Gemeinsame Pressemitteilung der Treaty Alliance Deutschland*
Berlin/Genf, 7. Oktober 2019. Am 14. Oktober beginnt in Genf die fünfte Verhandlungsrunde für ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten. Deutschland hat bereits angekündigt, sich an den aktuellen Verhandlungen nicht inhaltlich zu beteiligen. Aus diesem Grund fordert die Treaty Alliance Deutschland – ein breites Bündnis aus 27 zivilgesellschaftlichen Organisationen – die Bundesregierung und die EU auf, die Blockade zu beenden und tätig zu werden. Am heutigen „Tag der menschenwürdigen Arbeit“ rufen die Organisationen dazu auf, durch konstruktive Beteiligung an den Verhandlungen dafür zu sorgen, dass auf internationaler Ebene verbindliche Regeln zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in globalen Produktionsverhältnissen geschaffen werden.
Die ecuadorianische Verhandlungsführung hatte im Juli einen überarbeiteten Vertragsentwurf vorgelegt, der viele Bedenken der EU und Deutschlands bezüglich der Regulierung von Unternehmen ausräumt. „Nichtstun ist keine Option mehr“, erklären die Organisationen einhellig. Mit Blick auf die unrühmliche Rolle der Bundesregierung erklärt Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender BUND-Vorsitzender: „Es ist unverantwortlich, dass die Bundesregierung sich auch nach Überarbeitung des Vertragsentwurfs weiterhin nicht beteiligen will. Damit zeigt die Merkel-Regierung, dass sie Wirtschaftsinteressen über Menschenrechte und den Schutz der Umwelt stellt. Heiko Maas hat gerade im Rahmen der Vereinten Nationen das erste Treffen seiner Allianz für Multilateralismus abgehalten. Nun muss er zeigen, dass seinem Eintreten für den Multilateralismus auch praktische Konsequenzen folgen. Wir erwarten vom Außenminister ein klares Bekenntnis zum internationalen Menschenrechtsabkommen.“
Weltweit gefährden transnationale Unternehmen durch ihre Aktivitäten die Umwelt und Menschenrechte der Bevölkerung vor Ort. Darunter sind immer wieder auch deutsche Unternehmen. So exportieren beispielsweise deutsche Chemieunternehmen besonders gefährliche und in der EU verbotene Pestizide nach Brasilien. Große Infrastrukturprojekte mit Beteiligung deutscher Unternehmen führen weltweit zu Zwangsumsiedlungen. Dazu kommentiert Karolin Seitz, Programme Officer beim Global Policy Forum: „Deutsche Konzerne sind oftmals mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Während Betroffene häufig nicht zu ihrem Recht kommen, können deutsche Unternehmen gleichzeitig ganze Staaten vor internationalen Schiedsgerichten auf Schadensersatz verklagen, wenn sie ihre Profite durch Umweltauflagen oder etwa höhere Mindestlöhne gefährdet sehen. Unternehmensinteressen vor Menschenrechten – das muss ein Ende haben.“
Immer mehr Länder erlassen Gesetze, mit denen sie Unternehmen zu menschenrechtlicher Sorgfalt für ihre Lieferketten verpflichten oder debattieren darüber. Seit September 2019 setzt sich die „Initiative Lieferkettengesetz“, ein Bündnis aus mehr als 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen dafür ein, dass auch in Deutschland ein Lieferkettengesetz verabschiedet wird. „Vor diesem Hintergrund ist es im Interesse der deutschen Wirtschaft, dass sich die Bundesregierung an einem Prozess beteiligt, der weltweit einheitliche Standards schaffen würde“, sagt Maren Leifker, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Brot für die Welt. „Die Bundesregierung sollte die Zeichen der Zeit nicht länger ignorieren und sich jetzt ernsthaft für eine regelbasierte internationale Wirtschaftsordnung einsetzen.“
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Hintergrund:
Auf Initiative von Ecuador und Südafrika wurde im Jahr 2014 im UN-Menschenrechtsrat eine Resolution verabschiedet, die eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe geschaffen und diese mit der Ausarbeitung eines verbindlichen internationalen Abkommens über transnationale Unternehmen und Menschenrechte – häufig „Binding Treaty“ genannt – beauftragt hat. Die ecuadorianische Verhandlungsführung legte im Juni 2018 einen ersten Entwurf für ein UN-Abkommen vor, das im Oktober 2018 bei der vierten Tagung der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe in Genf von zahlreichen Vertretern aus Staaten, Zivilgesellschaft und Wirtschaft kommentiert und ergänzt wurde. Im Juni 2019 wurde ein erster überarbeiteter Entwurf vorgelegt, der in vielen Punkten auf die Forderungen und Bedenken der Europäischen Union eingeht. Parallel zu den Verhandlungen im Menschenrechtsrat in Genf, an denen die EU und Deutschland nur beobachtend, sich jedoch nicht inhaltlich beteiligen, wird auf Bestrebungen der EU in einem anderen Forum der Vereinten Nationen in Wien ein internationaler Investitionsschiedsgerichtshof (Multilateral Investment Court – MIC) verhandelt, der es Unternehmen ermöglichen würde, Staaten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinne durch staatliche Regulierungen wie etwa Umweltauflagen eingeschränkt sehen. Im Rahmen der im Januar 2019 gestarteten europaweiten Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“ fordern bereits mehr als eine halbe Millionen Europäer die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, Sonderklagerechte für Unternehmen abzuschaffen und sich für das aktuell verhandelte UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechte einzusetzen.
Pressekontakt:
Lia Polotzek, BUND-Expertin für Wirtschaft und Finanzen
Tel.: 01 75 / 5 72 99 61, lia.polotzek(at)bund.net
BUND-Pressestelle (Sigrid Wolff/Daniel Jahn/Judith Freund/Heye Jensen)
Tel.: (030) 2 75 86-425/-531/-497/-464, presse(at)bund.net
* In der Treaty Alliance Deutschland (haben sich folgenden 27 zivilgesellschaftlichen Organisationen für einen Erfolg der UN-Verhandlungen zusammengeschlossen: Aktion ./. Arbeitsunrecht, Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, Attac Deutschland, Berliner Wassertisch, Brot für die Welt, BUND, Christliche Initiative Romero, Cora-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Femnet, FIAN Deutschland, Forschungs-und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, Forum Fairer Handel, Forum Umwelt und Entwicklung, Germanwatch, Global Policy Forum, Goliathwatch, Inkota-Netzwerk, Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie (INFOE), Mission EineWelt, Medico international, Misereor, Powershift, Südwind, Terre des hommes, Weed, Weltladen-Dachverband, Werkstatt Ökonomie.
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