Gruppenbild mit SDGs: Die Teilnehmenden des Projekts "Nachhaltig wirtschaften" (Foto: Thomas Nagel)

Gruppenbild mit SDGs: Die Teilnehmenden des Projekts „Nachhaltig wirtschaften“ (Foto: Thomas Nagel)

Der Ton war fast flehentlich: „Behaltet unsere Gesichter im Kopf, denn wir tragen die Konsequenzen“, „Bitte hören Sie weiterhin zu, und vergessen Sie unsere Stimmen nicht, denn wir sind die Zukunft“, „Ihr tut sehr viel Positives. Das ist nicht so leicht. Wir wissen das zu schätzen. Bleibt dran“ – so lauteten die Appelle der rund 100 Schüler*innen aus der Berufsschule B7, der beruflichen Oberschule Nürnberg und dem Johannes Scharrer-Gymnasium an die anwesenden Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft bei der Abschlussveranstaltung des von Mission EineWelt und der Energie- und Umweltstation der Stadt Nürnberg gestalteten Projekts „Nachhaltig wirtschaften – Miteinander die Welt gestalten“ am 6. Dezember 2024 auf dem ehemaligen AEG-Gelände in Nürnberg. Die Statements der Schüler*innen hätten wahrlich strenger ausfallen können. Es gab sogar ein „Danke für Eure jugendlichen Denkweisen. Das ist ein sehr gutes Vorbild für uns.“

Vor der Abschlussdiskussion hatten sich die Schüler*innen an zwei Projekttagen intensiv mit den Themen Lieferkettengesetz, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Agrarpolitik und Klimaschutz auseinandergesetzt. Dabei spannten sie einen weiten Bogen: Sie beschäftigten sich einerseits mit der Umsetzung auf regionaler und kommunaler Ebene und andererseits aber auch damit, wie soziale und ökologische Standards weltweit verwirklicht werden können.

Mit den Schüler*innen diskutierten die Umweltreferentin Stadt Nürnberg, Britta Walthelm, Patric Kügel von der Fair Toys Organisation, der EU-Parlamentarier Christian Doleschal (CSU), Oliver Baumbach von der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken, Cornelia Trinkl, Schulreferentin der Stadt Nürnberg, der Nürnberger Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen (SPD), die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Messe Nürnberg, Tanja Rätsch, und Kreisbäuerin Birgit Kretschmann von den Landfrauen Nürnberg Stadt.

Oliver Baumbach (Foto: Thomas Nagel)

Oliver Baumbach (Foto: Thomas Nagel)

Bevor die Schüler*innen und die Vertreter*innen von Wirtschaft und Politik ihre jeweiligen Schluss-Statements formulierten, wurde in wechselnden Kleingruppen diskutiert. Dabei wurde deutlich: Nachhaltig Wirtschaften wollen irgendwie alle. Aber wie das am besten gehen soll, und was am meisten nachhaltig ist – darüber wird teils äußerst kontrovers diskutiert. Oliver Baumbach kritisierte in der Diskussion mit den Schüler*innen das deutsche Lieferkettengesetz als zu bürokratisch vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen. Insbesondere die Berichtspflicht sei insofern wirkungslos, als die in den Berichten enthaltenen Informationen zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte nicht unbedingt valide seien. Zudem würden Wirtschaftsprüfer nur prüfen, ob der Bericht vorliegt. Die IHK, berichtete Baumbach, habe nun eigene Prüfer engagiert und würde Verstöße gegen das Lieferkettengesetz mit Abmahnungen ahnden. Dass die Unternehmen und ihre Verbände es jahrelang versäumt hatten, eine eigene freiwillige Regelung zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte entlang ihrer Lieferketten zu etablieren, und sich, als die Politik schließlich aktiv wurde, massiv gegen die Einführung eines – für sie unbürokratischen – entsprechenden Straftatbestandes gewehrt hatten, erwähnte er nicht. Bei aller Kritik plädierte Baumbach dagegen, das deutsche Lieferkettengesetz auszusetzen. Dieses werde ja ohnehin durch die europäische Lieferkettenrichtlinie ersetzt. Zudem hätten sich die Unternehmen inzwischen darauf eingestestellt. Das aus seiner Sicht wichtigste Ziel, das in Sachen Nachhaltigkeit erreicht werden müsse, sei ein Wertewandel. Die Menschen müssten Nachhaltigkeit als Wert anerkennen, „nicht berichten, sondern leben“, forderte Baumbach.

