Feierlich ins Amt eingeführt: der neue Leitende Bischof der ELCT, Alex Malasusa. Im Vordergrund: Die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan (Foto: Gabriele Hoerschelmann)

Feierlich ins Amt eingeführt: der neue Leitende Bischof der ELCT, Alex Malasusa. Im Vordergrund: Die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan (Foto: Gabriele Hoerschelmann)

Bei einem feierlichen Gottesdienst in der Azania Front Cathedral in Dar es Salaam übergab am 21. Januar 2024 nach acht Jahren Amtszeit Fredrick Shoo den Stab des Leitenden Bischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT) an seinen Nachfolger Alex Malasusa. Das Aufgebot der Gäste war groß: Vertreter*innen der weltweiten Kirche, darunter auch Mission EineWelt-Direktorin Gabriele Hoerschelmann, waren ebenso zugegen wie die Botschafter der Staaten Südafrika, Norwegen, Finnland und USA, der Generalsekretär des National Muslim Council of Tanzania (Bakwata), Nuhu Mruma, und die tansanische Staatspräsidentin Samia Suluhu Hassan mitsamt mehrerer Minister und der Sprecherin des Parlaments, Tulia Ackson.

Gerade letzterer Fakt ist auch ein Ausdruck des lebendigen Dialogs zwischen Regierung und ELCT. So dankte Suluhu Hassan in ihrer Ansprache auch zunächst dem scheidenden Bischof Fredrick Shoo: Er habe ihr die ELCT in den letzten Jahren nahegebracht. Dann verlieh sie ihrer Hoffnung Ausdruck, die Kirchen mögen weiterhin mitarbeiten an der Weiterentwicklung der tansanischen Gesellschaft. Direkt an den neuen Leitenden Bischof gewandt, sagte sie: „Verlasse dich nicht auf deinen Verstand, sondern allein auf Gott.“

Im partnerschaftlichen Dialog: Alex Malasusa und Gabriele Hoerschelmann (Foto: Claus Heim)

Im partnerschaftlichen Dialog: Alex Malasusa und Gabriele Hoerschelmann (Foto: Claus Heim)

Für ein vertrauensvolles Miteinander der Religionen sprach sich Nuhu Mruma aus: „Wir sollten uns immer wieder kennen und schätzen lernen, nur so lässt sich Entwicklung und Frieden dauerhaft verwirklichen.“ Alex Malasusa bekräftigte dieses Bekenntnis zum geschwisterlichen interreligiösen Dialogs seinerseits. Er wolle demütig als Mitarbeiter Gottes arbeiten und die Einheit der Kirchen stärken, betonte er in seinem Grußwort.

Weltweite Probleme blieben nicht außen vor. Heftige Regenfälle inmitten der Trockenzeit, ausgelöst durch El Niño, gingen auch während des Gottesdienstes nieder und riefen den Klimawandel sehr konkret in Erinnerung. Malasusa benannte Umweltschutz – neben Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialem Zusammenhalt – denn auch als eine der zentralen Zukunftsaufgaben.

Vorher hatte Christian Samraj, Bischof der New Jerusalem India Lutheran Church, in seiner Predigt seinen neuen tansanischen Kollegen ermutigt, die globalen Herausforderungen „anzusprechen, indem Sie die Ihnen von Gott verliehene Autorität nutzen“.

Dabei könnte dem neuen Leitenden Bischof der ELCT seine Amtserfahrung helfen. Alex Malasusa war bereits von 2007 bis 2015 Presiding Bishop seiner Kirche. Allerdings ist seine neuerliche Wahl nach bereits zwei Amtsperioden innerhalb der ELCT nicht unumstritten.

(c) zusammen-gegen-rechts.org

(c) zusammen-gegen-rechts.org

Bunt statt braun. Es ist höchste Zeit, Gesicht zu zeigen: gegen Hass, gegen Intoleranz, gegen Rassismus, gegen rechtsradikale Propaganda! Für ein friedvolles, respektvolles, offenes und tolerantes Miteinander!

Mission EineWelt ruft ausdrücklich zur Teilnahme an den Demonstrationen „Zusammen gegen Rechts“ beispielsweise in Nürnberg (Samstag, 20. Januar 2024, von 14 bis 15:30 Uhr am Willy-Brandt-Platz), Ansbach (Samstag, 20. Januar 2024, ab 14:30 Uhr, am Martin-Luther-Platz vor dem Rathaus) und Neuendettelsau (Sonntag, 28. Januar 2024, ab 11:55 Uhr am Sternplatz) auf.

