Amirul Haque Amin heißt der diesjährige Träger des elften Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis. Der Menschenrechtler aus Bangladesch wurde für seinen Kampf um bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie ausgezeichnet. Nürnberger Bürger und engagierte Gruppen solidarisierten sich bei der diesjährigen Friedenstafel mit dem Preisträger. Auch Mission EineWelt und die Pazifik Informationsstelle waren als Mitwirkende vertreten.
Während viele Nürnberger das milde Wetter gestern für eine Shopping-Tour nutzten, um günstige Herbstkleidung beim verkaufsoffenen Sonntag zu ergattern, fand nur ein paar Gehminuten entfernt im Nürnberger Opernhaus die Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises statt. Seit 20 Jahren lenkt dieser Preis die Aufmerksamkeit auf Personen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen und sich damit häufig auch Anfeindungen und Angriffen aussetzen.
In diesem Jahr erhielt Amirul Haque Amin die Auszeichnung für sein Engagement als Mitbegründer und Präsident der „National Garment Workers Federation“ (Nationalen Gewerkschaft der Textilarbeiter, kurz: NGWF). Seit 30 Jahren setzt sich der Gewerkschaftschef aus Bangladesch für die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken ein und kämpft unerschrocken gegen Hungerlöhne, Sicherheitsrisiken und die Entrechtung der 3,6 Millionen Menschen, die in der Hauptexportbranche des Landes beschäftigt sind. Unter seiner Ägide gelang es der Gewerkschaft, die Vernetzung und damit den Einfluss zum Wohl der Beschäftigten landesweit und international auszubauen.
Wie schlimm die Lage vielerorts in Bangladesch ist, rückte besonders 2013 ins öffentliche Bewusstsein. In diesem Jahr stürzte in Dhaka das Rana Plaza-Gebäude ein. Mehr als 1.000 Beschäftigte starben, über 2.000 wurden verletzt. Nach der Katastrophe gab es zwar viele Reformversprechen, doch Menschenrechtsverteidiger wie Amirul Haque Amin beklagen, dass noch immer gravierende Missstände in den Fabriken herrschen.
Mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 50 Euro im Monat liegt Bangladesch beispielsweise noch deutlich unter dem Lohnniveau von Vietnam, Kambodscha, China oder Indien. Der Preisdruck, der durch westliche Modeketten ausgelöst wird, führt bei den Beschäftigten zu ausbeuterischen Arbeits- und Lebensbedingungen. Wenn jene Modeketten zum gesetzlichen Mindestlohn jeder Näherin nur jeweils 50 Euro im Monat bezahlen würden, würde sich das einzelne Produkt wie Jeans oder Bluse gerade einmal um 11 bis 12 Cent verteuern. Verbraucher im Westen, auch die Schnäppchenjäger beim verkaufsoffenen Sonntag in Nürnberg, würden dies kaum spüren. Doch die Lebenssituation der mehrheitlich weiblichen Arbeiter in Bangladesch würde sich damit erheblich verbessern.
Mit der Auszeichnung von Amin hat die internationale Jury erstmals die sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte in den Blick genommen. Das Votum ist ein Aufruf an die gesamte Bekleidungsindustrie, wirtschaftsethische Prinzipien in allen Gliedern der Produktionskette einzuhalten. Globalisierter und freier Handel ohne die Einhaltung sozialer Standards widerspricht grundlegenden Menschenrechten. Zusätzlich will die Jury damit an das Verbrauchergewissen appellieren und für verantwortungsvollen Konsum sensibilisieren.
Eine Gelegenheit zum Kennenlernen des Preisträgers bot sich für die Öffentlichkeit im Anschluss an die Preisverleihung. Bei der Friedenstafel, einem Bürgerfest rund um den Kornmarkt, kamen nach der festlichen Zeremonie die Ehrengäste aus aller Welt mit den Bürgern der Stadt an einer langen Tafel, bestehend aus über dreihundert Tischen, zusammen. Rund 3.500 Personen, darunter Mitarbeitende von Mission EineWelt und von anderen Nürnberger Menschenrechtsorganisationen, setzten so ein Zeichen des Friedens, der Achtung der Menschenrechte und der Solidarität für das mutige Engagement des Preisträgers.
Mission EineWelt engagiert sich seit langem für den fairen Handel und menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit. Als Mitglied der „Kampagne für saubere Kleidung“ fordert das Partnerschaftscentrum der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie und die Einhaltung sozialer Mindeststandards. Entsprechende Produktions- und Handelsunternehmen sollen einen Verhaltenskodex unterzeichnen und umsetzen. Die wichtige Arbeit von Menschenrechtsverteidigern, wie die von Amirul Haque Amin, soll so auch international unterstützt und gefördert werden.
Im Rahmen der Friedenstafel war Mission EineWelt gemeinsam mit Nürnberger Weltläden und der Textilkünstlerin Heidi Drahota mit einem Informationsstand, einen „Tatort des unfairen Handels“ sowie eine „Nähstation“ zum Mitmachen vertreten. Direkt vor Ort wurde damit zum Thema „Faire Produktion“ informiert und aktiv auf Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung von Textilien hingewiesen.
Mit diesem Rahmenprogramm um die Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises an Amirul Haque Amin bot sich so für sämtliche Bürger die Gelegenheit, am letzten Sonntag im September in Nürnberg nicht nur einzukaufen, sondern auch einen informativen wie unterhaltsamen Nachmittag zu erleben. Und selbst der eine oder andere zufällig vorbeischlendernde Passant, der auf der Suche nach neuen Modetrends und günstiger Kleidung in Nürnbergs Innenstadt unterwegs war, konnte so für die Missstände in der Textilindustrie sensibilisiert werden.