Christian Doleschal (Foto: Thomas Nagel)

Christian Doleschal (Foto: Thomas Nagel)

Christian Doleschal meldete gegenüber den Schüler*innen Zweifel an, ob Europa bis 2030 klimaneutral werden könne. „Selbst 2050 ist schwierig genug“, sagte der CSU-Politiker. Am europäischen Green Deal sei vieles gut, vieles müsse aber auch noch mal gecheckt werden. Auf die Frage, ob Atomenergie grün sei, antwortete er differenziert. Diese sei CO2-neutral. Ob sie nachhaltig sei, wolle er nicht beantworten. Aber das Argument „Kernkraft statt Kohle“ könne er nachvollziehen. Für die Zukunft könnten aus seiner Sicht derzeit in den USA erprobte kleine AKW sein, die mit Atommüll betrieben würden. „Es ist wichtig, dass wir die Forschung aufrecht erhalten“, meinte er.

Patric Kügel (Foto: Thomas Nagel)

Patric Kügel (Foto: Thomas Nagel)

Patric Kügel von der Fair Toys Organisation, die sich für faire Arbeitsbedingungen in der Spielzeugproduktion einsetzt und ein entsprechendes Siegel vergibt, forderte von der Politik, das jetzt umzusetzende europäische Lieferkettengesetz nicht einzustampfen, sondern möglichst weitreichend anzuwenden, denn dann müssten Unternehmen ihre Lieferketten transparent machen und Risiken benennen bzw. bei Verstößen gegen Menschenrechte und Umweltstandards dafür haften. Unternehmen, die jetzt schon „saubere“ Lieferketten haben, hätten davon auch Vorteile. Außerdem sei es sehr wirkungsvoll, wenn Kund*innen bei Anbietern immer wieder nach fairen Löhnen und der Einhaltung von Umweltvorschriften nachfragten. Überhaupt sei der Druck aus der Zivilgesellschaft sehr wichtig und spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle auf dem Weg zu weltweit guten Arbeitsbedingungen und umweltschonender Produktion.

Zufrieden mit der Diskussion waren am Ende alle. Die Schluss-Statements der Gäste aus Politik und Wirtschaft lauteten zusammengefasst „Bringt Euch ein und engagiert Euch – privat, zivilgesellschaftlich und beruflich.“ Wer will kann in den Statements der Schüler*innen zwischen den Zeilen die gleiche Aufforderung an Politik und Wirtschaft lesen.

Angesichts der Weltlage bleibt zu hoffen, dass dieses Engagement in Politik und Wirtschaft dann wirklich auf fruchtbaren Boden fällt. Alles andere wäre fatal.

Am 10. Dezember 2024 wird in Oslo der Friedensnobelpreis an Nihon Hidankyo, die japanische Vereinigung der Überlebenden der US-Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945, verliehen. Das Nobelkomitee würdigt damit die langjährigen Bemühungen der Organisation, das Bewusstsein für die katastrophalen humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen zu schärfen und sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen.

"Schafft die Atomwaffen ab" - Julia Ratzmann beim Hirsohima-Gedenken 2024 in Nürnberg (Foto: Thomas Nagel)

„Schafft die Atomwaffen ab“ – Julia Ratzmann von der Pazifik-Infostelle beim Hirsohima-Gedenken 2024 in Nürnberg (Foto: Thomas Nagel)

Die in Japan ‚Hibakusha‘ genannten Überlebenden gründeten ihre Organisation 1956 auch als Reaktion auf die Tests mit Wasserstoffbomben, die die USA seit 1952 auf den Marshall-Inseln in Mikronesien durchführten. Die Überlebenden-Organisation warnte seitdem beständig vor den Auswirkungen, dem Einsatz und den Gefahren, die von solchen Massenvernichtungswaffen ausgehen.

Mission EineWelt und die Pazifik-Infostelle gratulieren Nihon Hidankyo zur Verleihung des Preises. Beide Organisationen engagieren sich im jährlichen Gedenken an die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und setzen sich für ein weltweites Verbot von Atomwaffen ein.