Sorgen zum Auftakt der Lateinamerikawoche 2024 für Stimmung: ChimiChango (Foto: ChimiChango)

Sorgen zum Auftakt der Lateinamerikawoche 2024 für Stimmung: ChimiChango (Foto: ChimiChango)

Von Samstag, 20. Januar, bis Sonntag, 28. Januar 2024, findet in der Nürnberger Villa Leon und online zum 47. Mal die Lateinamerikawoche statt. Der bunte Veranstaltungsreigen zu einem vielfältigen Kontinent startet am Samstagabend um 20 Uhr mit einem Tango-Konzert der Band ChimiChango. Dazu gibt’s ein lateinamerikanisches Buffet. Am Sonntagmittag liest Ariel Magnus aus seinem Buch „Das zweite Leben des Adolf Eichmann – El desafortunado“. Abends folgt ein zweisprachiger ökumenischer Gottesdienst im lateinamerikanischen Stil zum Thema “Gutes Leben für alle! Nur wie?“.

Im Zentrum der Woche stehen Vorträge und Diskussionen zu den verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklungen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas: unter anderem geht es um den schleichenden Demokratieabbau in Ecuador, die Schwierigkeiten der fortschrittlichen Regierung in Kolumbien mit den alten Machteliten, die aktuelle Dauerkrise in Peru, die Probleme der EU-Handelspolitik mit der Nachhaltigkeit am Beispiel des EU-Mercosur-Abkommens oder die Folgen der neuen Verschuldungskrise in Lateinamerika. Wichtig sind dabei stets die Rolle der Menschenrechte und der Akteur*innen für mehr Gerechtigkeit und Umweltschutz sowie solidarische Handlungsmöglichkeiten von Seiten zivilgesellschaftlicher Gruppen und Bürger*innen von Deutschland und  Europa aus.

Spannend verspricht auch der Insiderbericht des ehemaligen ecuadorianischen Konsuls Fidel Narvaez über die Aufkündigung des Asyls für Wikileaks-Gründer Julian Assange seitens Ecuador am Dienstagabend um 20 Uhr zu werden.

Zu Ende geht die Lateinamerikawoche wieder musikalisch, festlich und kreativ: El Flecha Negra sorgen am Abend des 27. Januar mit ihrem Crossover aus Cumbia, Reggae und Mestizo für Stimmung bevor im Anschluss die legendäre AfterLaWoParty durchstartet. Am Sonntag heißt es dann traditionell „Fiesta latina“: Ein buntes Familienfest mit leckerem Essen, Action und Kreativ-Angeboten.

Begleitend zur Lateinamerikawoche lädt die Ausstellung „Caminos“ des nicaraguanischen Künstlers Douglas Telles zum Reflektieren „über die vielschichtigen Aspekte des Lebens in einer sich wandelnden Welt“ ein. Die Themenausstellung „Genug für alle – Wirtschaftswandel wagen“ befasst sich mit dem dringend notwendigen sozial-ökologischen Umbau des Wirtschaftssystems. Zu dieser Ausstellung werden Workshops für Gruppen und Schulklassen angeboten.

 

Gisela Voltz

 

Alle Infos und Zoomlink zur Online-Teilnahme unter: lateinamerikawoche.de

Das Programm der Lateinamerikafilmwoche von 8. bis 14. Februar 2024 findet sich hier: filmhaus.nuernberg.de

Interview mit Andreas Latz, Seemannspastor in Singapur

 

Im sicheren Hafen: die Al Jasrah in Pasir Panjang, dem größten Containerhafen Singapurs (Foto: Andreas Latz)

Im sicheren Hafen: die Al Jasrah in Pasir Panjang, dem größten Containerhafen Singapurs (Foto: Andreas Latz)

Der Krieg in Gaza macht auch die vielbefahrene Schifffahrtsroute durchs Rote Meer unsicher. Die Huthis, die einen Teil des Jemen kontrollieren, haben sich mit den Palästinenser*innen solidarisiert und greifen vermehrt Handelsschiffe an. Die Schiffsbesatzungen müssen um ihr Leben fürchten. Wie sich das auf die Crew-Mitglieder auswirkt, hat kurz vor Jahreswechsel Andreas Latz erfahren. Der von Mission EineWelt ausgesendete Pfarrer arbeitet als Seemannspastor in Singapur. Im Interview erzählt er von seinen Eindrücken an Bord des unter liberianischer Flagge fahrenden Containerschiffs Al Jasrah der deutschen Reederei Hapag Loyd. Das 368 Meter lange und 51 Meter breite Schiff mit einer Ladekapazität von 15.000 Containern wurde Mitte Dezember 2023 von den Huthi mit Raketen beschossen und entkam mit knapper Not.

