Sorgen zum Auftakt der Lateinamerikawoche 2024 für Stimmung: ChimiChango (Foto: ChimiChango)

Sorgen zum Auftakt der Lateinamerikawoche 2024 für Stimmung: ChimiChango (Foto: ChimiChango)

Von Samstag, 20. Januar, bis Sonntag, 28. Januar 2024, findet in der Nürnberger Villa Leon und online zum 47. Mal die Lateinamerikawoche statt. Der bunte Veranstaltungsreigen zu einem vielfältigen Kontinent startet am Samstagabend um 20 Uhr mit einem Tango-Konzert der Band ChimiChango. Dazu gibt’s ein lateinamerikanisches Buffet. Am Sonntagmittag liest Ariel Magnus aus seinem Buch „Das zweite Leben des Adolf Eichmann – El desafortunado“. Abends folgt ein zweisprachiger ökumenischer Gottesdienst im lateinamerikanischen Stil zum Thema “Gutes Leben für alle! Nur wie?“.

Im Zentrum der Woche stehen Vorträge und Diskussionen zu den verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklungen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas: unter anderem geht es um den schleichenden Demokratieabbau in Ecuador, die Schwierigkeiten der fortschrittlichen Regierung in Kolumbien mit den alten Machteliten, die aktuelle Dauerkrise in Peru, die Probleme der EU-Handelspolitik mit der Nachhaltigkeit am Beispiel des EU-Mercosur-Abkommens oder die Folgen der neuen Verschuldungskrise in Lateinamerika. Wichtig sind dabei stets die Rolle der Menschenrechte und der Akteur*innen für mehr Gerechtigkeit und Umweltschutz sowie solidarische Handlungsmöglichkeiten von Seiten zivilgesellschaftlicher Gruppen und Bürger*innen von Deutschland und  Europa aus.

Spannend verspricht auch der Insiderbericht des ehemaligen ecuadorianischen Konsuls Fidel Narvaez über die Aufkündigung des Asyls für Wikileaks-Gründer Julian Assange seitens Ecuador am Dienstagabend um 20 Uhr zu werden.

Zu Ende geht die Lateinamerikawoche wieder musikalisch, festlich und kreativ: El Flecha Negra sorgen am Abend des 27. Januar mit ihrem Crossover aus Cumbia, Reggae und Mestizo für Stimmung bevor im Anschluss die legendäre AfterLaWoParty durchstartet. Am Sonntag heißt es dann traditionell „Fiesta latina“: Ein buntes Familienfest mit leckerem Essen, Action und Kreativ-Angeboten.

Begleitend zur Lateinamerikawoche lädt die Ausstellung „Caminos“ des nicaraguanischen Künstlers Douglas Telles zum Reflektieren „über die vielschichtigen Aspekte des Lebens in einer sich wandelnden Welt“ ein. Die Themenausstellung „Genug für alle – Wirtschaftswandel wagen“ befasst sich mit dem dringend notwendigen sozial-ökologischen Umbau des Wirtschaftssystems. Zu dieser Ausstellung werden Workshops für Gruppen und Schulklassen angeboten.

 

Gisela Voltz

 

Alle Infos und Zoomlink zur Online-Teilnahme unter: lateinamerikawoche.de

Das Programm der Lateinamerikafilmwoche von 8. bis 14. Februar 2024 findet sich hier: filmhaus.nuernberg.de

Interview mit Andreas Latz, Seemannspastor in Singapur

 

Im sicheren Hafen: die Al Jasrah in Pasir Panjang, dem größten Containerhafen Singapurs (Foto: Andreas Latz)

Im sicheren Hafen: die Al Jasrah in Pasir Panjang, dem größten Containerhafen Singapurs (Foto: Andreas Latz)

Der Krieg in Gaza macht auch die vielbefahrene Schifffahrtsroute durchs Rote Meer unsicher. Die Huthis, die einen Teil des Jemen kontrollieren, haben sich mit den Palästinenser*innen solidarisiert und greifen vermehrt Handelsschiffe an. Die Schiffsbesatzungen müssen um ihr Leben fürchten. Wie sich das auf die Crew-Mitglieder auswirkt, hat kurz vor Jahreswechsel Andreas Latz erfahren. Der von Mission EineWelt ausgesendete Pfarrer arbeitet als Seemannspastor in Singapur. Im Interview erzählt er von seinen Eindrücken an Bord des unter liberianischer Flagge fahrenden Containerschiffs Al Jasrah der deutschen Reederei Hapag Loyd. Das 368 Meter lange und 51 Meter breite Schiff mit einer Ladekapazität von 15.000 Containern wurde Mitte Dezember 2023 von den Huthi mit Raketen beschossen und entkam mit knapper Not.