 

Eckart Garbe/MEW

Die SLS hat eine Präsidentin: Guadalupe Cortez (Foto: Fernando Rodriguez)

Die SLS hat eine Präsidentin: Guadalupe Cortez (Foto: Fernando Rodriguez)

Am 5. Dezember ging in der Salvadorianischen Lutherischen Kirche eine Ära mit einer Zäsur zu Ende. Nach 38 Jahren im Bischofsamt wurde Medardo Gomez von Guadalupe Cortez abgelöst, die von den Delegierten als erste Präsidentin dieser Kirche gewählt wurde. Parallel dazu beschloss die Salvadorianische Lutherische Synode (SLS) eine Verkürzung der Amtszeit ihrer Präsident*innen von lebenslang auf vier Jahre.

Cortez ist in der SLS kein unbeschriebenes Blatt. Nach Abschluss ihres Studiums der Sozialarbeit im Jahr 1985 begann sie als Praktikantin im sozialen Bereich der Kirche. Anschließend arbeitete sie als evangelistische Katechetin. Von 2003 bis 2007 studierte sie Theologie und war seit 2010 Koordinatorin der diakonischen und pastoralen Arbeit in der lutherischen Kirche von El Salvador.

Gefragt nach ihrer Vision für die Zukunft ihrer Kirche, antwortete Guadalupe Cortez: „Die Vision ist, dass die Kirche weiterhin an der Seite der Menschen steht.“ Unter anderem will Cortez „die personellen Ressourcen, die wir hier in der Kirche bereits haben“, weiter stärken und „die Entwicklung von engagierten Laien in verantwortlichen Positionen mit einer klar definierten lutherischen Identität“ fördern. Vor allem geht es ihr darum, „alles, was wir tun, sowohl im diakonischen Bereich als auch in der pastoralen Arbeit, was dazu beiträgt, das Leben von Menschen zu verbessern“, voranzubringen.

„Es ist ein historischer Schritt, dass zum ersten Mal in der Geschichte der jungen lutherischen Kirche in El Salvador, dem Sinodo Luterano Salvadoreno, mit Guadalupe Cortez eine Bischöfin gewählt wird“, freut sich Kerstin Schönleben, Lateinamerikareferentin von Mission EineWelt. „Die Wahl bedeutet für die salvadorianische Kirche einen wichtigen Schritt in ihrer institutionellen Entwicklung.“

Foto: Menschenrechtsbüro Stadt Nürnberg

Foto: Menschenrechtsbüro Stadt Nürnberg

Weihnachten soll ein Fest für alle sein. Deshalb unterstützt das Nürnberger Christkind Nelli Lunkenheimer den Einsatz des Nürnberger Bündnisses Fair Toys für fair produziertes Spielzeug. Am 6. Dezember 2024 kam Lunkenheimer zum Fototermin am Nürnberger Christkindlesmarkt und posierte mit Mitgliedern des Bündnisses unter dem dem Slogan „Arbeitsrechte sind Menschenrechte“.

Denn noch immer leiden zu viele Menschen dort, wo Spielzeug hergestellt wird: Exzessive und mutmaßlich erzwungene Überstunden, Niedriglöhne, Mobbing und Arbeitsschutzprobleme – das sind nur einige der Missstände in der Spielzeugproduktion, die der aktuelle Toys Report „Femwashing à la Mattel: Barbie, die neue Möchtegern-Feministin“ aufdeckt. Der Direktvertrieb über Internetplattformen erschwert die Kontrollen zusätzlich, oft entspricht diese Ware nicht einmal den allgemeinen Sicherheitsstandards.

Foto: Menschenrechtsbüro Stadt Nürnberg

Foto: Menschenrechtsbüro Stadt Nürnberg

Doch das muss nicht sein. „Einige Spielzeugfirmen haben es inzwischen schwarz auf weiß, dass ihre Produktion von Fairness geprägt ist – vom Management bis zur Arbeit an den weltweiten Werkbänken“, sagt Jürgen Bergmann von Mission EineWelt, einem der Mitglieder des Nürnberger Bündnisses Fair Toys. Diese Firmen seien der Fair Toys Organisation beigetreten, die ersten hätten bereits einen umfangreichen Prüfungsprozess durchlaufen, so Bergmann weiter.