 

Wie wichtig ist das Rote Meer als Schifffahrtsstraße. Wie hoch ist in Friedenszeiten das Verkehrsaufkommen?

Das Rote Meer wird nördlich vom Suezkanal befahren und südlich vom Golf von Aden, im Jahr 2022 haben fast 24.000 Schiffe den Kanal durchquert, das sind 65 Schiffe pro Tag, Containerschiffe und Autofrachter, Stückgut- und Massengut Transporter, Spezialschiffe.

 

Wie erfährt die Seemannsmission, wenn – wie im Fall der Al Jasrah – ein beschossenes Schiff einläuft?

Es ist weltweit Standard, die Seemannsmissionen zu informieren. In einem Krisenfall wird sofort die örtliche Stationsleitung kontaktiert und ein Besuch mit dem Agenten vor Ort oder mit dem Kapitän vereinbart. So war es auch bei der beschossenen Al Jasrah.

 

Was haben Dir die Crew-Mitglieder über den Beschuss und ihre Reaktion darauf berichtet?

Grundsätzlich sind Krisen an Bord, die den geregelten strukturierten Arbeitsalltag durcheinander bringen, immer eine Belastung für alle. Im Fall der von einer Rakete getroffenen Al Jasrah war der junge polnische Kapitän unglaublich stolz auf seine Mannschaft, weil alle vorbildlich die vorbereiteten Notfallprogramme abgearbeitet haben. So konnte das Feuer einiger in Flammen stehender Container unverzüglich gelöscht und ein Bruch der Schiffshülle vermieden werden. Das gab der Schiffsleitung die Chance, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 17 Knoten das Rote Meer in Richtung Süden zu verlassen. Dramatisch, das war den Augenzeugenberichten abzuspüren, war die Vorüberfahrt an der weitaus kleineren MSC Palatium III, die von drei Raketen getroffen worden war und in Flammen stand. Normalerweise ist auf hoher See die Seenotrettung ein unumstößliches, nicht zu hinterfragendes Gesetz. In diesem Fall bedeutete es auf der Al Jasrah abzuwägen, die Volllastfahrt zu stoppen, sich erneut in Gefahr zu bringen, um der MSC Palatium III Seenothilfe anzubieten, oder zügig weiterzufahren, um die eigene Besatzung und das eigene Schiff zu retten. Amerikanische Marineboote waren aber wohl schon nahe, um Rettung und Schutz zu gewährleisten. All dies ist am 15. Dezember 2023 passiert. Am 28. Dezember konnte ich das riesige Containerschiff in Pasir Panjang, dem größten Containerhafen Singapurs, besuchen. Noch immer standen einige unter dem Schock der vergangenen Ereignisse. Als die Al Jasrah sichere Gewässer erreichen konnte, stellte sich mit einer Verzögerung von etwa zwei Tagen angesichts der Erlebnisse ein kollektiver Schock ein, so dass an Bord nur sehr leichte Arbeiten verrichtet werden konnten, auch um das Risiko von Arbeitsunfällen zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund war das Weihnachtsfest sehr willkommen, das mit viel Ruhe und einer Feier mit Festmahl an Bord begangen wurde.

 

Was tut die Seemannsmission für solche Besatzungen?

Das Besuchs- und Gesprächsangebot ist unglaublich wichtig. Der Watchman begrüßte mich schon mit Namen, ich wurde schriftlich angekündigt und erwartet, und nur ich hatte in diesem Fall eine Besuchserlaubnis. Eine Kindergottesdienstgruppe einer lutherischen Gemeinde in Singapur hatte Grußkarten geschrieben und kleine Präsente liebevoll vorbereitet, das erleichterte den Zugang zu Gespräch und Austausch mit der zum großen Teil philippinischen Crew. Viele meiner Kolleg*innen haben eine PSNV-Ausbildung absolviert, Psychosoziale Notfallversorgung, ich auch. Das ist sehr hilfreich.

