Nicht erst seitdem die Corona-Pandemie auch in Brasilien zur Einschränkung persönlicher Begegnungen geführt hat, versucht die Evangelische Kirche lutherischen in Bekenntnisses in Brasilien (IELCB), digitale Instrumente in ihre Arbeit zu integrieren. Herzstück dieser Aktivitäten ist eine App, die mit unterschiedlichen Funktionen und Inhalten die Kommunikation der Kirche mit ihren Mitgliedern, aber vor allem anderen Interessierten fördern will. Termine, Kontaktdaten von Kirchengemeinden und ihrer Mitarbeitenden, digitale Bibeln und Materialien, das 2017 neu veröffentlichte Gesangbuch sowie eine tägliche Auslegung der Tageslosung sind hier zu finden. Letztere wird reihum von Mitarbeitenden der einzelnen Kirchenkreise verantwortet. „Auf diese Weise wird die Vielfältigkeit unserer Kirche sichtbar und hörbar“, erklärt Emilio Voigt, in dessen Arbeitsbereich die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche fällt. Ein weiteres Feature der App ist die Verknüpfung der einzelnen Gemeinden mit gängigen Navigationssystemen.
Neben der App werden digitale Tools für Online-Sitzungen und -Treffen genutzt, was bei den großen Entfernungen in Brasilien nicht nur Zeit, sondern auch Geld spart. In der Zeit, als die Corona-Pandemie persönliche Begegnungen unmöglich machte, gab es beispielsweise alle zwei bis drei Wochen einen Online-Austausch der Kirchenleitung in Porto Alegre mit den verantwortlichen Pfarrerinnen und Pfarrern in den Kirchenkreisen.
Auch Messengerdienste spielen im Flächenland Brasilieneine wichtige Rolle bei der Kommunikation. Deshalb verständigen sich viele Gemeindeglieder zusätzlich über WhatsApp. „Der große Vorteil ist, dass der Dienst in Brasilien kostenlos ist und keine zusätzlichen Kosten für das Internet anfallen“, erklärt Geraldo Grützmann, Fachreferent für Brasilien bei Mission EineWelt. Allerdings besteht auch hier die Gefahr, dass die Whatsapp-Gruppen von Rechtsradikalen als „Werbefläche“ für ihre politischen Ansichten missbraucht werden. Deshalb gibt es in manchen Gemeinden offizielle Beschlüsse der Kirchenvorstände, die diese Agitation verbieten und sich vorbehalten, Personen bei Zuwiderhandlung aus dem Informationsfluss auszuschließen.
Auch die sozialen Medien wie Facebook oder Instagram werden genutzt. Die aktuelle Tagung der Synode wird auf
dem YouTube-Kanal der IECLB live übertragen. Hier gibt es auch eine Chat-Funktion, die eine unmittelbare digitale Interaktion ermöglicht.
Aber die Nutzung digitaler Medien führt auch zu neuen Herausforderungen. Immer wieder gibt es, vor allem auf Facebook oder Instagram, Angriffe auf Personen oder die Institution als ganze. Aussagen werden aus Kontexten gelöst und zur Diffamierung genutzt. Gerade das diakonische Engagement der IELCB wird in den sozialen Medien als kommunistisch gebrandmarkt. Leider kommen diese Angriffe nicht nur von Außen, sondern auch aus der Kirche selbst. Deshalb wird der Livestream der Synode von Mitarbeitenden der Kirchenzentrale begleitet. „Aktuell müssen wir besonders aufpassen, dass wir als Kirche nicht im Rahmen der politischen Auseinandersetzungen instrumentalisiert oder diffamiert werden. Wir müssen die vielen Kanäle im Blick behalten, Fake-News löschen oder kommentieren“, berichtet Voigt, der den Chat-Verlauf, aber auch die Kommentare in den sozialen Medien genau verfolgt und begleitet.
Während der Synode wurde der ehemalige Kirchenpräsident Walter Altmann wegen seines gerade veröffentlichten Buches über die Diakonin Irma Doraci von einer innerkirchlichen Gruppe auf deren Internetseite diffamiert und als Kommunist hingestellt. Zudem wurde behauptet, Doraci, die bei einem Einsatz in Mozambique ermordete wurde, sei selbst schuld an ihrem Tod, weil sie sich sowohl in Brasilsien als auch in Afrika für „Randgruppen“ eingesetzt habe. Zur Untermauerung ihrer Aussagen berief sich die Gruppe auf einen Synodalen, der angeblich ihr Anliegen unterstützte. Dieser dementierte allerdings umgehend und sagte, sein Name sei für eine Sache missbraucht worden, mit der er nichts zu tun habe.
Alles im allem fällt eine erste Beurteilung des digitalen Engagements der IELCB aber positiv aus. In einem Land, dessen Fläche etwa 24 Mal so groß ist wie Deutschland, ergänzen digitale Möglichkeiten die persönlichen Begegnungen im gemeindlichen Alltag. Dass es hier kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als auch geben muss, zeigen auch die Diskussionen auf der aktuell stattfindenden 33. Synode, die nach 2020 wieder in Präsenz stattfindet. Viele Mitglieder beurteilen die Nutzung digitaler Medien für die Arbeit der Kirche positiv, sind aber auch froh über den persönlichen Austausch und das gemeinsame Feiern von Gottesdiensten im analogen Raum.
Hanns Hoerschelmann