Spielzeuge von Firmen, die den Prüfprozess der FTO erfolgreich durchlaufen haben, tragen bereits das Logo der Fair Toys Organisation (FTO). Hier können Verbraucher bedenkenlos zugreifen. Auch die noch nicht zertifizierten Mitglieder der FTO gehören zu den engagierten Firmen, sie sind auf der Website der FTO zu finden. Bei Spielzeug anderer Hersteller können Kund*innen im Handel nach den Produktionsbedingungen fragen und zusätzlich darauf achten, besonders langlebiges Spielzeug zu verschenken. Kritisch sind Direktimporte. Deren Herstellungsbedingungen sind unter den derzeitigen Rahmenbedingungen schwer nachprüfbar.

 

Den Toys Report mit dem Titel „Femwashing à la Mattel: Barbie, die neue Möchtegern-Feministin“ gibt es hier: https://www.ci-romero.de/toysD-report-2024/

Die Website der FTO: https://www.fair-toys.org/

Rückfragen beantwortet:
Juergen.bergmann@mission-einewelt.de
Tel.: 09874 91700

Am 6. Dezember 2024 um 19:30 Uhr kommt ein illustrer Gast ins Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus. Der vielfach prämierte Journalist und Lyriker Otoniel Guevara gibt Einblicke, wie sich das Leben in einem Land gestaltet, in dem Menschenrechte und Meinungsfreiheit nur noch wenig gelten. Er wird über die aktuelle Situation in El Salvador berichten und anschließend seine Gedichte vortragen. Die Gedichte sind auf Spanisch, die Erläuterungen zur Lage in seiner Heimat werden übersetzt.

Otoniel Guevara war während des Bürgerkriegs in El Salvador Mitglied der nationalen Befreiungsbewegung FMLN und gründete in dieser Zeit die Literaturwerkstatt „Xibalbá2“.
Sein poetisches Werk ist in ganz Lateinamerika bekannt, wurde in verschiedene Sprachen übersetzt und mit mehr als 20 Literaturpreisen ausgezeichnet. Er ist Gründer des „Red Nuestra América de Festivales Internacionales de Poesía“ und des „Movimiento Poético Mundial“ in Medellín/Kolumbien und ist leitender Koordinator der „Fundación Metáfora“ sowie Direktor des Verlagsprojekts „La Chifurnia“.

Die Lesung ist eine Kooperationsveranstaltung mit dem Trägerkreis Lateinamerikawoche Nürnberg. Der Eintritt ist frei! Passend zum Nikolaustag gibt es Plätzchen und Glühwein. Bienvenidos a todas y todos!

Gisela Voltz

Weitere Infos: https://mission-einewelt.de/events/zweisprachige-lesung-gedichte-aus-und-bericht-zur-lage-in-el-salvador-mit-otoniel-guevara/

Auf dem Sprung nach Papua-Neuguinea: Daniel Kuß(Foto: Thomas Nagel)

Auf dem Sprung nach Papua-Neuguinea: Daniel Kuß
(Foto: Thomas Nagel)

Eigentlich hatte er mal andere Pläne. Bevor Daniel Kuß im Jahr 2010 zur Bundeswehr ging, wollte er E-Technik studieren oder „Weinbau“ lernen. Bei den Gebirgsjägern in Mittenwald erlebte er dann etwas Überraschendes: „Mein Glaube war, ohne dass ich damit gerechnet hatte, eine starke Stütze.“ Irgendwann, erzählt der 33-Jährige, habe er sich gefragt: „Willst Du nicht weitergeben, was Du im Glauben in Deinem Alltag erlebst?“ Das sei „wie eine Berufung“ gewesen.

Daniel Kuß ging also nach München und studierte Theologie – „mit Höhen und Tiefen“, wie er sagt. Da er sich nach dem Studium „erstmal nicht vorstellen konnte, ins Pfarramt zu gehen“, arbeitete er bei der Diakonie in einem Projekt für Geflüchtete. Das machte ihm dann doch wieder Lust auf die Arbeit in einer Kirchengemeinde: „Weil ich bei der Diakonie Kirche ganz anders kennenlernen konnte, weniger abstrakt, mehr zugewandt“, erklärt Kuß. Also absolvierte er sein Vikariat. In dieser Zeit passierte ihm das, was er seine „zweite Berufung“ nennt: Der Vikariatskurs „Ökumenisches Lernen“ sei eine „Initialzündung“ gewesen. Ein Gedanke nahm Form an: „Das könnte etwas für mich sein, in einer Partnerkirche mitzumachen.“

Kuß schaute sich die Partnerkirchen der ELKB an und „am Ende stand da dieses Land, von dem ich nur theoretisch etwas gehört hatte“: Papua-Neuguinea. Er informierte sich und lernte Leute kennen, „die mit Faszination berichteten. Dann bewarb er sich im Referat Papua-Neuguinea/Pazifik/Ostasien bei Mission EineWelt und wurde genommen. Am 15. Dezember 2024 wird er in der Immanuelkirche in München ordiniert und ausgesendet.

