Bischof Sumoward E. Harris, der dritte Bischof der Lutherischen Kirche in Liberia (LCL), starb nach kurzer Krankheit am 14. Januar 2021 drei Tage nach seinem 73. Geburtstag. Er leitete die Partnerkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern im Zeitraum von Mai 1995 bis Mai 2012. Harris übernahm das Amt in einer Zeit, als man hoffte, das Ende des fürchterlichen Bürgerkriegs (1989-2003) mit einem Waffenstillstand einleiten zu können. Zu dieser Zeit waren die Erinnerungen an das schlimmste Massaker im Bürgerkrieg noch ganz frisch. Im Jahr 1990 hatten über 600 Zivilist*innen in der lutherischen Bischofskirche St. Peter’s in Monrovia Zuflucht gesucht. Dort waren sie von Regierungstruppen brutal ermordet worden. Viele Menschen konnten sich angesichts dieser Geschichte keinen Frieden vorstellen. Bischof Harris jedoch arbeitete von Anfang an für Versöhnung und Verständigung. In diesem Sinne hatte er auch den Lutherischen Weltdienst nach Liberia eingeladen: für Hilfe in dieser Katastrophe und beim Wiederaufbau.
Im Jahr 1998, als der Frieden greifbar schien, lud Bischof Harris auch die erste Mitarbeiterin aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) zum Dienst in der LCL ein. Pfarrerin Marina Rauh nahm diese Aufgabe an und blieb auch in Monrovia, als sich die Friedenshoffnungen zerschlagen hatten und der Bürgerkrieg in eine neue Runde ging.
Sumoward E. Harris engagierte sich weiter für den Frieden in seinem Land. Über den Liberian Council of Churches gelang es ihm, dass die wichtigsten Kirchen des Landes ihre Forderung nach Frieden mit einer Stimme zu Gehör brachten. Im gleichen Sinne konnte er auch einen großen Teil der Muslime über den Interreligious Council of Liberia einbeziehen.
Die Wendung hin zum Frieden zeichnete sich ab 2001 ab, als Frauen unter Leitung von Friedensnobelpreisträgerin und LCL-Mitglied Leyma Gboweh sich aktiv in der Friedensarbeit engagierten, weil sie den Männern keine Lösung mehr zutrauten. Das „Women in Peacebuilding Network“ in Liberia wurde von Anfang an auch durch Bischof Harris unterstützt und gab wichtige Impulse dafür, dass die kämpfenden Parteien im August 2003 schließlich einen Friedensvertrag schlossen.
In der Nachkriegsphase engagierte sich Harris besonders für die im Krieg vollkommen aufgelösten Dorfgemeinden. In Partnerschaft mit der ELKB gelang es, nach und nach an strategischen Punkten wieder Gemeindearbeit zu ermöglichen, Kirchen und Pfarrhäuser wiederaufzubauen und die Menschen zur Rückkehr aus den Lagern für Inlandsflüchtlinge zu motivieren. Um der vom Krieg verstörten Jugend eine Zukunftsperspektive zu zeigen, war es ihm besonders wichtig, Schulen und Berufsbildungszentren aus den Ruinen wiederherzustellen. Einen besonderen Schwerpunkt setzte er dabei auf die christliche Bildungsarbeit in den Schulen. Die ELKB unterstützte diese Ansätze mit mehreren Mitarbeitenden.
Wer Bischof Harris über all diese schwierigen Jahre kannte, weiß, wie schwer die Verantwortung auf ihm lastete und auch seine Gesundheit beeinträchtigte. Niemals aber verlor er seinen tiefsinnigen Humor und seine Liebe für die Menschen in Liberia.
Im März 2012 verstarb seine Frau Kpanah B. Harris, mit der er sieben Kinder hatte. Das hat ihn schwer getroffen. Im Mai 2012 ging Bischof Harris in den Ruhestand. Er gliederte sich wieder in die theologische Ausbildungsarbeit seiner Kirche ein und gab dort wichtige Impulse.
Reinhard Hansen