 

Was haben die Seeleute in den persönlichen Gesprächen geschildert? – Was geht ihnen angesichts des Erlebten durch den Kopf?

Die größte Sorge der Seefahrenden war, ihre Familie nicht mehr wiedersehen zu können. Diese Angst, zeitverzögert eingetreten, war immens.

 

Gibt es für Reedereien, die Möglichkeit, ihre Schiffe umzuleiten? Nutzen sie diese Möglichkeit?

In der Tat gibt es Möglichkeiten, ganz einfach, indem man der momentanen Gefahr und Bedrohung im Roten Meer durch die lange Route ums Kap der guten Hoffnung ausweicht.

 

Welche Möglichkeiten hat die Seemannsmission, als Fürsprecherin der Seeleute Reedereien dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihre Schiffe umleiten, so lange die Gefahrensituation besteht?

Natürlich sind die Seemannsmissionen in einem dichten Netzwerk in der maritimen Welt eingebunden, das ist ähnlich in allen Häfen der Welt. Im konkreten Fall war es so, dass der Kapitän seine große Sorge mit mir teilte, dass er auf dem Rückweg nach Europa wohl wieder das Rote Meer durchqueren müsse, weil die große Containerlinie Maersk für ihre Schiffe kurz zuvor angekündigt hatte, diese Route wieder zu nutzen und Hapag Lloyd sich dem anschloss. Ich bedankte mich bei dem Kapitän via Mail am Abend sehr herzlich für die Besuchs- und Gesprächsmöglichkeiten und schrieb: „Wenn ich einen Wunsch frei hätte und es ihnen möglich ist, nehmen sie bitte die lange Route übers Kap der guten Hoffnung, ihre Crew wird es ihnen nicht genug danken können.“ Nur wenige Minuten später bekam ich vom CEO der Reederei aus Hamburg eine Mail. Er schrieb, er könne garantieren, dass Hapag Loyd-Schiffe vorerst nicht mehr die Durchfahrt durchs Rote Meer nutzen.

Eigentlich haben sich Kommission, Rat und Parlament der EU im Dezember letzten Jahres auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf für ein EU-Lieferkettengesetz geeinigt. Jetzt hat das FDP-Präsidium beschlossen, diesen in fünf Verhandlungsrunden mühsam ausgehandelten Kompromiss der gesetzgebenden Organe der EU stoppen zu wollen. Dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Vorfeld an der Ausgestaltung des Entwurfs mitgearbeitet hatte, scheint plötzlich unerheblich. Wie bei vielen Beobachter*innen stößt dieses Vorgehen auch beim internationalen Partnerschaftszentrum Mission EineWelt auf absolutes Unverständnis: „Mit dieser Anti-Politik macht die FDP Deutschland lächerlich, das ist mir persönlich peinlich“, kommentiert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt, dieses Verhalten.

Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global von Mission EineWelt (Foto: MEW)

Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global von Mission EineWelt (Foto: MEW)

Wer mit der FDP ein Gesetz beschließen will, muss, so scheint es, zittern bis zur finalen Abstimmung. Die aktuelle Posse um das EU-Lieferkettengesetz ist nicht die erste Last Minute-Meinungsänderung, die sich die deutschen Liberalen auf nationaler und internationaler Ebene leisten. Im Fall der EU-Richtlinie für ein Lieferkettengesetz würde, so die Einschätzung von Jürgen Bergmann, „ein für die Zivilgesellschaft brauchbarer und konstruktiver Kompromiss zerstört, der genau für das steht, was die FDP immer fordert: Fairness im globalen Wettbewerb.“ Ein EU-Lieferkettengesetz in der ausgehandelten Form würde in vielen Punkten gewährleisten, dass alle europäischen Unternehmen Regeln zur Einhaltung von Menschenrechten und für Umweltschutz entlang ihrer Lieferketten beachten und umsetzen müssten.

