem zu Ende gegangenen Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe. Die Direktorin von Mission EineWelt spricht über die „ungeheure Energie“, die spürbar wird, „wenn wir als Kirchen weltweit unsere Probleme und Themen gemeinsam angehen“. Sie benennt das Engagement zur Eindämmung der Klimakrise als drängendes Problem, schließt sich der Forderung der Jugend-Delegierten nach mehr Partizipation für die jüngere Generation an und skizziert, wie es nun mit  dem, was die Vollversammlung beschlosssen hat, weitergehen könnte – zusammen mit den Gemeinden in Bayern und mit den Partnerkirchen aus aller Welt.

Das alles und noch viel mehr gibt es hier zu lesen:

https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kirche/so-hat-die-direktorin-von-mission-einewelt-die-versammlung-des-weltkirchenrats

Während des Studientages zur ÖRK-VV bei Mission EineWelt haben wir Menschen aus unseren Partnerkirchen gefragt, was sie bei der internationalen Zusammenkunft der Kirchen inspiriert und beeindruckt hat, und welche Herausforderungen sie für die Zukunft sehen.

Mauro de Souza

Mauro de Souza

Mauro de Souza ist zweiter Vizepräsident der Evangelischen Kirche lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) und Mitglied des ÖRK-Zentralausschusses.

Das wichtigste an der 11. Vollversammlung des ÖRK ist für ihn, dass „Menschen von überall auf der Welt zusammengekommen sind, zusammen gedacht, gesungen und gebetet haben“ und in den Beratungen für Konsens und Dissens gleichermaßen Raum gewesen sei. Das, so de Souza, sei „ein Zeugnis, dass wir als Christ*innen präsent und lebendig sind und weiterhin daran festhalten, auf eine bessere Welt zu hoffen.“ Die getroffenen Entscheidungen der Vollversammlung seien „sehr wichtig für die Arbeit in den nächsten Monaten“, betont der Theologe. „Das Zentralkomitee hat damit klare Vorgaben, in welche Richtung es bei der Programmentwicklung arbeiten soll.“ Besonders wichtig sind aus seiner Sicht die Themen „Klimagerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Flucht, Vertreibung und Migration, Krieg und Frieden, ökonomische und politische Ungleichgewichte, Hate Speech“. Der ÖKR habe die Kapazitäten und die Möglichkeiten „Programme zu entwickeln, die den Kirchen helfen, an den genannten Themen zu arbeiten“.

Während des Studientages zur ÖRK-VV bei Mission EineWelt haben wir Menschen aus unseren Partnerkirchen gefragt, was sie bei der internationalen Zusammenkunft der Kirchen inspiriert und beeindruckt hat, und welche Herausforderungen sie für die Zukunft sehen.

Tolbert Jallah

Tolbert Jallah

Tolbert Jallah von der Lutherischen Kirche in Liberia (LCL) ist Dekan im Monrovia District.

„Es war eine großartige Zeit in Karlsruhe“, freut sich der Theologe. Insbesondere die morgendlichen Andachten und die Gottesdienste haben ihn begeistert. „Es war inspirierend, mit Brüdern und Schwestern aus aller Welt zusammen zu beten und zu singen.“ Die wichtigsten Themen für ihn waren Versöhnung, Heilung und Einigkeit. „Das ist es, was Liberia nach den langen Jahren des Bürgerkriegs dringend braucht. Das nehme ich als Botschaft und Auftrag mit.“