In Papua-Neuguinea wird Daniel Kuß für zwei Jahre in Gatop im Bezirk Ulap im Gemeindedienst mitarbeiten, danach wird er ans Flierl Seminary nach Logaweng wechseln. Er ist seit längerem der erste Theologe aus Deutschland, der in Papua-Neuguinea in den Gemeindedienst geht. Für Ihn ist klar: „Ich gehe dort als Lernender hin und fühle mich von Gott begleitet.“

Grafik: Daniela Denk

Grafik: Daniela Denk

Wenn die Vergänglichkeit des eigenen Seins sich von der diffusen, eher abstrakten Vorstellung zum konkreten Szenario konkretisiert, erscheint das eigene Leben und die darin gesetzten Prioritäten plötzlich in einem anderen Licht. Je nach Situation und Möglichkeiten krempeln manche Menschen unter dem Eindruck dieses Schocks ihr Leben noch einmal um.

So ähnlich geht es dem Pariser Busfahrer Tony. Er hat sich bequem in einem Einzelgängerdasein eingerichtet. Seine Abende verbringt er mit amerikanischen Serien und schwelgt in Träumen von Freiheit und Abenteuer. Bis ein Herzinfarkt den kettenrauchenden Mittfünfziger durchrüttelt. Tony beschließt, nach Jahrzehnten Kontakt zu seiner Tochter Maria aufzunehmen, deren Mutter er einst während der Schwangerschaft verlassen hat. Da er es nicht über sich bringt, sie einfach so zu kontaktieren, meldet er sich in Marias Tanzschule an. Doch die Sache hat zwei Haken: Maria wählt ihre Schüler*innen sehr sorgsam aus und Tony kann nicht tanzen.

Das Mittwochskino bei Mission EineWelt zeigt „Die Rumba-Therapie“ am 27. November 2024 um 19:30 Uhr im Otto-Kuhr-Saal. Der Eintritt ist frei.

Foto: MEW

Foto: MEW

Zum Globalen  Lernen in Schulen und Gemeinden/Kommunen wollen um die 30 neue und erfahrene Multiplikator*innen im Grossraum Nürnberg -Fürth-Erlangen beitragen. Sie trafen sich am Samstag, 16. November 2024 unter dem Motto „Weltverbessern lernen – Fit fürs Klassenzimmer“ zur gemeinsamen Fortbildung der Eine-Welt-Stationen Nürnberg, Fürth und Erlangen. Bei diesen können Schulen und Gruppen Workshops buchen zu allen Themen einer globalen nachhaltigen Entwicklung. Es geht darum, globale komplexe Zusammenhänge zu verstehen und gemeinsam Handlungsstrategien für eine gerechtere Welt zu entwickeln. Die Nürnberger Zukunftsakademie bietet darüber hinaus Schulen an, regelmäßig Vertretungsstunden zu übernehmen und das Fach „Zukunft(sfähigkeit)“ zu unterrichten. Das Programm wird aus Mitteln der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und des Bundes-Entwicklungsministeriums finanziert. Die Eine Welt Stationen im Großraum freuen sich stets über Verstärkung der Multiplikator*Innenteams.

Gisela Voltz

Eine Überanpassung mit fatalen Folgen. So könnte man die teilweise mit großer Begeisterung vollzogene Hinwendung der Mission, insbesondere auch der Neuendettelsauer, zum Nationalsozialismus überschreiben. Wie es dazu kam und wie tief die Nazi-Ideologie in der Mission verankert war, beschäftigt die Forschung bis heute. Die Fachtagung der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mit dem Titel „Äußere Mission und Nationalsozialismus“, die Ende Oktober bei Mission EineWelt stattfand, gab einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Forschung.