„Für uns als kirchliche Organisation und Mitglied der Initiative Lieferkettengesetz ist das irrlichternde Verhalten der FDP weder mit christlichen noch mit europäischen Werten vereinbar“, kritisiert Bergmann, „das ist einfach nur peinlich und billiger Populismus.“

Mission EineWelt schließt sich deshalb der Forderung der Initiative Lieferkettengesetz an: „Bundeskanzler Olaf Scholz ist nun in der Verantwortung, die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in der EU zu schützen. Es liegt jetzt am Kanzler, den Kompromiss beim EU-Lieferkettengesetz zu verteidigen – denn dieser leistet einen wichtigen Beitrag für Menschenrechte und Umwelt, ohne Unternehmen dabei zu überfordern.“

 

Weitere Informationen:

lieferkettengesetz.de

Foto: Initiative lieferkettengesetz.de

Voraussichtlich am 13. Dezember verhandeln die gesetzgebenden Organe der EU, Kommission, Rat und Parlament, zum mittlerweile fünften Mal über den finalen Gesetzestext zum EU-Lieferkettengesetz. Gibt es in diesem sogenannten Trilog eine Einigung, geht der Gesetzesentwurf zur Abstimmung ins EU-Parlament. Es könnte also sein, dass das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode zustande kommt. Viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen, hoffen, dass dieser Fall eintritt.

Auch Mission EineWelt setzt sich unter anderem als Mitglied der Initiative Lieferkettengesetz (lieferkettengesetz.de) für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein. „Es wäre jetzt extrem wichtig, dass Europa die Belange der Menschen in den Ländern des Globalen Südens endlich nachvollziehbar ernstnimmt“, fordert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt. Es geht um die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten und es geht um Umwelt- und Klimaschutz. Für Menschen in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern ist ein Job bei Unternehmen aus den Industrieländern oder deren Zulieferbetrieben nicht gleichbedeutend mit sozialem Aufstieg. Ob es um die Produktion von Kleidung, die Förderung von Rohstoffen oder den Anbau von Nahrungsmitteln geht: Die Arbeitsbedingungen sind vielerorts unsäglich. „Das Spektrum reicht von gesundheitsschädlich bis hin zu akut lebensgefährlich“, erklärt Bergmann. „Dazu reicht der Lohn oft noch nicht einmal für die Existenzsicherung und die Menschen müssen auch noch zusehen, wie ihre Lebenswelt rücksichtslos zerstört wird.“ Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder werde dadurch mehr behindert als gefördert. So weiterzumachen sei, resümiert Bergmann, „wenn schon nicht aus Idealismus und Menschenliebe“ angesichts diverser Krisen, die auch aus dieser ausbeuterischen Form des Wirtschaftens entstanden seien, auch unter pragmatischen Gesichtspunkten „keine gute Idee“.

Ein möglichst starkes, wirksames Lieferkettengesetz auf EU-Ebene könnte die Situation erheblich verbessern. Es würde einerseits europäische Unternehmen dazu verpflichten, für die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie von Umweltschutzmaßnahmen entlang ihrer Lieferketten zu sorgen. Andererseits bekämen Leidtragende von Verstößen gegen diese Rechte die Möglichkeit, die Verursacher vor Gericht haftbar zu machen.

Aber ob das Gesetz in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments zustande kommt, ist ungewiss. Selbst bei einer Einigung im Trilog ist die Verabschiedung durch das Parlament nicht garantiert. Auch die deutsche Bundesregierung verhält sich zögerlich und kann sich bis dato nicht durchringen, die Unternehmen konkret in die Pflicht zu nehmen. „Das ist unter rationalen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar“, wundert sich Jürgen Bergmann. „Je weiter der Geltungsbereich eines Lieferkettengesetzes weltweit reicht, desto mehr Unternehmen müssen sich an diese Regeln halten. Weltweite Regeln würden also für fairen Wettbewerb sorgen und auch die vom deutschen Lieferkettengesetz erwarteten Nachteile für hiesige Unternehmen beseitigen.“ An letztere glaubt der Agrar-Ökonom ohnehin nicht: „Unter anderem in der Spielzeugindustrie sehen wir schon jetzt, wie die Einhaltung menschen- und umweltrechtlicher Standards zum Wettbewerbsvorteil wird. Die Verbraucher*innen wollen Produkte, für deren Erwerb sie sich nicht schämen müssen.“

