Die heute 16-jährige Tansanierin Christine Baraka floh vor ein paar Jahren aus ihrem Heimatdorf und Elternhaus, als sie während der Schulferien zuhause die heimlichen Vorbereitungen ihrer Mutter für ihre Beschneidung bemerkte. Sie wollte nicht wie ihre Schwester nach der Beschneidung verbluten und sterben. Doch die Tante, bei der sie Zuflucht suchte, schlug sie und warf ihr vor, mit ihrer Weigerung ihre Familie zu verfluchen. Daraufhin unternahm Christine einen Selbstmordversuch, was endlich die Eltern zu einem Stopp der Verstümmelungs-Pläne bewegte. Zurück in der Schule wurde Christine als Heldin gefeiert, viele Mädchen folgten ihrem Beispiel und drohten ihren Eltern im Falle einer Beschneidung mit Flucht oder Suizid.
In Christines Dorf gibt es jetzt ein Projekt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT), das durch Aufklärungsarbeit unter Frauen und Männern die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, kurz FGM) beenden will. Damit verbunden sind Aktionen zu Stärkung von wirtschaftlicher Unabhängigkeit von Frauen, Entwicklung alternativer Initiationsriten, Mediationsangebote und der Kampf gegen Kinder- und Zwangsehen. Die ELCT ist seit mehr als 10 Jahren aktiv in diesem Bereich und stellt sich klar gegen weibliche Genitalverstümmelung, sowohl in den Medien als auch in der Ausbildung von Mitarbeitenden. Denn obwohl FGM in Tansania seit 1998 offiziell verboten ist, sind immer noch etwa 10 Prozent der Frauen und Mädchen davon betroffen, in manchen Regionen wie Manyara, Dodoma oder Arusha sogar zwischen 41 und 58 Prozent. FGM sowie andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt sind häufig tief in kulturellen Normen und Traditionen verwurzelt – einschließlich Tabus, Mythen und Überzeugungen, die sozialen Druck und soziales Stigma erzeugen. Diese frauenfeindlichen Traditionen aufzubrechen, ist das Anliegen der ELCT.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) unterstützt seit vielen Jahren durch Mission EineWelt das Engagement der ELCT gegen FGM.
Nach Schätzungen des Kinderhilfswerk UNICEF sind weltweit mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen in 31 Ländern von FGM betroffen. Da weibliche Genitalverstümmelung meist im Verborgenen geschieht, dürfte die Dunkelziffer nach Einschätzung von Fachkreisen hoch sein. Auch in Deutschland leben laut Terre des Femmes mehr als 100.000 Frauen und Mädchen, die von Genitalverstümmelung betroffen sind. Um die 17.000 Mädchen in Deutschland sind von FGM bedroht.
Gisela Voltz