Harry Oelke (Foto: Thomas Nagel)

Harry Oelke (Foto: Thomas Nagel)

Ein „Spannungsverhältnis“, attestierte Harry Oelke, bis 2023 Professor für Kirchengeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Interaktion von Nationalsozialismus und Mission. „Der Nationalsozialismus forderte die Mission heraus wie kein anderes System. Er war übergriffig und entwickelte einen permanenten Druck zur Anpassung.“ Im Prinzip sei, führte Oelke weiter aus, in dieser Situation Anpassung genauso möglich gewesen wie Widerstand. In der Realität allerdings waren die Missionsgesellschaften traditionell konservativ und nationalistisch geprägt. Deshalb hätten sich die Missionare von je her als „geistige Botschafter des Reiches“ verstanden, erläuterte Oelke. Viele sahen in Hitlers Regime eine starke völkisch-religiöse Aufbruchsbewegung, und in der Mission die perfekte Ergänzung dazu. Sie seien dann „überrascht“ gewesen, „dass die Nazis das gar nicht wollten“, brachte der Theologe in Kürze die Geschichte der fatalen Interaktion von Mission und Nationalsozialismus auf den Punkt.

Jonas Licht (Foto: Thomas Nagel)

Jonas Licht (Foto: Thomas Nagel)

Wie stark sich große Teile der Missionsgesellschaften an die Nazis anbiederten, lässt sich auch anhand damaliger Missionspublikationen nachvollziehen. Jonas Licht, Religionswissenschaftler und Lehrer aus Hamburg, zeigte das am Beispiel der Neuen Allgemeinen Missionszeitschrift NAMZ. Diese hat laut Licht viele Texte veröffentlicht, die „den Nationalsozialismus begrüßen“ und die Rassenlehre der Nazis propagieren. Wo die Unterstützung nicht offensichtlich war, seien die Artikel „unverfänglich gewesen“. Es habe eine „starke Selbstzensur“ gegeben, bilanzierte Licht. Noch krasser agierte die Zeitschrift der Berliner Missionsgesellschaft. Dort wurde erstmals  das „Wort der Mission zur Rassenfrage“ veröffentlicht. Laut Licht ist dieser Text, der vom damaligen Direktor der Berliner Mission, Siegfried Knak verfasst wurde, „das wohl am meisten rassistische Dokument aus der Mission in der NS-Zeit“. Unter anderem heißt es dort, Gott habe die Juden mit Zerstreuung unter die Völker bestraft, und „das jüdische Volk“ würde „den Völkern, unter die es verstreut ist, so oft Verderben“ bringen. Von daher sei staatliche Gewalt gegen Juden gerechtfertigt: „Der Staat darf, wo es not tut, harte Maßnahmen nicht scheuen.“ Bei der Frage, „ob christliche Deutsche und christliche Juden untereinander heiraten sollen [sic!]“, hielt man sich bedeckt: „Ein Jude wird durch Taufe und Glaube nicht ein Deutscher, darum hat die Mission nichts mit der Frage zu tun.“ Diese Entscheidung überlasse man dem Staat. Allerdings hielt Knak daran fest, dass „christusgläubige Juden“ als „Glieder der Kirche Christi wie die gläubigen Menschen aller Völker zur Christenheit gehören“. Mit diesem „Wort“, erklärte Jonas Licht, sei „der Antisemitismus genuin missionarisch gewendet“ worden. Ironie der Geschichte: Die Nazis wiesen den Text zurück. Auch als 1936 eine verschärfte Version in der NAMZ erschien, war das nicht genug. In den Jahren 1939 und 1940 wurden beide Zeitschriften sogar verboten. Lichts Fazit in Anlehnung an den Historiker und Missionstheologen Werner Ustorf: „Die deutsche evangelische Mission ist auf der braunen Welle geschwommen.“ Das Verbot der Zeitschriften sei kein Zeugnis einer Renitenz seitens der Mission, sondern vielmehr Resultat einer „asymmetrischen Liebesbeziehung“ gewesen. Die Nationalsozialisten sahen in der Mission wie in den Kirchen insgesamt eine auf Dauer unnötige spirituelle Konkurrenz.