Zusammen mit der Initiative Lieferkettengesetz bittet Mission EineWelt die Menschen in Deutschland darum, sich an einem Mailing zu beteiligen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auffordert, sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Der Link zum Mailing: https://lieferkettengesetz.de/

Maro Maua, Global Youth Advocate for Sustainable Development Goals

Maro Maua, Global Youth Advocate for Sustainable Development Goals

Eigentlich wollen alle Plastikmüll vermeiden. Doch manche haben andere, für sie wichtigere Interessen. Also bleibt erstmal alles, wie es ist, und die Verschmutzung geht weiter. Wasch mich, aber mach mich nicht nass: So könnte man die 3. Verhandlungsrunde für ein UN-Abkommen zur weltweiten Eindämmung von Plastikmüll zusammenfassen.

Sieben Tage bis 19. November 2023 hatten sich die rund 1900 Delegierten der 161 UN-Mitgliedsstaaten und der 318 Beobachterorganisationen Zeit genommen, um aus dem Zero Draft, einer Sammlung verschiedener Möglichkeiten und Ansätze zur Plastikmüllvermeidung und -beschränkung, einen ersten Vertragstext zu entwickeln. Trotz der von vielen Seiten anerkannten und forcierten Dringlichkeit, etwas gegen die fortschreitende Flutung mit Kunststoffen aller Art zu unternehmen, konnten sich die Delegierten nicht einigen.

Vornehmlich waren es erdölproduzierende Staaten wie Saudi-Arabien oder Russland, die eine Einigung blockierten. Aber auch China, die USA oder Indien haben, genau wie Europa als Heimat führender Chemiekonzerne, wirtschaftliche Interessen, die zumindest in Richtung eines möglichst aufgeweichten Abkommens gehen. Für die Vertretung der Interessen von Erdöl- und Chemieindustrie waren 143 Lobbyist*innen auf den Plan getreten. Etwa ein Drittel mehr als bei der zweiten Verhandlungsrunde. Auch sie haben nach Einschätzung vieler Delegierter einen gewichtigen Anteil daran, dass kein Konsens erzielt werden konnte.

Einer der Delegierten war Maro Maua aus Kenia, der für den Lutherischen Weltbund auch an den UN-Klimakonferenzen teilnimmt. Der „Global Youth Advocate for Sustainable Development Goals“ findet drastische Worte über den Ausgang der Verhandlungen zur Plastikmüllvermeidung: „Die Eröffnung der Verhandlungen wurde vom gastgebenden kenianischen Präsidenten William Ruto geleitet, der die Mitglieder aufforderte, sich den ‚Geist von Nairobi‘ zunutze zu machen, der für Zusammenarbeit und Einigkeit steht. Die internationale Gemeinschaft schlachtete jedoch genau diesen Geist ab.“ Das „Scheitern“ bei der Findung einer Einigung werde „als großer Rückschlag für den Fortschritt in die Geschichte eingehen“.

Nun, so Maua, liege die Aufmerksamkeit auf dem nächsten UN-Klimagipfel, der am 30. November 2023 in Dubai beginnt. Angesichts der dort erwarteten Armada von Lobbyist*innen für fossile Brennstoffe ist aus seiner Sicht hinsichtlich eines konstruktiven Ergebnisses nicht allzuviel zu erwarten: Wahrscheinlich sei auch dort das Scheitern der Diplomatie: „Normalerweise ist es ein vorsichtiger Schritt nach vorne und zwei rückwärts.“

Mit Blick auf die Zukunft der Menschheit ist Zuversicht derzeit eine schwierige Übung.

Traueranzeige der ELCT für Altbischof Erasto Kweka Foto: ELCT

Traueranzeige der ELCT-Norddiözese für Altbischof Erasto Kweka
(Fotomontage: ELCT-Nordiözese)

Am 25. November 2023 ist Erasto Kweka im Alter 89 Jahren gestorben. Er hat als Bischof der ELCT-Norddiözese das Leben und Wachstum der lutherischen Kirche in einer entscheidenden Phase geprägt. In seiner Amtszeit von 1976 bis 2004 steuerte er weit über die Grenzen seiner Diözese hinaus die Zusammenarbeit von Kirche und Staat. In dieser Zeit war er als einflussreiche Persönlichkeit in Kontakt mit den drei Staatspräsidenten, die damals das Land regierten. Julius Nyerere, Ali Hassan Mwinyi und Benjamin Mkapa führten Tansania in dieser Periode vom sogenannten afrikanischen Sozialismus zur Marktwirtschaft.