Hans-Martin Schöll

Hans-Martin Schöll

Am 27. August 2022 ist Hans-Martin Schöll verstorben. Als landeskirchlicher Beauftragter für den Kirchlichen Entwicklungsdienst (KED) in Bayern prägte er zwischen September 1975 und Dezember 1989 die Entwicklungszusammenarbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern maßgeblich mit. Er war einer der ersten, die erkannten, dass soziale, ökologische und ökonomische Themen nicht getrennt voneinander, sondern global und im Zusammenhang gedacht werden müssen. Hans-Martin Schöll war ein Pionier des Fairen Handels, unterstützte das Konzept fairer Geldanlagen von Oikocredit und baute den Förderkreis Bayern mit auf. „Ihm ging es darum, bekannt zu machen, dass Gottes gute Erde nur als vernetztes Gebilde verstanden werden kann und dass alles zusammen hängt – ökologisch, ökonomisch, sozial. Deshalb ging es ihm bei Entwicklung weniger um Hilfsleistungen, sondern um gerechten Ausgleich. Und konsequenterweise auch darum: ‚Erkennt, dass wir selbst Teil der weltweiten Probleme sind‘.“, erinnert sich sein Nach-Nachfolger Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global von Mission EineWelt.

Von 1990 bis 1999 war Hans-Martin Schöll fürs damalige Missionswerk Bayern am Melanesian Institute in Goroka in Papua-Neuguinea tätig. Seine Motivation habe darin bestanden, „die Gegenwart Gottes nicht nur in Worten, sondern ganz praktisch und handgreiflich“ zu vermitteln. Dabei habe er „in großen strukturellen Zusammenhängen gedacht und wesentlich dazu beigetragen, ungerechte globale Strukturen aufzudecken und zu bekämpfen“, würdigt Thomas Paulsteiner, Leiter des Referats Papua-Neuguinea/Pazifik/Ostasien bei Mission EineWelt, den Verstorbenen. „Wir danken Hans-Martin Schöll für alles, was er geleistet hat. Möge er auch weiterhin in der barmherzigen Hand unseres treuen Gottes geborgen bleiben.“

Während des Studientages zur ÖRK-VV bei Mission EineWelt haben wir Menschen aus unseren Partnerkirchen gefragt, was sie bei der internationalen Zusammenkunft der Kirchen inspiriert und beeindruckt hat, und welche Herausforderungen sie für die Zukunft sehen.

Robert Kitundu

Robert Kitundu

Robert Kitundu ist Generalsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT).

Er war zum ersten Mal bei einer Vollversammlung des ÖRK dabei. „Ich konnte sehr viel lernen“, sagt Kitundu. Besonders beeindruckt hat ihn die Vielfalt der Kirchen. „Ich konnte sehen, wie groß unsere weltweite Kirche ist. Gott hat eine riesige Kirche.“ Die größte Herausforderung sieht der ELCT-Generalsekretär darin, weiter an der Einheit der Kirchen zu arbeiten. „Es gibt es noch sehr viel zu tun, damit wir zusammen als Einheit unterwegs sind“, ist er überzeugt. „Ich glaube, es war eine muslimische Delegierte, die gesagt hat, Jesus sei nicht nur für Christ*innen gestorben und auferstanden, sondern für alle Menschen. Das hat mich sehr berührt.“

Während des Studientages zur ÖRK-VV bei Mission EineWelt haben wir Menschen aus unseren Partnerkirchen gefragt, was sie bei der internationalen Zusammenkunft der Kirchen inspiriert und beeindruckt hat, und welche Herausforderungen sie für die Zukunft sehen.

Santiago Rodriguez

Santiago Rodriguez

Santiago Rodriguez arbeitet als Pfarrer der Salvadorianischen Lutherischen Kirche (SLS) in der ökumenischen Gemeindearbeit. Sein thematischer Schwerpunkt ist die Aufklärung über die Klimakatastrophe und die Schulung der Menschen in den Gemeinden für einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt.

Seine Bilanz der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe: „Unsere gemeinsame Vision wurde gestärkt und ebenso unsere gemeinsame Hoffnung. Das gibt mir Freude und Zuversicht.“ Die große Herausforderung besteht für ihn darin, „dass der Geist und die Ergebnisse der Vollversammlung in unser Leben hineinkommen und wir das Leben der Menschen vor Ort verändern.“ Insbesondere beim Kampf gegen die Klimakatastrophe sieht Rodriguez „einen riesigen Abgrund zwischen dem Gesagten und dem, was wirklich getan wird“. Vor allem in den Ländern des Globalen Nordens fehle es am „Willen zur Umsetzung“.