Moritz Fischer (Foto: Thomas Nagel)

Moritz Fischer (Foto: Thomas Nagel)

Die ambivalente Beziehung zwischen Mission und Nationalsozialismus kann als eine zwischen Hingabe seitens der Mission und Abweisung seitens der Nazis gelesen werden, und gleichzeitig als Widerstreit zwischen einer Art „Restwillen“ der Mission zur Unabhängigkeit in Form einer eigenständigen Rolle und dem Absolutheitsanspruch des Nazi-Regimes, das solche Sonderrollen nicht akzeptierte, sondern auf Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Akteure aus war. Wobei die aktive Anbiederung seitens der Mission wesentlich deutlicher hervorsticht als die sehr verhaltene Behauptung der Eigenständigkeit, die nicht ansatzweise in aktiven Widerstand mündete. Vor dem Hintergrund historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ordnete Moritz Fischer, Professor an der Fachhochschule für Interkulturelle Theologie (FIT) in Hermannsburg, die Hinwendung der Mission zum Nationalsozialismus als Suche nach einer „alternativen Moderne“ ein. Im Kontext dieser Suche nach einer Alternative zu Demokratie und am Ende gar Sozialismus, die mit der Angst vor einer Säkularisierung der Gesellschaft und einem damit verbundenen Bedeutungsverlust von Kirche und Mission verbunden war, sahen viele Vertreter von Kirche und Mission im Faschismus verheißungsvolle Parallelen zu eigenen Sichtweisen und Sehnsüchten. Fischer zitierte die Faschismus-Definition des US-amerikanischen Autors Matthew N. Lyons, wonach Faschismus den „Mythos einer nationalen oder rassischen Wiedergeburt im Anschluss an eine Periode des Niedergangs oder der Zerstörung“ betone und „zu einer ‚spirituellen Revolution‘ gegen Anzeichen des moralischen Verfalls, des Individualismus und des Materialismus“ aufrufe. In der Mission war man begeistert von dieser Bewegung. „Wir Missionare begrüßen mit tiefster Freude den Anbruch des Dritten Reiches; denn hier kam das Denken zu einem Durchbruch, den wir längst als richtig erkannt haben, besonders in der Mission. So sollte man wohl im Umkehrschluss denken, dass die Menschen des Dritten Reiches die wahrhaft große Idee des Reiches Gottes verstehen müssen“, brachte der damalige Missionsinspektor Christian Keyßer nicht nur die Begeisterung auf den Punkt, sondern auch die damit eng verbundene Hoffnung auf eine zentrale Rolle für Kirche und Mission in der neuen Staatsform.

Erfüllt haben sich diese Hoffnungen nicht. „Die Mission als vermeintliche Bündnispartnerin des deutschnationalistischen Faschismus wird – zum Leidwesen vieler ihrer Protagonisten – von diesem aber ab 1934 in ihre Schranken verwiesen und kommt an ihre Grenzen“, resümierte Fischer.

Und danach? – Die sehr allgemein gehaltenen Schuldbekenntnisse von glühenden Verfechtern des Nationalsozialismus wie Christian Keyßer oder Missions-Direktor Friedrich Eppelein nach dem zweiten Weltkrieg waren nach Einschätzung Fischers „wahrscheinlich eher formal“. Damit sei die „Chance“, die Verwicklung der Mission in den Nationalsozialismus frühzeitig aufzuarbeiten, „verpasst“ worden.

„Religion und Kultur“ lautete das Thema der Jahrestagung der Dekanatsbeauftragten für Partnerschaft, Entwicklung und Mission und der Dekanatsmissionspfarrer*innen – kurz: PEM-Tagung – vergangenes Wochenende bei Mission EineWelt. Dabei ging es sowohl um eine Sensibilisierung für einen „stereotypenfreien, respektvollen Umgang miteinander“ als auch um einen Blick in die Partnerkirchen: Menschen von dort stellten Konzepte für interkulturelles und interreligiöses Miteinander vor.

Erklärte Gotong Royong: Karthik Sibanyanam, Diakonik-Student an der Uni Bielefeld (Foto: Thomas Nagel)

Erklärte Gotong Royong: Karthik Sibanyanam, Diakonik-Student an der Uni Bielefeld (Foto: Thomas Nagel)

Zum Beispiel zeigten Karthik Sibanyanam und Joefrerick Bin Ating anhand der Kultur des Gotong-Royong und der Open House-Tradition, wie Menschen in Malaysia trotz kultureller und religiöser Unterschiede gut als Gemeinschaft zusammenleben und gegenseitig unterstützen. Gotong Royong, so erklärte es Karthik Sibanyanam, der an der Uni Bielefeld in Diakonik promoviert, sei ein zusammengesetzter Begriff. „Gotong“ bedeute soviel wie „etwas Schweres auf der Schulter tragen“ und „Royong“ das „Zusammenhelfen und -wirken mit anderen Personen“. In Malaysia, so der 49-Jährige, unterstützen sich die Menschen gegenseitig, unter anderem indem sie zusammen kochen und das Essen teilen, gegenseitige Hilfe – beispielsweise nach Naturkatastrophen – oder gemeinsame Seuchenprävention organisieren. Mit dieser Kultur des Gotong-Royong korrespondiert die Open Hause-Tradition.