Auch die Umstellung vom Ein- zum Mehrparteien-System fiel in diese Zeit. Das hatte große Auswirkungen auf das tägliche Leben der Menschen und die Aufgaben der gesellschaftlich bedeutenden lutherischen Kirche. Bischof Kweka hat sich den damit verbundenen Herausforderungen mit Zuversicht und starkem Willen zu Erneuerung und Aufbruch gestellt.

Tansania ist ein multireligiöser Staat. Es bleibt beeindruckend, wie Erasto Kweka den gemäßigten Muslim*innen die Hand reichte und auch Unterstützung anbot, um extremistischen Strömungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er tat das auch im Hinblick auf das Wohlergehen der ihm anvertrauten Christ*innen. Sein Weitblick dient bis heute als Vorbild.

Persönliche Begegnungen mit Bischof Kweka hinterließen immer einen tiefen Eindruck. Wenn Gäste seine Diözese besuchten, lud er sie gerne zu sich nach Hause ein, wo seine Frau Shichanaisaria für gastliche Atmosphäre sorgte. Wenn beim Erntedanfest getrommelt wurde, tanzte er mit. Als die Piste zur Bibelschule Mwika überschwemmt war, krempelte er die Hosen hoch und watete barfuß den restlichen Weg dorthin. Kweka wollte in seinem Amt ein Diener der Menschen sein. Eine ähnliche Haltung erwartete er von den Pfarrern und später auch Pfarrerinnen seiner Diözese.

Mit Erasto Kweka verliert die ELCT einen menschenfreundlichen und zugewandten Alt-Bischof, der seine Kraft aus einer tiefen Verbundenheit zu Jesus Christus holte. Beim Jubiläumsgottesdienst zur Feier des Beginns der Mission in der Norddiözese sagte er im Jahr 2018 im persönlichen Gespräch in Ashira: „Wir werden alt. Kommt bei uns vorbei.“ Nun ist er selbst an einen gastfreundlichen Tisch geladen.

 

Maja Kohler

Maja Kohler hat, entsendet von Mission EineWelt, viele Jahre in der ELCT-Norddiözese gelebt und gearbeitet. Dabei ist sie Bischof Kweka immer wieder begegnet.

Spielzeugherstellung bedeutet für die Arbeitenden oft Arbeit im Akkord unter miserablen Bedingungen Foto: Initiative Romero

Spielzeugherstellung bedeutet für die Arbeitenden oft Schuften im Akkord unter miserablen Bedingungen
Foto: Initiative Romero

Pünktlich zum Black Friday und zum Beginn des Weihnachtsgeschäfts hat die Romero Initiative (CIR) einen neuen Toys Report über die Arbeitsbedingungen in der Spielzeugproduktion veröffentlicht. Der Fokus liegt diesmal auf Vietnam. Ein weiterer Schwerpunkt des Reports ist die immer gefährlicher werdende Situation für verdeckte Ermittler*innen, durch deren Einsatz das Aufdecken von Missständen überhaupt erst möglich wird.

Zahlreiche Überstunden, keine ausreichende Schutzkleidung und Diskriminierungen – Interviews mit Arbeiter*innen offenbaren die prekären Arbeitsbedingungen in vietnamesischen Spielzeugfabriken. Der von der Romero Initiative (CIR) in Zusammenarbeit mit einer vietnamesischen NGO erstellte Toys Report zeigt, dass Frauen und Saisonarbeiter*innen davon besonders oft betroffen sind. So gilt für Frauen zum Beispiel häufig ein Schwangerschaftsverbot, das mit unangekündigten Tests einhergeht. Niedrige Löhne zwingen sie zu exzessiven Überstunden, um ein Einkommen zu sichern, das am Ende aber nicht zum Leben ausreicht. „Gerade Aktionstage wie der Black Friday, an denen der Einzelhandel mit Schnäppchen um sich wirft, verschlimmern die Arbeitsbedingungen zusätzlich. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wird die Produktionsmenge erhöht – auf Kosten der Arbeitenden, die noch weniger Pausen bekommen und bis zur Erschöpfung am Fließband stehen“, so Anna Backmann, CIR-Referentin für nachhaltiges Spielzeug und Unternehmensverantwortung. Zwar wird Spielzeug nach wie vor überwiegend in China produziert. Durch die steigenden Produktionskosten zieht es aber immer mehr namhafte Hersteller, wie Lego oder Mattel, in billigere Produktionsländer. Beide Unternehmen bauen in Vietnam derzeit eigene Fabriken für Millionenbeträge.