 

Wie wichtig ist das Rote Meer als Schifffahrtsstraße. Wie hoch ist in Friedenszeiten das Verkehrsaufkommen?

Das Rote Meer wird nördlich vom Suezkanal befahren und südlich vom Golf von Aden, im Jahr 2022 haben fast 24.000 Schiffe den Kanal durchquert, das sind 65 Schiffe pro Tag, Containerschiffe und Autofrachter, Stückgut- und Massengut Transporter, Spezialschiffe.

 

Wie erfährt die Seemannsmission, wenn – wie im Fall der Al Jasrah – ein beschossenes Schiff einläuft?

Es ist weltweit Standard, die Seemannsmissionen zu informieren. In einem Krisenfall wird sofort die örtliche Stationsleitung kontaktiert und ein Besuch mit dem Agenten vor Ort oder mit dem Kapitän vereinbart. So war es auch bei der beschossenen Al Jasrah.

 

Was haben Dir die Crew-Mitglieder über den Beschuss und ihre Reaktion darauf berichtet?

Grundsätzlich sind Krisen an Bord, die den geregelten strukturierten Arbeitsalltag durcheinander bringen, immer eine Belastung für alle. Im Fall der von einer Rakete getroffenen Al Jasrah war der junge polnische Kapitän unglaublich stolz auf seine Mannschaft, weil alle vorbildlich die vorbereiteten Notfallprogramme abgearbeitet haben. So konnte das Feuer einiger in Flammen stehender Container unverzüglich gelöscht und ein Bruch der Schiffshülle vermieden werden. Das gab der Schiffsleitung die Chance, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 17 Knoten das Rote Meer in Richtung Süden zu verlassen. Dramatisch, das war den Augenzeugenberichten abzuspüren, war die Vorüberfahrt an der weitaus kleineren MSC Palatium III, die von drei Raketen getroffen worden war und in Flammen stand. Normalerweise ist auf hoher See die Seenotrettung ein unumstößliches, nicht zu hinterfragendes Gesetz. In diesem Fall bedeutete es auf der Al Jasrah abzuwägen, die Volllastfahrt zu stoppen, sich erneut in Gefahr zu bringen, um der MSC Palatium III Seenothilfe anzubieten, oder zügig weiterzufahren, um die eigene Besatzung und das eigene Schiff zu retten. Amerikanische Marineboote waren aber wohl schon nahe, um Rettung und Schutz zu gewährleisten. All dies ist am 15. Dezember 2023 passiert. Am 28. Dezember konnte ich das riesige Containerschiff in Pasir Panjang, dem größten Containerhafen Singapurs, besuchen. Noch immer standen einige unter dem Schock der vergangenen Ereignisse. Als die Al Jasrah sichere Gewässer erreichen konnte, stellte sich mit einer Verzögerung von etwa zwei Tagen angesichts der Erlebnisse ein kollektiver Schock ein, so dass an Bord nur sehr leichte Arbeiten verrichtet werden konnten, auch um das Risiko von Arbeitsunfällen zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund war das Weihnachtsfest sehr willkommen, das mit viel Ruhe und einer Feier mit Festmahl an Bord begangen wurde.

 

Was tut die Seemannsmission für solche Besatzungen?

Das Besuchs- und Gesprächsangebot ist unglaublich wichtig. Der Watchman begrüßte mich schon mit Namen, ich wurde schriftlich angekündigt und erwartet, und nur ich hatte in diesem Fall eine Besuchserlaubnis. Eine Kindergottesdienstgruppe einer lutherischen Gemeinde in Singapur hatte Grußkarten geschrieben und kleine Präsente liebevoll vorbereitet, das erleichterte den Zugang zu Gespräch und Austausch mit der zum großen Teil philippinischen Crew. Viele meiner Kolleg*innen haben eine PSNV-Ausbildung absolviert, Psychosoziale Notfallversorgung, ich auch. Das ist sehr hilfreich.

 

Was haben die Seeleute in den persönlichen Gesprächen geschildert? – Was geht ihnen angesichts des Erlebten durch den Kopf?

Die größte Sorge der Seefahrenden war, ihre Familie nicht mehr wiedersehen zu können. Diese Angst, zeitverzögert eingetreten, war immens.