Erklärte die Open House-Tradition in Malaysia: Joefrerick Bin Ating, Doktorand an der Augustana Hochschule (Foto: Thomas Nagel)

Erklärte die Open House-Tradition in Malaysia: Joefrerick Bin Ating, Doktorand an der Augustana Hochschule (Foto: Thomas Nagel)

Letztere sei von der Familientradition bis hin zur Regierungsagenda ausgeweitet worden, erläuterte Joefrerick Bin Ating, der an der Augustana Hochschule in Theologie promoviert. „Die Regierung hat die Bedeutung des Konzepts für die nationale Integration erkannt“, sagte der 42-Jährige. Malaysia ist ein multi-religiöses Land. Traditionen wie Open House dienen als Strategien, um Konflikte zu vermeiden und im Gegenteil das Verständnis für einander und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und gemeinsame Werte zu erkennen. Im Kern geht es darum, bei großen Festen in der eigenen Religion oder Tradition, wie Weihnachten, Chinese New Year, Familie, Freunde, Nachbarn und auch Fremde einzuladen und mit ihnen zusammen zu feiern. Bei allen Problemen und Konflikten, die es unter anderem zwischen den Religionen gebe, sei das „eine Gelegenheit, voneinander zu lernen“, betonte Bin Ating. „Bei allem Dissens können wir zusammenkommen und Konflikte ausräumen, das gegenseitige Verstehen befördern und gemeinsame Projekte starten.“

Sicherte den Fortbestand von MEW am Standort Neuendettelsau zu: Stefan Blumtritt, Leiter der Abteilung K, Kirche und Gesellschaft, im Landeskirchenamt (Foto: Thomas Nagel)

Sicherte den Fortbestand von MEW am Standort Neuendettelsau zu: Stefan Blumtritt, Leiter der Abteilung K, Kirche und Gesellschaft, im Landeskirchenamt (Foto: Thomas Nagel)

Bei der anschließenden Missions- und Partnerschaftskonferenz (MiPaKo) hatte Stefan Blumtritt, als Leiter der Abteilung K, Kirche und Gesellschaft, im Landeskirchenamt für Mission EineWelt zuständig, gute Nachrichten bezüglich der Zukunft von Mission EineWelt in Neuendettelsau im Gepäck: „Für mich ist der Standort Neuendettelsau diskussions-, aber nicht fragwürdig“, sagte er vor den Delegierten der Missions- und Partnerschaftskonferenz. Allerdings seien vor dem Hintergrund der rückläufigen Zahl der Kirchenmitglieder und der Kirchensteuereinnahmen weitere Kürzungen wahrscheinlich. „Gehen Sie von minus 30 Prozent plus x in den kommenden 8 bis 10 Jahren aus“, sagte Blumtritt auf Nachfrage. In seiner Antwort auf Blumtritts Aussagen betonte Mission EineWelt-Direktor Hanns Hoerschelmann, das Partnerschaftszentrum habe gerade vor dem Hintergrund der „interkulturellen Kirchenentwicklung“ viel Kompetenz „positiv und visionär in die Prozesse zu Entwicklung der Landeskirche einzubringen“.

Neu im MiPaKo-Präsidium: Jutta Knobloch, Dekanatsmissionsbeauftragte im Dekanat München-West (Foto: Thomas Nagel)

Neu im MiPaKo-Präsidium: Jutta Knobloch, Dekanatsmissionsbeauftragte im Dekanat München-West (Foto: Thomas Nagel)

Nach dem Rückzug von Susanne Kießling-Prinz aus dem Präsidium der MiPaKo stand am Samstagabend noch die Wahl eines neuen Präsidiumsmitglieds an. Einstimmig gewählt wurde Jutta Knobloch, Dekanatsmissionsbeauftragte im Dekanat München-West.