„Es ist unerträglich, wie aus reiner Profitgier Menschlichkeit und Fairness gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern unterschlagen werden. Der neue Toys Report 2023 zeigt leider: Die Spielzeugindustrie ist da keine Ausnahme. Wir sollten uns für faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz überall auf der Welt einsetzen: Unternehmen müssen ihre Lieferketten transparent machen und Kommunen können bei der Beschaffung auf Siegel wie das der Fair Toys Organisation achten, das auch Konsument*innen bei der Kaufentscheidung hilft. Auf EU-Ebene muss das neue Lieferkettengesetz dafür sorgen, dass Menschenrechte auch in der Spielzeugproduktion vor Gericht einklagbar werden“, fordert Jürgen Bergmann, Leiter des Referats Bildung Global bei Mission EineWelt und Mitglied in der Fair Toys Organisation.

Zudem leben Ermittler*innen, die verdeckt in Fabriken arbeiten, um die Missstände in der Spielzeugproduktion aufzudecken, immer gefährlicher. In der Vergangenheit kam es zu massiven Bedrohungen gegenüber den verdeckten Ermittler*innen, wenn diese enttarnt wurden. Während einer Undercover-Recherche in einer chinesischen Spielzeugfabrik musste eine Person zu ihrem Schutz sogar kurzfristig außer Landes geflogen werden. „Das zeigt uns, dass Unternehmen davon profitieren, ihre Arbeitsbedingungen zu verschleiern,“ so Backmann. In Vietnam habe man komplett von einem Einsatz verdeckter Ermittler*innen abgesehen, da dies viel zu gefährlich gewesen sei.

Ohne Transparenz und Klarheit über die vorherrschenden Arbeitsbedingungen, wird es noch schwieriger, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. „Die Situation für die Arbeitenden wird so perspektivisch eher schlechter als besser. Dieses Versteckspiel der Spielzeughersteller muss aufhören!“, fordert Anna Backmann.

Am 15. November 2023 ist Georg Kamm mit 83 Jahren in seinem Haus in Mailisita bei Moshi/Tansania verstorben. Mit ihm geht ein Mensch, der aus den alltäglichen Erfahrungen und Herausforderungen mit Kreativität, Leidenschaft und Idealismus innovative Lösungen erdachte und umsetzte. Der gelernte Schreiner und Anästhesiepfleger entwickelte in Tansania ein Verfahren, mit dem sich mittels reverser Osmose steriles Wasser für Infusionslösungen kostengünstig herstellen lässt. Zahlreiche solcher „Infusionunits“ wurden im Kongo, in Äthiopien, Kenia, Uganda, Sierra Leone, Liberia und anderen Ländern implementiert. So konnten ungezählte Menschenleben gerettet werden. Zudem schrieb Kamm ein Anästhesie-Lehrbuch und hielt international viele Vorträge. Für seine Leistungen erhielt er mehrere Ehrungen in verschiedenen Ländern, darunter auch das Bundesverdienstkreuz.

Georg Kamm wurde am 16. Oktober 1940 in Rothenburg ob der Tauber geboren. Als junger Mann reiste er zum Dienst nach Machame in Tansania aus. Dort arbeitete er jahrzehntelang für das Missionswerk Bayern, heute Mission EineWelt: zunächst im Machame Hospital, später im Infusionsprojekt der Saint Luke Foundation in Moshi, wo nach wie vor Medikamente hergestellt und Fachpersonal für Pharmazeutika ausgebildet werden. Im Jahr 2005 ging Georg Kamm in den Ruhestand.

Wir denken in herzlicher Anteilnahme an seine Frau Maria, die Kinder und Enkel und an alle, die um Georg Kamm trauern, und hoffen, dass er sehen möge, was er als Missionar geglaubt und mit Tat und Wort verkündigt hat.

`Mungu amlaze mahali pema, apumzike kwa amani´ – Möge er in Frieden ruhen, am schönsten Platz.

Claus Heim

Tansaniareferent Mission EineWelt