 

Gibt es für Reedereien, die Möglichkeit, ihre Schiffe umzuleiten? Nutzen sie diese Möglichkeit?

In der Tat gibt es Möglichkeiten, ganz einfach, indem man der momentanen Gefahr und Bedrohung im Roten Meer durch die lange Route ums Kap der guten Hoffnung ausweicht.

 

Welche Möglichkeiten hat die Seemannsmission, als Fürsprecherin der Seeleute Reedereien dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihre Schiffe umleiten, so lange die Gefahrensituation besteht?

Natürlich sind die Seemannsmissionen in einem dichten Netzwerk in der maritimen Welt eingebunden, das ist ähnlich in allen Häfen der Welt. Im konkreten Fall war es so, dass der Kapitän seine große Sorge mit mir teilte, dass er auf dem Rückweg nach Europa wohl wieder das Rote Meer durchqueren müsse, weil die große Containerlinie Maersk für ihre Schiffe kurz zuvor angekündigt hatte, diese Route wieder zu nutzen und Hapag Lloyd sich dem anschloss. Ich bedankte mich bei dem Kapitän via Mail am Abend sehr herzlich für die Besuchs- und Gesprächsmöglichkeiten und schrieb: „Wenn ich einen Wunsch frei hätte und es ihnen möglich ist, nehmen sie bitte die lange Route übers Kap der guten Hoffnung, ihre Crew wird es ihnen nicht genug danken können.“ Nur wenige Minuten später bekam ich vom CEO der Reederei aus Hamburg eine Mail. Er schrieb, er könne garantieren, dass Hapag Loyd-Schiffe vorerst nicht mehr die Durchfahrt durchs Rote Meer nutzen.

Eigentlich haben sich Kommission, Rat und Parlament der EU im Dezember letzten Jahres auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf für ein EU-Lieferkettengesetz geeinigt. Jetzt hat das FDP-Präsidium beschlossen, diesen in fünf Verhandlungsrunden mühsam ausgehandelten Kompromiss der gesetzgebenden Organe der EU stoppen zu wollen. Dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Vorfeld an der Ausgestaltung des Entwurfs mitgearbeitet hatte, scheint plötzlich unerheblich. Wie bei vielen Beobachter*innen stößt dieses Vorgehen auch beim internationalen Partnerschaftszentrum Mission EineWelt auf absolutes Unverständnis: „Mit dieser Anti-Politik macht die FDP Deutschland lächerlich, das ist mir persönlich peinlich“, kommentiert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt, dieses Verhalten.

Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global von Mission EineWelt (Foto: MEW)

Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global von Mission EineWelt (Foto: MEW)

Wer mit der FDP ein Gesetz beschließen will, muss, so scheint es, zittern bis zur finalen Abstimmung. Die aktuelle Posse um das EU-Lieferkettengesetz ist nicht die erste Last Minute-Meinungsänderung, die sich die deutschen Liberalen auf nationaler und internationaler Ebene leisten. Im Fall der EU-Richtlinie für ein Lieferkettengesetz würde, so die Einschätzung von Jürgen Bergmann, „ein für die Zivilgesellschaft brauchbarer und konstruktiver Kompromiss zerstört, der genau für das steht, was die FDP immer fordert: Fairness im globalen Wettbewerb.“ Ein EU-Lieferkettengesetz in der ausgehandelten Form würde in vielen Punkten gewährleisten, dass alle europäischen Unternehmen Regeln zur Einhaltung von Menschenrechten und für Umweltschutz entlang ihrer Lieferketten beachten und umsetzen müssten.

„Für uns als kirchliche Organisation und Mitglied der Initiative Lieferkettengesetz ist das irrlichternde Verhalten der FDP weder mit christlichen noch mit europäischen Werten vereinbar“, kritisiert Bergmann, „das ist einfach nur peinlich und billiger Populismus.“

Mission EineWelt schließt sich deshalb der Forderung der Initiative Lieferkettengesetz an: „Bundeskanzler Olaf Scholz ist nun in der Verantwortung, die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in der EU zu schützen. Es liegt jetzt am Kanzler, den Kompromiss beim EU-Lieferkettengesetz zu verteidigen – denn dieser leistet einen wichtigen Beitrag für Menschenrechte und Umwelt, ohne Unternehmen dabei zu überfordern.“

 

Weitere Informationen:

lieferkettengesetz.de